Messegelände Berlin - Grüne Woche erstmals seit 2020 wieder für Besucher geöffnet
Erstmals seit 2020 findet Grüne Woche wieder mit Publikum statt. Veränderungen durch Corona sind allerdings noch zu spüren - und weitere kommen durch die aktuelle Energiekrise auf Landwirtschaft und Lebensmittelhersteller zu. Von Martin Küper
Für die Messebesucher wird diese 87. Grüne Woche, die am Freitag gestartet ist, nicht viel anders aussehen als ihre Vorgänger: An unzähligen Ständen können sie sehen und probieren, was es Neues oder auch Bewährtes gibt - regional oder aus aller Welt. Von A wie Algen bis Z wie Zucchini wird alles dabei sein.
Auch Brandenburg mit dem gewohnt großen und Berlin mit einem etwas bescheideneren Auftritt zeigen, was sich nach der nun etwas längeren Messe-Pause in der Region kulinarisch getan hat. Ergänzt werden die Essstände wie gewohnt durch eine opulente Blumenhalle und die neugestaltete Tierhalle, einen großen Erlebnisbauernhof und zahlreiche Infostände rund um eine bewusste und ausgewogene Ernährung.
Nicht so sehr fürs Publikum, aber für die Veranstalter auch wichtig: ein aufwendiges Konferenzprogramm – denn es gibt viel zu besprechen derzeit.
Von allem etwas weniger
Dass sich die Grüne Woche bei ihrem Neustart in Präsenz nach zwei Jahren Pause etwas schlanker präsentiert als in der Vor-Pandemie-Zeit, hat auch etwas mit einer allgemeinen Messe-Verunsicherung zu tun. Immerhin wurde die Veranstaltung im Vorjahr wegen der Pandemie sehr kurzfristig abgesagt - da ist der ein oder andere Aussteller vorsichtig geworden. So wird diese Woche etwas "kompakter" sein, wie es der amtierende Messechef Dirk Hoffmann formuliert.
Erstmals gibt es in diesem Jahr kein Partnerland, denn so ein Auftritt muss länger vorbereitet werden als es offenbar möglich war. Insgesamt listet das Verzeichnis nun 1.400 Aussteller aus 60 Nationen auf, das sind etwa 400 weniger als noch 2020. Es ist nicht überraschend, dass Russland und die Ukraine nicht vertreten sind, obwohl beide Länder für die Agrar- und Lebensmittelindustrie eine deutlich wichtigere Rolle spielen, als es sich viele vor Ausbruch des Krieges so vorgestellt haben.
Rohstoff- und Lieferkettenprobleme
Genau das treibt viele Produzenten nun um: Durch den Krieg sind viele Rohstoffe deutlich teurer geworden, im Schnitt um fast 50 Prozent. Dazu kommt – auch als eine Kriegsfolge – der Energiekostenanteil, der sich nahezu verdoppelt hat. Und das in einer Phase, in der die Lebensmittel-Produzenten sowieso durch sehr schlechte Ernten und Corona-bedingte Lieferkettenprobleme sehr zu kämpfen hatte.
Christian von Boetticher als Vorsitzender der Vereinigung der deutschen Ernährungsindustrie nennt es eine "äußerst herausfordernde Zeit" und meint: Für viele Betriebe wird es eng. Vor allem die Markenartikler könnten die höheren Kosten nicht eins zu eins an die Konsumenten weitergeben und müssten nun mit dem Handel einen Weg finden, um in den Regalen zu bleiben. Auch wenn sich aktuell die Rohstoffpreise wieder etwas beruhigt hätten, so von Boetticher, stammen viele Lieferverträge nun aus dem letzten Jahr und müssten jetzt bezahlt werden. Mit wieder etwas niedrigeren Preisen sei daher vorerst nicht rechnen.
Landwirtschaft muss sich - wieder einmal - neu erfinden
Bis 2030, so eines der aktuellen Koalitionsziele, sollten 30 Prozent der Landwirtschaft auf Bio-Anbau umgestellt sein. Nachhaltig und möglichst klimaneutral – mit diesen Zielen könnte auch die Agrarindustrie gut leben, sagt Bauernpräsident Joachim Rukwied. Aber: "Am Ende entscheiden die Verbraucher, wieviel und wofür sie ihr Geld ausgeben." Seinen Beobachtungen nach würden gerade in letzter Zeit immer weniger Bio-Lebensmittel gekauft. Denn: Die Verbraucher sind in Inflationszeiten sparsamer geworden und greifen häufig auch auf die günstigeren Eigenmarken zurück. Diese Entwicklung und der geforderte schnelle Umbau auf die teurere biologische Produktion passten nicht zusammen. Die Grüne Woche sei daher, so Rukwied, "unser Davos", also das Forum, auf dem grundsätzlich und offen diskutiert werden müsse, wie und was wir künftig essen wollten. Es sollten nicht mehr die Preise im Vordergrund stehen, sondern Artenvielfalt und Tierwohl.
Grüne Woche für das Publikum
An Themen mangelt es diesmal also nicht, und Aussteller wie Branchenvertreter sprechen damit auch direkt jeden einzelnen Verbraucher an und sein Verhalten. Man kann aber auch einfach nur zum Schauen und Probieren auf das Messegelände kommen.
Die Grüne Woche ist täglich zwischen 10 und 18 Uhr geöffnet, am Freitag, 27. Januar bis 20 Uhr. Das Besucherticket kostet unverändert - wie 2020 - 15 Euro, ermäßigt 10 Euro. Wer sonntags kommen möchte, zahlt 13 Euro.
Neu ist, dass es die Tickets nur im Vorverkauf gibt - entweder online oder an BVG-Ticketautomaten und in BVG-Kundenzentren. Wer das vergessen hat oder spontan kommt, kann sich vor Ort an einen "Helpdesk" wenden, der den sofortigen Online-Kauf ermöglicht, natürlich alles bargeldfrei.
Sendung: rbb24 Abendschau, 20.01.2023, 19:30 Uhr