Flughafen BER - Sechs Milliarden Euro machen noch kein Drehkreuz

Fr 08.12.23 | 09:03 Uhr | Von Hasan Gökkaya
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Symbolbild: Reisender wartet am Gate am Terminal 1 des Flughafens BER (Quelle: dpa/Schoening)
Bild: dpa/Schoening

Weil der BER nur ein paar Langstreckenflüge am Tag hat, würden Berlin und Brandenburg gern die Groß-Airline Emirates ansiedeln. Der Bund hat damit aber ein Problem: "Mehr Emirates" würde vermutlich "weniger Lufthansa" bedeuten. Von Hasan Gökkaya

Wenn ein Flughafen 14 Jahre lang gebaut wird, obwohl nur fünf geplant waren, er sechs Milliarden Euro kostet, obwohl nur zwei geplant waren, und er dann auch noch die deutsche Hauptstadtregion repräsentiert, ist es wohl nicht überheblich, zu denken, dass er das Zeug zu einem internationalen Drehkreuz haben müsste. Also zum Hub, wie man so schön sagt, den jährlich allein schon mehrere zehn Millionen Menschen nur zum Umsteigen nutzen, um hinaus in die weite Welt zu fliegen.

Doch schon bei der Inbetriebnahme Ende 2020 prognostizierten Beobachter: Der Hauptstadtflughafen BER mag gut für die Region sein, ein Drehkreuz ist er aber noch lange nicht und er wird auch keines mehr werden.

Keine Chance gegen Frankfurt und München

Dass sich die Regierenden in Berlin und Brandenburg drei Jahre nach Eröffnung des BER nicht damit abfinden möchten, machten sie jüngst klar. Es müsse etwas passieren, damit der Flughafen "seiner Funktion als Drehkreuz für Ostdeutschland gerecht werden könne", heißt es in einer Mitteilung beider Landesregierungen.

Am deutlichsten wurde die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD). "In Sachen Erreichbarkeit bleiben wir deutlich hinter anderen, westdeutschen Regionen zurück." Ihr Fazit: Die Anbindung des BER werde der eines Hauptstadtflughafens nicht gerecht.

Tatsächlich starten derzeit am BER täglich nur etwa sechs Langstreckenverbindungen - der Luftverkehr an westdeutschen Flughäfen hingegen ist deutlich dichter. Dort gehen jeden Tag rund 180 Langstreckenflüge aus. Die Spitze stellen die deutschen Flugdrehkreuze in Frankfurt und München dar.

Berlin ist politisches, aber nicht wirtschaftliches Zentrum

Die Länder Berlin und Brandenburg wollen unter anderem mehr Direktflüge vom BER in die USA. Nicht ohne Grund: Zwar nahm die norwegische Billigfluglinie Norse Atlantic 2022 Verbindungen zwischen Schönefeld und Los Angeles, Florida und New York ins Programm, die Verbindungen an die Westküste wurden jedoch schon wieder gekappt. Norse richte seinen Flugplan entsprechend der "Nachfrage" und "Profitabilität", sagt eine Sprecherin auf Nachfrage von rbb|24.

Nachfrage und Profitabilität - das sind die zwei Faktoren, die wie dunkle Wolken über dem BER schweben. Der Luftfahrtexperte Cord Schellenberg macht dafür mehrere Gründe aus. Paris und London etwa seien Drehkreuze, weil sie zum einen starke Touristenziele seien, zum anderen würden sich dort viele geschäftliche Reisende aufhalten. "Wenn wir uns Berlin angucken, müssen wir feststellen, dass sich das wirtschaftliche Leben dieses Landes nicht mit dem politischen deckt."

Dass sich Frankfurt/Main als Hub herausbilden konnte, habe zudem mit der Geschichte Deutschlands nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu tun, sagt Schellenberg. "Die zweite Drehscheibe der Lufthansa nach Frankfurt ist München, weil das Einzugsgebiet im Süden schlicht größer ist als im Norden."

Welcher Flughafen Drehscheibe sein kann und welcher nicht - dafür gibt es einen Richtwert. Die Airports in Frankfurt und München haben laut Schellenberg 25 Prozent lokales Aufkommen - da zählen auch noch Reisende hinzu, die eine zweistündige Autofahrt hinter sich haben. Die restlichen 75 Prozent der Menschen im Flughafen würden sich dort nur wegen der Drehscheiben-Funktion aufhalten. "Das heißt, selbst wenn wir sagen, Berlin soll mal ausprobieren, Drehscheibe zu werden, braucht man eine Airline, die so eine Masse an Umsteigern kreieren kann. So eine Airline muss man erst einmal finden", sagt Schellenberg.

Netzwerk in der Luftfahrt ist komplex

Der Experte betont aber auch, wie komplex es sei, ein profitables Netzwerk in der Luftfahrt aufzubauen. Mit einigen Direktflügen sei noch lange nichts gewonnen. Bucht beispielsweise ein Passagier, der in Wien lebt, einen Flug vom BER nach Seattle in die USA, muss die Fluggesellschaft damit rechnen, dass der Passagier sich verspätet und das Flugzeug verpasst. "Es muss also einen weiteren Flug vom BER nach Seattle geben."

Ein Modell, bei dem Passagieren ein tagelanges Warten auf den nächsten Flug droht, ist weder zeitgemäß noch rentabel. Und es muss bedacht werden, dass bei einer Umbuchung nicht Kosten wie bei einem Neukauf entstehen.

Laut Schellenberg war Air Berlin eine Airline, die zumindest eine Art "Strategie" für ein Luftfahrtnetzwerk hatte. Im besten Fall hätte sie zumindest für europäische Flüge den BER zu einer Art Drehscheibe Light aufwerten können, sagt er.

Dazu kam es nicht, vor sechs Jahren ging Air Berlin pleite.

Berlin will, Dubai will, der Bund aber nicht

Ob ein Airport das Zeug zu einer Drehscheibe hat oder nicht, entscheidet also nicht der Flughafen. Und vielleicht ist nicht einmal der Standort ausschlaggebend, entscheidend sind viel mehr die Airlines. Je größer die Fluggesellschaft, desto größer kann das Luftfahrt-Netzwerk sein.

Ein so großer Player ist beispielsweise die in Dubai sitzende staatliche Fluggesellschaft Emirates. Nicht ohne Grund redet Berlin mit der Airline, die gerne vom BER aus fliegen würde. Das Problem: Der Bund erteilt keine Freigabe. Zum einen ist er mit 26 Prozent an der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) beteiligt. Zum anderen gibt die Vertragslage derzeit keinen Spielraum.

Denn da kein Flugabkommen zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und der EU existiert, hat Deutschland eine bilaterale Vereinbarung mit den Emiraten geschlossen. Der Deal gibt den in VAE ansässigen "Airlines die Möglichkeit, drei frei wählbare Flughäfen plus Hamburg als Landepunkte anzufliegen", erklärt das Bundesverkehrsministerium auf Nachfrage von rbb|24.

Mit Frankfurt, München und Düsseldorf schöpfen Emirates und Etihad diese Slots bereits aus. Wenn Emirates also am BER landen möchte, muss sie auf einen der drei Standorte verzichten.

Mehr Emirates würde weniger Lufthansa bedeuten

Laut Schellenberg kann der Bund, wenn der politische Wille da ist, das Abkommen mit den Emiraten neu verhandeln. Aber was bekommt er dafür im Gegenzug?

"Mehr Emirates" würde vermutlich "weniger Lufthansa" bedeuten. "Durch zusätzliche Landepunkte in Deutschland würde sich das wirtschaftliche Ungleichgewicht zugunsten der Luftfahrtunternehmen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten noch erhöhen, da den deutschen Gesellschaften kein dem deutschen Markt vergleichbarer Markt in den Emiraten offensteht", so formuliert es zumindest das Bundesverkehrsministerium.

Giffey und Wegner schreiben Brief an Bundeskanzleramt

Derweil hält die Berliner Wirtschaftssenatorin Giffey alle Drähte heiß: Mitte Oktober sprach die Senatorin mit Emirates-Präsident Timothy Clark am Rande einer Messe in Dubai, wie die Senatsverwaltung für Wirtschaft rbb|24 bestätigte. Demnach haben der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Giffey bereits einen Brief an das Bundeskanzleramt geschrieben, um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen.

Konkret fordern Berlin und Brandenburg von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), dass Emirates eine zusätzliche Start- und Landeerlaubnis am BER erhält.

Wie der Bundeskanzler den Ländern helfen kann, ist noch völlig unklar. Vielleicht macht sich der Berliner Regierende Bürgermeister auch keine allzu großen Hoffnungen. "Die Gespräche laufen, sie sind weiterhin nicht ganz einfach", sagte Wegner, als er vor einigen Wochen über Emirates sprach.

Beitrag von Hasan Gökkaya

76 Kommentare

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  1. 76.

    Berlin muss aufhören, zu träumen und aufwachen. Berlin ist kein geeigneter Platz für ein Drehkreuz. Und Größenwahn und Realitätsverlust machen eben auch kein Drehkreuz aus. Ein Flughafen ist hier nicht wirtschaftlich.

  2. 75.

    stimmt. Es wurde mit dem A 380 im politischen Größenwahn geplant. Deshalb meine Version mit dem A380 . Dies war dann der Anfang vom Desaster. Diese zusätzliche Planänderung war dann maßgeblich für die Verzögerung der Fertigstellung und dem Baufusch. Übrigens es gibt schon eine gute Anbindung mit Qatar nach DOH in diese Rtg. Weshalb jetzt noch Emirate? Die Forderung nach mehr Langstrecken ist pure Verzweiflung. Denn die Erholung des Flugverkehrs ist am BER bescheiden. EasyJet und Ryanair spielen auch nicht so mit. Die Finanzierung wird damit zum Risko. Diese wurde, nach Meinung einiger Experten, schon vorher schön gerechnet und unterliegt dem Betriebsgeheimnis. Jetzt taucht natürlich die Frage auf warum soll der Steuerzahler nicht wissen für was seine Mittel verwendet werden?

  3. 74.

    Soweit ich weiß gibt es am BER doch ein Gate für das Auslaufmodell A380.
    War ja scheinbar nicht das Erfolgsprodukt was man sich bei Airbus erhofft hat.
    Fraglich ob das am BER und seinem Umfeld überhaupt gewünscht ist?
    Ich persönlich glaube auch nicht dass mehr Flugverkehr durch so ein Drehkreuz für Berlin oder Brandenburg irgendwelche Vorteile hätte. Wenn der dafür genutzt wird wofür er geplant wurde, sollte das doch gut hinkommen. Langfristig Schwerpunkt in und aus Richtung Ost- und Nordeuropa zusätzlich zum derzeitigen Angebot klingt doch naheliegender als die interkontinentale Konkurrenz mit den großen etablierten zu suchen.

  4. 73.

    Drehkreuz hin, Urlaubsflieger her. Ein Drehkreuz für Frachtflüge ist in Leipzig, also gleich ums Eck und für eine Fernreise sind auch längere Anfahrtswege zumutbar. Die Region muss dafür nicht noch weiter beansprucht werden. Wer nun nach Dubai(bspw.) will, kann auch aus Hamburg fliegen. Gut, schnell und unkompliziert erreichbar. Ok, für manche Bequemlinge vll. etwas unbequem - anyway. Glaubt etwa jemand, das sich durch noch eine Fluglinie hier die Ölscheichs oder Tycoone die Klinke in die Hand geben? Die kommen, wenn überhaupt, eh mit dem Privatflieger. Mit den bisherigen Linien ist der BER schon, gefühlt, fast ausgelastet. Dann kommt noch Eine und noch Eine - letztlich kommen vll. sogar noch Ausbaugelüste auf. Startbahn-West 2.0 mit Fertigstellung 2100 - uiii toll.

  5. 72.

    Dirk/Berlin… braucht kein Drehkreuz. Der BER braucht easy Jet, Ryanair, Wizzair, Air Malta, Norse, Scoot, Vueling Airlines usw. Ultra-Low-Cost-Airlines entsprechend seines Niveau. Die einen brauchen Eurowings schön in der Holzklasse nach Dubai die anderen nicht. Emirate wiederum brauchen den BER nicht. Sie bevorzugen MUC FRA DUS und HAM. Es ist ihre Entscheidung und glauben sie mir Seine Hoheit Scheich.. denkt dabei rational. Das heißt seine Entscheidungen zeichnen sich durch Verstand und Vernunft aus. Was man von den Machern des BER nicht behaupten kann. Stellen sie sich mal vor die fliegen mit einem vollen A380. Wie viel schwachsinnige Runways für ein paar wenige müssten bereitgestellt werden und für die Meisten wird empfohlen sich 4 Stunden vor Abflug im jeweiligen Terminal einzufinden; auch wenn Sie nur mit Handgepäck reisen. Es ist ja bald Weihnachten, da kann man sich ja was wünschen, obwohl es den Weihnachtsmann nicht gibt.
    HGö sehr guter Artikel

  6. 71.

    Der BER braucht Kunden, Airlines und Politiker mit Netzwerken. Briefe schreiben ist eine Aktivität aus dem Topf der „Fördergeldantragschreiber“. Wo würden Sie den Brief ablegen?

    P.S. Die Standortfehlentscheidung können Sie aus verschiedenen Gründen nicht erkennen. Ich kenne die Gründe. Andere auch. Das Sie so einen Kommentar dazu schreiben... na ja.

  7. 70.

    Berlin wird nie zum Drehkreuz werden, das liegt zum einem an der mangelhaften Passagierabfertig, sprich Check in und Sicherheitskontrolle, die platztechnisch falsch gebaut worden ist und uneffizient ist. Desweiteren sind die Park Möglichkeiten zu teuer und die Aufenthaltsqualit im Terminal lässt stark zu wünschen übrig. Ich fliege persönlich nur noch von München, Auto günstig nahe am Terminal parken, mit dem Bus in 8min am Terminal, Check in in 20min durch und Sicherheitskontrolle in 10min abgewickelt, das ist effizient.

  8. 67.

    Nebenbei. Drehkreuz für einen Regionalflughafen?

  9. 66.

    Warum lebt der BER immer noch. Hat nur Chaos und Schulden eingefahren.
    Man kann in Leipzig super fliegen.

  10. 65.

    Die Lufthansa ist für den Raum Berlin unwichtig deshalb sollte man der VAE den Vorrang geben. Die zeigen einen dann wie Drehkreuz funktioniert. Nicht so wie die Lufthansa wo man an deren Drehkreuzen nicht die Anschlüsse bekommt.

  11. 64.

    Wollen Sie etwa neben dem BER noch eine Flughafen in Sperenberg, damit die im Wettbewerb stehen? Sie können es einfach nicht.

  12. 63.

    Nein, möchte ich nicht!
    Sie schulden mir noch Ihre lieblings Langstreckenziele ab Leipzig/Halle :)

  13. 61.

    Also haben Sie keine Ahnung, warum Sperenberg der bessere Standort für ein Drehkreuz gewesen wäre. Einen Fernbahnanschluß hat übrigens der BER schon. Die an die Dresdener Bahn Zugezogenen haben bekanntlich lange Jahre einer besserer SPV-Anbindung des BER im Wege gestanden.

  14. 60.

    Ein ICE-tauglicher Bahnhof ist längst vorhanden, direkt unter Terminal 1.
    Fragen Sie doch mal die Pressestelle der Deutschen Bahn AG, warum dieser Bahnhof noch nicht ans ICE-Netz der Bahn angebunden ist.

  15. 59.

    Quatsch,Ihre Bemerkung. FRA und MUC haben auch Nachrflugverbot !
    Fühlt Euch doch nicht so wichtig in Berlin.

  16. 58.

    "wege mitunter 143.2km lang."
    oh...wie lange muss man da wohl vorher am BER ankommen? ;-)

    "aufzüge dermassen blöd versteckt."
    Ich denke, wenn man einmal gesucht hat, findet man den Aufzug immer wieder.

    "keine klaren wege, alles super doof verwinkelt; plötzlich geht hier ne treppe ab, so unscheinbar, dass man erst mal nicht kapiert, dass es da zum gate geht. 1000e treppen."
    Soll vorkommen in einem Großflughafen, dass der sich über mehrere Etagen zieht. Ich weiß nicht, was noch klarer sein soll? Man kommt unten rein (ob mit Bahn oder vom Parkplatz), fährt hoch, geht durch zur Kontrolle gerade aus, links oder rechts) dann steht man hinter dem Heinemanns vor der Wahl Gates A oder B... fertig.

    "flughafenbegleitung für ältere menschen kann nur mit rollstuhl helfen, nicht mit karts. usw usf."
    Stimmt nicht, vor kurzem erst gesehen, wie ein Chauffeur eine junge Mutter mit drei Kids auf ner Leerfahrt zusteigen ließ. Die waren stolz wie Bolle.

  17. 57.

    "wege mitunter 143.2km lang."
    Ansage des Navi: Sie sind bereits am Flughafen Leipzig, zum Erreichen ihres Ziels bitte wenden.

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