Flughafen BER - Sechs Milliarden Euro machen noch kein Drehkreuz
Weil der BER nur ein paar Langstreckenflüge am Tag hat, würden Berlin und Brandenburg gern die Groß-Airline Emirates ansiedeln. Der Bund hat damit aber ein Problem: "Mehr Emirates" würde vermutlich "weniger Lufthansa" bedeuten. Von Hasan Gökkaya
Wenn ein Flughafen 14 Jahre lang gebaut wird, obwohl nur fünf geplant waren, er sechs Milliarden Euro kostet, obwohl nur zwei geplant waren, und er dann auch noch die deutsche Hauptstadtregion repräsentiert, ist es wohl nicht überheblich, zu denken, dass er das Zeug zu einem internationalen Drehkreuz haben müsste. Also zum Hub, wie man so schön sagt, den jährlich allein schon mehrere zehn Millionen Menschen nur zum Umsteigen nutzen, um hinaus in die weite Welt zu fliegen.
Doch schon bei der Inbetriebnahme Ende 2020 prognostizierten Beobachter: Der Hauptstadtflughafen BER mag gut für die Region sein, ein Drehkreuz ist er aber noch lange nicht und er wird auch keines mehr werden.
Keine Chance gegen Frankfurt und München
Dass sich die Regierenden in Berlin und Brandenburg drei Jahre nach Eröffnung des BER nicht damit abfinden möchten, machten sie jüngst klar. Es müsse etwas passieren, damit der Flughafen "seiner Funktion als Drehkreuz für Ostdeutschland gerecht werden könne", heißt es in einer Mitteilung beider Landesregierungen.
Am deutlichsten wurde die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD). "In Sachen Erreichbarkeit bleiben wir deutlich hinter anderen, westdeutschen Regionen zurück." Ihr Fazit: Die Anbindung des BER werde der eines Hauptstadtflughafens nicht gerecht.
Tatsächlich starten derzeit am BER täglich nur etwa sechs Langstreckenverbindungen - der Luftverkehr an westdeutschen Flughäfen hingegen ist deutlich dichter. Dort gehen jeden Tag rund 180 Langstreckenflüge aus. Die Spitze stellen die deutschen Flugdrehkreuze in Frankfurt und München dar.
Berlin ist politisches, aber nicht wirtschaftliches Zentrum
Die Länder Berlin und Brandenburg wollen unter anderem mehr Direktflüge vom BER in die USA. Nicht ohne Grund: Zwar nahm die norwegische Billigfluglinie Norse Atlantic 2022 Verbindungen zwischen Schönefeld und Los Angeles, Florida und New York ins Programm, die Verbindungen an die Westküste wurden jedoch schon wieder gekappt. Norse richte seinen Flugplan entsprechend der "Nachfrage" und "Profitabilität", sagt eine Sprecherin auf Nachfrage von rbb|24.
Nachfrage und Profitabilität - das sind die zwei Faktoren, die wie dunkle Wolken über dem BER schweben. Der Luftfahrtexperte Cord Schellenberg macht dafür mehrere Gründe aus. Paris und London etwa seien Drehkreuze, weil sie zum einen starke Touristenziele seien, zum anderen würden sich dort viele geschäftliche Reisende aufhalten. "Wenn wir uns Berlin angucken, müssen wir feststellen, dass sich das wirtschaftliche Leben dieses Landes nicht mit dem politischen deckt."
Dass sich Frankfurt/Main als Hub herausbilden konnte, habe zudem mit der Geschichte Deutschlands nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu tun, sagt Schellenberg. "Die zweite Drehscheibe der Lufthansa nach Frankfurt ist München, weil das Einzugsgebiet im Süden schlicht größer ist als im Norden."
Welcher Flughafen Drehscheibe sein kann und welcher nicht - dafür gibt es einen Richtwert. Die Airports in Frankfurt und München haben laut Schellenberg 25 Prozent lokales Aufkommen - da zählen auch noch Reisende hinzu, die eine zweistündige Autofahrt hinter sich haben. Die restlichen 75 Prozent der Menschen im Flughafen würden sich dort nur wegen der Drehscheiben-Funktion aufhalten. "Das heißt, selbst wenn wir sagen, Berlin soll mal ausprobieren, Drehscheibe zu werden, braucht man eine Airline, die so eine Masse an Umsteigern kreieren kann. So eine Airline muss man erst einmal finden", sagt Schellenberg.
Netzwerk in der Luftfahrt ist komplex
Der Experte betont aber auch, wie komplex es sei, ein profitables Netzwerk in der Luftfahrt aufzubauen. Mit einigen Direktflügen sei noch lange nichts gewonnen. Bucht beispielsweise ein Passagier, der in Wien lebt, einen Flug vom BER nach Seattle in die USA, muss die Fluggesellschaft damit rechnen, dass der Passagier sich verspätet und das Flugzeug verpasst. "Es muss also einen weiteren Flug vom BER nach Seattle geben."
Ein Modell, bei dem Passagieren ein tagelanges Warten auf den nächsten Flug droht, ist weder zeitgemäß noch rentabel. Und es muss bedacht werden, dass bei einer Umbuchung nicht Kosten wie bei einem Neukauf entstehen.
Laut Schellenberg war Air Berlin eine Airline, die zumindest eine Art "Strategie" für ein Luftfahrtnetzwerk hatte. Im besten Fall hätte sie zumindest für europäische Flüge den BER zu einer Art Drehscheibe Light aufwerten können, sagt er.
Dazu kam es nicht, vor sechs Jahren ging Air Berlin pleite.
Berlin will, Dubai will, der Bund aber nicht
Ob ein Airport das Zeug zu einer Drehscheibe hat oder nicht, entscheidet also nicht der Flughafen. Und vielleicht ist nicht einmal der Standort ausschlaggebend, entscheidend sind viel mehr die Airlines. Je größer die Fluggesellschaft, desto größer kann das Luftfahrt-Netzwerk sein.
Ein so großer Player ist beispielsweise die in Dubai sitzende staatliche Fluggesellschaft Emirates. Nicht ohne Grund redet Berlin mit der Airline, die gerne vom BER aus fliegen würde. Das Problem: Der Bund erteilt keine Freigabe. Zum einen ist er mit 26 Prozent an der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) beteiligt. Zum anderen gibt die Vertragslage derzeit keinen Spielraum.
Denn da kein Flugabkommen zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und der EU existiert, hat Deutschland eine bilaterale Vereinbarung mit den Emiraten geschlossen. Der Deal gibt den in VAE ansässigen "Airlines die Möglichkeit, drei frei wählbare Flughäfen plus Hamburg als Landepunkte anzufliegen", erklärt das Bundesverkehrsministerium auf Nachfrage von rbb|24.
Mit Frankfurt, München und Düsseldorf schöpfen Emirates und Etihad diese Slots bereits aus. Wenn Emirates also am BER landen möchte, muss sie auf einen der drei Standorte verzichten.
Mehr Emirates würde weniger Lufthansa bedeuten
Laut Schellenberg kann der Bund, wenn der politische Wille da ist, das Abkommen mit den Emiraten neu verhandeln. Aber was bekommt er dafür im Gegenzug?
"Mehr Emirates" würde vermutlich "weniger Lufthansa" bedeuten. "Durch zusätzliche Landepunkte in Deutschland würde sich das wirtschaftliche Ungleichgewicht zugunsten der Luftfahrtunternehmen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten noch erhöhen, da den deutschen Gesellschaften kein dem deutschen Markt vergleichbarer Markt in den Emiraten offensteht", so formuliert es zumindest das Bundesverkehrsministerium.
Giffey und Wegner schreiben Brief an Bundeskanzleramt
Derweil hält die Berliner Wirtschaftssenatorin Giffey alle Drähte heiß: Mitte Oktober sprach die Senatorin mit Emirates-Präsident Timothy Clark am Rande einer Messe in Dubai, wie die Senatsverwaltung für Wirtschaft rbb|24 bestätigte. Demnach haben der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Giffey bereits einen Brief an das Bundeskanzleramt geschrieben, um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen.
Konkret fordern Berlin und Brandenburg von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), dass Emirates eine zusätzliche Start- und Landeerlaubnis am BER erhält.
Wie der Bundeskanzler den Ländern helfen kann, ist noch völlig unklar. Vielleicht macht sich der Berliner Regierende Bürgermeister auch keine allzu großen Hoffnungen. "Die Gespräche laufen, sie sind weiterhin nicht ganz einfach", sagte Wegner, als er vor einigen Wochen über Emirates sprach.