Diskussion nach Brandanschlag - Wie sichert man die Stromversorgung gegen Anschlagsversuche ab?
Nach dem Anschlag auf die Stromversorgung bei Tesla und Teile der Region stellt sich die Frage: Wie lassen sich die damit einhergehenden Stromausfälle verhindern? Drohnen und Sensoren alleine werden uns wohl nicht schützen. Von Julian von Bülow
Ein massiver Stromausfall, in den Landkreisen Oder-Spree und Märkisch-Oderland sowie in einigen Berliner Ortsteilen: Grund dafür war der Brandanschlag der linksradikalen "Vulkangruppe" auf einen Strommast, der die Stromversorgung der die Tesla-Fabrik in Grünheide lahmlegen sollte. Rund 60.000 Menschen in Brandenburg sowie rund 3.000 Haushalte in Berlin waren zeitweise ohne Strom.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sprach auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Tesla-Vertretern von einem "terroristischen Akt". Dabei seien auch Krankenhäuser und Altenheime betroffen gewesen, wo Menschen teils auf Sauerstoffversorgung angewiesen seien, sagte der Minister. "Es ist von denjenigen, die diesen Anschlag verübt haben, billigend in Kauf genommen worden, dass Menschen dadurch verletzt werden." Für Tesla entstehe durch den mehrtägigen Produktionsausfall Kosten "im hohen neunstelligen Bereich", hieß es von der deutschen Tesla-Geschäftfsführung. Wie lässt sich also verhindern, dass so etwas noch einmal geschehen kann?
Eigene Kraftwerke und Notstromaggregate bieten Schutz
Anders als Tesla setzt zum Beispiel der Volkswagen-Konzern auf eigene Kraftwerke auf den Werksgeländen in Wolfsburg und Baunatal. So sei die Energieversorgung der Auto-Produktion leichter zu überwachen. Andere VW-Standorte würden hingegen wie bei Tesla über das öffentliche Netz versorgt, teilte der Konzern rbb24 mit.
Dass auf dem Tesla-Werksgelände keine Nostromaggregate, Puffer und Batterien zum Einsatz gekommen sein, verwundert Hans-Walter Borries, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender vom Bundesverband für den Schutz Kritischer Infrastruktur (BSKI). "Ich könnte mir vorstellen, dass Tesla nicht über ausreichend starke Notstromaggregate verfügt. Im besten Fall hätte man eigene Kraftwerksanlagen haben müssen, die in (Milli-)Sekunden anspringen und dann die Stromversorgung sicherstellen".
Mehr Leitungen böten mehr Sicherheit
Doch das öffentliche Stromnetz ist angreifbar: "Sabotageaktionen, wie zum Beispiel ein Brandschaden, lassen sich so gut wie nicht verhindern. Was wir dagegen tun können, ist die Infrastruktur so zu planen und so zu bauen, dass ein einzelner Vorfall kein Versorgungsausfall bedeutet", sagt Johannes Rundfeldt, Sprecher und Gründer der Arbeitsgemeinschaft Kritische Infrastruktur (Kritis). In ihr versammeln sich Fachleute unter anderem aus den Bereichen Energie, Transport und Verkehr, Informationstechnik und Telekommunikation. Und sie kommen zu dem Schluss: Mehr Sicherheit gebe es durch weitere, redundante Leitungen.
In Deutschland soll dazu das sogenannte "n-minus-eins-Kriterium" in den Normen für deutsche Netzbetreiber beitragen. "(n-1)-sicher bedeutet, dass das Stromnetz den Ausfall einer Leitung verkraften kann, ohne dass es zu Stromausfällen für die Kunden kommt", erklärt die Bundesnetzagentur gegenüber rbb24. Meist würden deshalb die Leitungen in Doppelsystemen auf einem Mast errichtet. "Sollte im Fehlerfall eines der Systeme ausfallen kann das zweite System einspringen." Wird aber der Strommast in Brand gesteckt, hilft das wenig.
"Man kann halt nicht einfach Infrastruktur, die über hunderte Kilometer geht, effektiv schützen. Entsprechend wird es immer Möglichkeiten geben, diese zu stören", sagt Rundfeldt. Das geschehe auch nicht immer mit böser Absicht. In den Deutschen Telekommunikations- und Energienetzen komme es laut der AG Kritis cica einmal pro Woche zu Störungen, weil ein Bagger bei Bauarbeiten eine Leitung durchtrenne.
Früher Heimatschutzbataillone, doch was heute?
Die Sicherung der kritischen Infrastruktur ist eine deutschlandweite Herausforderung. Denn laut Borries, gebe es deutschlandweit rund 38.000 Strommasten, 1.000 Umspannwerke und ungefähr 36.600 Kilometer Stromleitungen.
In Zeiten des Kalten Krieges hätten Heimatschutzbataillone existiert, die im Spannungs- und Verteilungsfall Sicherungslinien um kritische Infrastrukturen wie Kraftwerke und Umspannwerke gezogen hätten. "Diese Kräfte gibt es heute so nicht mehr und so müssen wir uns jetzt überlegen, wie können wir diese Objekte kostengünstig in den nächsten Jahren Schritt für Schritt sichern", sagt Borries. Man könnte überlegen, ob man mit Drohnen oder Detektoren überwachen könnte, aber es könne keine permanente Überwachung geben. Dafür sei die Fläche zu groß. Lediglich für Orte wie etwa Umspannwerke könne man Wachschutz oder Drohnenüberwachung rund um die Uhr erwägen.
Politik berät über weitere Maßnahmen
Auch Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) sagte im rbb-Fernsehen, dass nicht alles rund um die Uhr zu überwachen sei. "Würden wir jetzt alle Hochspannungsmasten ganz intensiv überwachen, würde vielleicht unsere Wasserver- oder -entsorgung in den Blick geraten", so Stübgen. Natürlich sei es nun wichtig, empfindliche Bereiche auszumachen und zu schützen - zum Beispiel die Stellen, an denen Luftkabel in die Erde gingen. "Da gibt es verschiedene Konzepte, ob man das mit Zäunen macht, mit Videoüberwachung - auch Drohnen sind da im Gespräch", sagt Stübgen.
Und nicht nur auf Landesebene gebe es Handlungsbedarf, sagt AG Kritis-Sprecher Rundfeldt. 2018 habe man der Bund die Gesetzgebung für kritische Infrastruktur geschaffen. Damals habe man Ausgangswerte für die Versorgungssicherheit festgelegt. Doch: Welche weiteren Maßnahmen notwendig wären und ob die bisherigen Werte in der richtigen Größenordnung sind, das habe das Bundesministerium des Innern bisher nicht analysiert. "Es wäre eine klare Aufgabe, zu evaluieren ist, ob unsere Schwellwerte, die wir 2018 festgelegt haben, in der richtigen Größenordnung sind oder nicht", sagt Rundfeldt.
Die Bundesregierung arbeitet an einem neuen Gesetz
Das Bundesinnenministerium plane laut eines Sprechers, dass sich die Bundesregierung in der ersten Jahreshälfte mit dem sogenannten Kritis-Dachgesetz befasst. Damit solle die kritische Infrastruktur besser gegen Gefahren geschützt werden. Darüber hinaus sei es erst einmal die Pflicht der Netzbetreiber, ihre Infrastruktur zu schützen, hieß es.
Kritis-Experte Borries ist sich sicher: "Die Infrastruktursicherung bedeutet, dass wir Finanzmittel in die Hand nehmen müssen, die nicht aus dem normalen Haushalt kommen." Das werde eine Daueraufgabe, zumindest zeitweise. Denn mit der Umstellung auf dezentrale Energieversorgung durch Wind und Solar brauche es auch weniger Umspannwerke. Aber das wirke sich erst in zehn bis 15 Jahren aus, so Borries.
Weitere Anschlagsversuche nicht abwegig
Dass es um die Tesla-Fabrik und anderswo zu weiteren Anschlagsversuchen kommen könnte, ist nicht abwegig, die "Vulkangruppe" trat bereits in der Vergangenheit mehrfach mit Brandanschlägen in Erscheinung. In einem Bekennerschreiben, das die Ermittlungsbehören mittlerweile für echt halten, heißt es: "Wir können erwischt, geschlagen, gedemütigt, vergewaltigt oder ermordet werden – aber wir sind im Recht. Nur die Gewalt kann uns am Boden halten. Aber wir stehen wieder auf. Und nach uns werden andere kommen."
Auf rbb-Anfragen antwortete der am Anschlagsort verantwortliche Netzbetreiber Edis nicht.
Sendung: rbb Spezial, 06.03.2024, 20:15 Uhr
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