Diskussion nach Brandanschlag - Wie sichert man die Stromversorgung gegen Anschlagsversuche ab?

Mi 06.03.24 | 21:00 Uhr
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Originalbild: Brandenburg, Grünheide: Ein Strommast steht mit Brandspuren auf einem Feld nahe der Tesla-Autofabrik am 06.03.2024.(Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Video: rbb Spezial | 06.03.2024 | Andreas Hewel | Bild: dpa / Patrick Pleul

Nach dem Anschlag auf die Stromversorgung bei Tesla und Teile der Region stellt sich die Frage: Wie lassen sich die damit einhergehenden Stromausfälle verhindern? Drohnen und Sensoren alleine werden uns wohl nicht schützen. Von Julian von Bülow

Ein massiver Stromausfall, in den Landkreisen Oder-Spree und Märkisch-Oderland sowie in einigen Berliner Ortsteilen: Grund dafür war der Brandanschlag der linksradikalen "Vulkangruppe" auf einen Strommast, der die Stromversorgung der die Tesla-Fabrik in Grünheide lahmlegen sollte. Rund 60.000 Menschen in Brandenburg sowie rund 3.000 Haushalte in Berlin waren zeitweise ohne Strom.

Betroffene Regionen des Stromausfalls in Brandenburg am Dienstag den 05.03.2024.(Quelle:rbb)
Der Stromausfall in Brandenburg | Bild: rbb

Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sprach auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Tesla-Vertretern von einem "terroristischen Akt". Dabei seien auch Krankenhäuser und Altenheime betroffen gewesen, wo Menschen teils auf Sauerstoffversorgung angewiesen seien, sagte der Minister. "Es ist von denjenigen, die diesen Anschlag verübt haben, billigend in Kauf genommen worden, dass Menschen dadurch verletzt werden." Für Tesla entstehe durch den mehrtägigen Produktionsausfall Kosten "im hohen neunstelligen Bereich", hieß es von der deutschen Tesla-Geschäftfsführung. Wie lässt sich also verhindern, dass so etwas noch einmal geschehen kann?

Betroffene Regionen des Stromausfalls in Berlin am Dienstag, den 05.03.2024.(Quelle:rbb)
Der Stromausfall in Berlin | Bild: rbb

Eigene Kraftwerke und Notstromaggregate bieten Schutz

Anders als Tesla setzt zum Beispiel der Volkswagen-Konzern auf eigene Kraftwerke auf den Werksgeländen in Wolfsburg und Baunatal. So sei die Energieversorgung der Auto-Produktion leichter zu überwachen. Andere VW-Standorte würden hingegen wie bei Tesla über das öffentliche Netz versorgt, teilte der Konzern rbb24 mit.

Dass auf dem Tesla-Werksgelände keine Nostromaggregate, Puffer und Batterien zum Einsatz gekommen sein, verwundert Hans-Walter Borries, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender vom Bundesverband für den Schutz Kritischer Infrastruktur (BSKI). "Ich könnte mir vorstellen, dass Tesla nicht über ausreichend starke Notstromaggregate verfügt. Im besten Fall hätte man eigene Kraftwerksanlagen haben müssen, die in (Milli-)Sekunden anspringen und dann die Stromversorgung sicherstellen".

Mehr Leitungen böten mehr Sicherheit

Doch das öffentliche Stromnetz ist angreifbar: "Sabotageaktionen, wie zum Beispiel ein Brandschaden, lassen sich so gut wie nicht verhindern. Was wir dagegen tun können, ist die Infrastruktur so zu planen und so zu bauen, dass ein einzelner Vorfall kein Versorgungsausfall bedeutet", sagt Johannes Rundfeldt, Sprecher und Gründer der Arbeitsgemeinschaft Kritische Infrastruktur (Kritis). In ihr versammeln sich Fachleute unter anderem aus den Bereichen Energie, Transport und Verkehr, Informationstechnik und Telekommunikation. Und sie kommen zu dem Schluss: Mehr Sicherheit gebe es durch weitere, redundante Leitungen.

In Deutschland soll dazu das sogenannte "n-minus-eins-Kriterium" in den Normen für deutsche Netzbetreiber beitragen. "(n-1)-sicher bedeutet, dass das Stromnetz den Ausfall einer Leitung verkraften kann, ohne dass es zu Stromausfällen für die Kunden kommt", erklärt die Bundesnetzagentur gegenüber rbb24. Meist würden deshalb die Leitungen in Doppelsystemen auf einem Mast errichtet. "Sollte im Fehlerfall eines der Systeme ausfallen kann das zweite System einspringen." Wird aber der Strommast in Brand gesteckt, hilft das wenig.

"Man kann halt nicht einfach Infrastruktur, die über hunderte Kilometer geht, effektiv schützen. Entsprechend wird es immer Möglichkeiten geben, diese zu stören", sagt Rundfeldt. Das geschehe auch nicht immer mit böser Absicht. In den Deutschen Telekommunikations- und Energienetzen komme es laut der AG Kritis cica einmal pro Woche zu Störungen, weil ein Bagger bei Bauarbeiten eine Leitung durchtrenne.

Früher Heimatschutzbataillone, doch was heute?

Die Sicherung der kritischen Infrastruktur ist eine deutschlandweite Herausforderung. Denn laut Borries, gebe es deutschlandweit rund 38.000 Strommasten, 1.000 Umspannwerke und ungefähr 36.600 Kilometer Stromleitungen.

In Zeiten des Kalten Krieges hätten Heimatschutzbataillone existiert, die im Spannungs- und Verteilungsfall Sicherungslinien um kritische Infrastrukturen wie Kraftwerke und Umspannwerke gezogen hätten. "Diese Kräfte gibt es heute so nicht mehr und so müssen wir uns jetzt überlegen, wie können wir diese Objekte kostengünstig in den nächsten Jahren Schritt für Schritt sichern", sagt Borries. Man könnte überlegen, ob man mit Drohnen oder Detektoren überwachen könnte, aber es könne keine permanente Überwachung geben. Dafür sei die Fläche zu groß. Lediglich für Orte wie etwa Umspannwerke könne man Wachschutz oder Drohnenüberwachung rund um die Uhr erwägen.

Politik berät über weitere Maßnahmen

Auch Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) sagte im rbb-Fernsehen, dass nicht alles rund um die Uhr zu überwachen sei. "Würden wir jetzt alle Hochspannungsmasten ganz intensiv überwachen, würde vielleicht unsere Wasserver- oder -entsorgung in den Blick geraten", so Stübgen. Natürlich sei es nun wichtig, empfindliche Bereiche auszumachen und zu schützen - zum Beispiel die Stellen, an denen Luftkabel in die Erde gingen. "Da gibt es verschiedene Konzepte, ob man das mit Zäunen macht, mit Videoüberwachung - auch Drohnen sind da im Gespräch", sagt Stübgen.

Und nicht nur auf Landesebene gebe es Handlungsbedarf, sagt AG Kritis-Sprecher Rundfeldt. 2018 habe man der Bund die Gesetzgebung für kritische Infrastruktur geschaffen. Damals habe man Ausgangswerte für die Versorgungssicherheit festgelegt. Doch: Welche weiteren Maßnahmen notwendig wären und ob die bisherigen Werte in der richtigen Größenordnung sind, das habe das Bundesministerium des Innern bisher nicht analysiert. "Es wäre eine klare Aufgabe, zu evaluieren ist, ob unsere Schwellwerte, die wir 2018 festgelegt haben, in der richtigen Größenordnung sind oder nicht", sagt Rundfeldt.

 

Die Bundesregierung arbeitet an einem neuen Gesetz

Das Bundesinnenministerium plane laut eines Sprechers, dass sich die Bundesregierung in der ersten Jahreshälfte mit dem sogenannten Kritis-Dachgesetz befasst. Damit solle die kritische Infrastruktur besser gegen Gefahren geschützt werden. Darüber hinaus sei es erst einmal die Pflicht der Netzbetreiber, ihre Infrastruktur zu schützen, hieß es.

Kritis-Experte Borries ist sich sicher: "Die Infrastruktursicherung bedeutet, dass wir Finanzmittel in die Hand nehmen müssen, die nicht aus dem normalen Haushalt kommen." Das werde eine Daueraufgabe, zumindest zeitweise. Denn mit der Umstellung auf dezentrale Energieversorgung durch Wind und Solar brauche es auch weniger Umspannwerke. Aber das wirke sich erst in zehn bis 15 Jahren aus, so Borries.

Weitere Anschlagsversuche nicht abwegig

Dass es um die Tesla-Fabrik und anderswo zu weiteren Anschlagsversuchen kommen könnte, ist nicht abwegig, die "Vulkangruppe" trat bereits in der Vergangenheit mehrfach mit Brandanschlägen in Erscheinung. In einem Bekennerschreiben, das die Ermittlungsbehören mittlerweile für echt halten, heißt es: "Wir können erwischt, geschlagen, gedemütigt, vergewaltigt oder ermordet werden – aber wir sind im Recht. Nur die Gewalt kann uns am Boden halten. Aber wir stehen wieder auf. Und nach uns werden andere kommen."

Auf rbb-Anfragen antwortete der am Anschlagsort verantwortliche Netzbetreiber Edis nicht.

Sendung: rbb Spezial, 06.03.2024, 20:15 Uhr

 

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11 Kommentare

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  1. 11.

    Warum hat man sich am UW Freienbrink für diese Variante der kabelbasierten Einschleifung entschieden?
    2 doppelte Freileitungen bis zum neuen UW Freienbrink wären doch sicher nicht teurer als 4 Kabelsysteme gewesen.
    Um einen normalen Freileitungsmast zu zerstören, gehört nochmal einiges mehr an Wahnsinn dazu als so einen Kabelübergang.
    Freileitung reparieren wäre auch wesentlich einfacher als jetzt 6 Muffen und 6 Kabelendverschlüsse neu zu setzen.
    Das Risiko dürfte man sicher auch für die oftmals gewünschten Hochspannungserdkabeltrassen berücksichtigen und erklären.
    Im Niederspannungs- aber auch Mittelspannungsnetz sind Kabel allerdings die elegantere Lösung.
    Trotzdem sollte an einen zweiten Weg möglichst über einer Ringleitung nachgedacht werden. In der Nähe wird da wohl nix zu finden sein.

  2. 10.

    Na ja. Sie sehen doch aber schon, dass "die Bänder still stehen".
    Die Leute arbeiten nicht. Tesla ist der mit Abstand größte Arbeitgeber & (Gewerbe)Steuerzahler der Region.
    Wollen hoffen, dass sich so was nicht wiederholt. Ein Standortnachteil sind solche Anschläge allemal.
    Und zwar zu Lasten aller. Immenser Schaden am Menschen.
    Rajko Peter Petrow

  3. 9.

    In der BILD Zeitung steht gerade, dass die Leute aus dem benachbartem Camp das mit dem Feuer „aus der Zeitung erfahren“ haben, aber grundsätzlich nichts dagegen haben, dass es „den Anschlag“ gegeben hat.
    Was ist denn das für ein Land, einen Werk entsteht ein Schaden von hunderten Millionen Euro und daneben campieren Leute in einem Protestcamp und finden das gut?

  4. 8.

    Vielviel Leitungen hätte man für den entstandenen Schaden bauen können?
    Wahrscheinlich „warten“ die Leuten in den Baumhäusern auch nur darauf loslegen zu können

  5. 7.

    Und wie immer sorgt der Schaden am Eigentum für mehr Furore als der Schaden am Menschen...

  6. 6.

    Der Berater der Bundesregierung, Ulrich Klotz, hat Zweifel an der linksextremen Urheberschaft des Tesla-Anschlags geäußert. Auf dem sozialen Netzwerk X schrieb der Informatiker: „Wer war es wirklich? Seit dem Reichstagsbrand ist es ein klassisches Muster von Rechten, den Linken (Brand-)Anschläge in die Schuhe zu schieben. Motivlage und Folgewirkungen sprechen dafür, daß es im aktuellen Fall in Brandenburg wieder genauso war.“
    Dazu veröffentlichte er ein Foto vom attackierten Umspannwerk sowie zwei historische Bilder. Eines davon stammt vom 27. Februar 1933 und zeigt den brennenden Reichstag. Das andere Bild zeigt ein Wahlplakat der NSDAP, das auf den Vorfall Bezug nimmt.
    Noch Fragen?

  7. 5.

    Gestern gab es eine 16-minütige Sondersendung im rbb: https://www.rbb-online.de/rbbspezial/videos/giga-stromausfall-nach-brandanschlag.html

    Es war auch Schwerpunkt in der Abendschau und Brandenburg-Aktuell. Kopf in den Sand sieht anders aus.

  8. 4.

    "Denn mit der Umstellung auf dezentrale Energieversorgung durch Wind und Solar brauche es auch weniger Umspannwerke. Aber das wirke sich erst in zehn bis 15 Jahren aus, so Borries."
    Hat der das wirklich so gesagt?
    Dann ist er meiner Ansicht nach kein Experte. Wir werden noch wesentlich mehr Umspannwerke benötigen, weil wir jetzt Energieflüsse in Gebieten haben wo früher ausser Licht für den Hühnerstall nix benötigt wurde und heute 3stellige MW Energieparks entstehen. Der Netzentwicklungsplan der ÜNBs zeigt das eindeutig auf. Ist auch ok so weil notwendig und sinnvoll.
    Seelow früher nur über Mittelspannung aus Letschin versorgt heute 3 Umspannwerke.
    Und auch im Übertragungsnetz ist noch viel zu tun.
    Einfacher zu überwachen wird das Stromnetz der Zukunft sicher nicht.

  9. 3.

    "Diese Kräfte gibt es heute so nicht mehr und so müssen wir uns jetzt überlegen, wie können wir diese Objekte kostengünstig in den nächsten Jahren Schritt für Schritt sichern"
    Hr. Borries sollte sich vorher vielleicht nochmal mit dem Verteidigungsministerium über solche Aussagen abstimmen.
    Vielleicht nicht in benötigter Stärke aber "Diese Kräfte gibt es heute so nicht mehr" stimmt definitiv nicht.
    Auch mit den Notstromaggregaten geht er etwas auf dem Holzweg. Ein Notstromaggregat ist das was es ist und dient bestenfalls dazu kritische Prozesse kontrolliert und sicher herunterzufahren bzw. stabil zu halten aber ganz sicher nicht um mehrere Tage Ausfall der öffentlichen Versorgung für die Produktion zu kompensieren. Allein den Brennstoffvorrat für so eine Fabrik würde man kaum genehmigt bekommen, erst recht nicht im Wasserschutzgebiet.
    Netzersatzanlage ist dann nochmal etwas anderes aber auch hier gelten Kompromisse und möglichst großer Lastabwurf.

  10. 2.

    Wahrscheinlich ist es nicht möglich, die komplette Infrastruktur zu überwachen. Auch die sensiblen Dinge wird schwierig. Sinnvoll wäre es vielleicht, wie im Fall Tesla, so eine Fabrik durch eine zweite Stromversorgung abzusichern. Auch moderne Technik (Kamera und Co.) wäre an sensiblen Stellen machbar.

  11. 1.

    Das Arbeitsergebnis von Frau Faeser. Generalbundesanwalt Jens Rommel übernimmt den Fall nicht. Der ARD ist der Anschlag kein Brennpunkt wert. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat kurz Hilfe angeboten und ist dann wieder abgetaucht. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) – sonst um keine Kundgebung für gesellschaftlichen Zusammenhalt verlegen – schweigt beharrlich. Kommt etwas von Rechts zeigen Ampel, Behörden und ÖRR Funk Haltung – kommt Terror von Links, heißt die Haltung „Vogel Strauß“: Kopf in den Sand und so tun, als ob man nicht da wäre.

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