Keine Grunderwerbssteuer fällig - Vonovia nutzt bei Übernahme der Deutsche Wohnen Steuerschlupfloch

Sa 12.10.24 | 15:42 Uhr
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Symbolbild:Der Schriftzug des Wohnungsunternehmens «Vonovia» hängt an der Firmenzentrale.(Quelle:picture alliance/dpa/M.Kusch)
Audio: rbb24 Inforadio | 12.10.2024 | Nachrichten | Bild: picture alliance/dpa/M.Kusch

Drei Jahre nach der ersten Mehrheitsübernahme schluckt Vonovia die Deutsche Wohnen komplett. Bei einem Kaufpreis von rund 20 Milliarden Euro wird dank eines Steuerschlupfloches kein einziger Cent Grunderwerbssteuer fällig. Von Efthymis Angeloudis

  • Trotz der insgesamt 20 Milliarden Euro-Übernahme der Deutsche Wohnen muss Vonovia keine Grundererwerbssteuer bezahlen
  • Share Deal-Regelung und Veräußerung eines Anteils an ein Joint Venture erlauben es Vonovia weniger als 90 Prozent der Aktien zu halten
  • Vonovia räumt ein, dass eine Struktur geschaffen wurde, um Grunderwerbssteuer zu vermeiden

Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia SE will die vor drei Jahren gestartete Übernahme seines Tochter-Unternehmens Deutsche Wohnen vollenden und die restlichen 13 Prozent der DW-Aktie übernehmen. Wie bereits bei dem Erwerb der ersten 87 Prozent im Oktober 2021 zu 19 Milliarden Euro fällt auch bei der jetzigen Transaktion keine Grunderwerbssteuer an. Zuerst hatte der "Tagesspiegel" berichtet.

90 Prozent der Immobilie für null Prozent Steuer

Die Grunderwerbsteuer wird beim Kauf von unbebauten oder bebauten Grundstücken fällig. Diese beträgt je nach Bundesland zwischen 3,5 und 6,5 Prozent des Kaufpreises einer Immobilie - in Berlin sind es sechs Prozent.

Beim ersten Anteilskauf ermöglichte das die Regelung der Share Deals, die bis zu einer Obergrenze von 90 Prozent keine Steuern auf den Kauf fällig macht. Da bei einem Share Deal Immobilien in einem Unternehmen gebündelt und der Käufer Anteile an dem Unternehmen übernimmt, handelt es sich streng genommen nicht um einen Immobilienkauf - somit fällt die Grunderwerbsteuer weg. So reicht es, nur knapp 90 Prozent an einer Gesellschaft zu erwerben, um die Zahlung der Grunderwerbsteuer zu umgehen.

Mit dem Kauf der restlichen 13 Prozent würde Vonovia jedoch dazu verpflichtet, doch noch die Grunderwerbssteuer auf den gekauften Immobilienbestand der Deutsche Wohnen zu zahlen. Immerhin über eine Milliarde Euro bei einem Grunderwerbssteuersatz von sechs Prozent.

Um mit dem Kauf der restlichen 13 Prozent die 90-Prozent-Marke nicht zu knacken, veräußerte aber Vonovia 20 Prozent seiner Anteile an ein gemeinsames Joint Venture mit dem Finanzinvestor Apollo. Damit erreichte Vonovia mit dem aktuellen Erwerb bloß 80 Prozent des DW-Bestandes.

Vonovia: "Bewegen uns stets im gesetzlichen Rahmen"

"Vonovia bewegt sich stets im gesetzlichen Rahmen, der für alle privatwirtschaftlichen oder kommunalen Unternehmen bei Anteilskäufen gilt", teilte eine Vonovia-Sprecherin auf Anfrage des rbb mit. Ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag sei der logische letzte Schritt hin zu einem einheitlichen Unternehmen.

Mit einem Beherrschungsvertrag begibt sich ein Unternehmen unter die Leitung eines anderen Unternehmens. Kommt ein Gewinnabführungsvertrag hinzu, führt es seinen gesamten Jahresüberschuss an das beherrschende Unternehmen ab.

"Das reduziert die Komplexität, erhöht die Geschwindigkeit von Entscheidungen und stärkt die Rechtssicherheit. Dafür benötigen wir keine weiteren Anteile, als wir derzeit haben." Auch an der Anzahl der Aktien, die Vonovia an der Deutsche Wohnen halte, ändere sich im Wesentlichen nichts, so die Sprecherin. "Es findet lediglich bei den anderen Anteilen ein Wechsel der Eigentümer statt."

So einfach und vor allem so legal. An der Rechtmäßigkeit des Deals gibt es bei Vonovia keinerlei Zweifel. Auch gegenüber der Presse legte man diese Pläne offen. "Es soll eine Struktur geschaffen werden, die es ermöglicht, die Zahlungen einer Grunderwerbsteuer zu vermeiden", hatte ein Konzern-Sprecher zuletzt dem Handelsblatt bestätigt.

Grüne: "Organisierte Steuerhinterziehung"

"Organisierte Steuerhinterziehung" nennt das Julian Schwarze, Sprecher für Stadtentwicklung bei den Grünen im Abgeordnetenhaus. Eine "Steuerhinterziehung", die "durch die aktuelle Rechtsprechung zwar gedeckt ist, aber dringend politisch abgestellt gehört". Das könne aber nur im Bund getan werden. Und da befinden sich Grüne mit SPD und FDP in einer Koalition.

"Die Forderung gibt es aktuell. Die hat unsere Bundestagsfraktion formuliert, das für den Anteil, der verkauft wird, auch der anteilige Steuersatz zu zahlen ist", so Schwarze gegenüber rbb|24. Auch im Koalitionsvertrag sei vereinbart, dass Share Deals abgeschafft werden und das Modell überarbeitet werde. "Scheitern tut es ganz eindeutig am Finanzministerium und dem Finanzminister Lindner, der hier dieses Steuerschlupfloch für Großkonzerne deckt", fügt Schwarze kategorisch hinzu.

Hoher Anteil von Share Deals in Berlin

Nun reiht sich also auch Berlin in die lange Liste der Ampelstreitigkeiten ein.

Dabei weist die Hauptstadt gerade beim Thema Share Deals seit Jahren einen sehr hohen Anteil an Immobilien-Transaktionen auf, bei denen Wohnungsbestände nur anteilig erworben werden, damit die Käufer die Zahlung der Grunderwerbsteuer umgehen können. Share Deals machten in den vergangenen Jahren in Berlin bis zu 31 Prozent der Transaktionen aus, bundesweit waren es hingegen nur maximal 15 Prozent pro Jahr.

Laut Recherchen des Saarländischen Rundfunks (SR) gemeinsam mit Correctiv sind allerdings bei mehr als einem Drittel (34 Prozent) aller großen Wohnungstransaktionen (mehr als 800 Wohneinheiten pro Verkauf) zwischen 1999 und 2019 wegen Share-Deal-Konstruktionen keine Grunderwerbsteuern in die Staatskasse geflossen.

Eine Milliarde Euro könnten Berlin entgehen

Wie hoch die Verluste für die öffentliche Hand sind, ist nicht bekannt. Eine offizielle Schätzung der Bundesregierung zu den Steuerausfällen durch Share Deals gibt es nicht. Das hessische Finanzministerium ging 2016 in einer eigenen Schätzung von Einnahmeverlusten für die öffentliche Hand von rund einer Milliarde Euro pro Jahr bezogen auf das gesamte Bundesgebiet aus [faz.de].

Doch selbst diese Rechnung wird angesichts des Vonovia Deals in den Schatten gestellt. Bei der Übernahme der 150.000 Wohnungen der Deutsche Wohnen in Deutschland (113.000 davon im Großraum Berlin), die insgesamt wohl rund 20 Milliarden kosten wird, entgehen der klammen Berliner Landeskasse über eine Milliarde Euro.

Sendung: rbb24 Inforadio, 14.10.2024, 14:35 Uhr

175 Kommentare

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  1. 175.

    Solche Berichterstattung ist in meinen Augen tendenziös. Natürlich hätte der Kauf nie stattgefunden, wenn beim Kauf einer Unternehmung dieser Größe Grunderwerbsteuer hätte gezahlt werden müssen. Wenn ein kleiner Anleger Aktien von Vonovia kauft, zahlt er auch keine Grunderwerbsteuer. Zudem hätten es die Mieter am Ende zahlen müssen.

    Und wer jetzt glaubt, mit rechtsgerichteten Parteien würde alles besser, der schaut sich mal an, wie sehr sich deren Vorgänger nach der Machtergreifung 1933 erst bereichert haben. Es durfte dann nur niemand mehr offen darüber berichten.

  2. 174.

    Empörend, wie sie Steuervermeidungsstrukturen von Aktienunternehmen bzw deren Anteilseignern gut heißen ("Steuern sparen ist Notwehr") & dann etwas von Bildung als Argument schwadronieren. Schön, dass sie offensichtlich gute kostenlose Bildung genossen haben. Bildungssysteme werden übrigens auch durch Steuereinnahmen finanziert. Mit diesen Steuermilliarden hätte man die Bildungskrise in Berlin erheblich lindern können. Zahlen sie gern ihre Bildungsrendite an das Land zurück... Ich, ich, ich :(

  3. 173.

    So ein Quatsch. Schauen sie über ihren Tellerrand hinaus. In Deutschland gibt es viele wirklich reiche Menschen, die so viel Geld und Einfluss besitzen, weil sie es vererbt bekommen haben und/oder ganz einfach zB aus Spekulationsgeschäften Renditen ziehen, also das sprichwörtliche "Geld für sich arbeiten lassen". Mit Verdienst hat das wenig zu tun und für den Fall der Fälle: Geld vermehrt sich eben nicht einfach, sondern es sind Menschen in Unternehmen etc, die dieses Geld/Werte erwirtschaften.

  4. 172.

    Kann man keinem Normalverdiener mehr erklären: die Steuer schlägt bei jedem hart zu, aber politisch werden solche Milliarden Schlupflöcher konstruiert oder geduldet, um dreisten Immobilienspekulanten die Rendite aufzupolieren. 1,6 Milliarden - da hätte man ja einiges für Berliner Kinder in den Kitas und Schulen tun können... Wenn man gewollt hätte. Politik für die Menschen - zum Lachen oder besser Weinen.

  5. 171.

    Es würde mich sehr interessieren wie viel Berater und Juristen in der Steueroptimierungsbranche arbeiten und wie viele Beamten beim Staat um die Schlupflöcher zu schließen. Ich denke die letzteren sind in Unterzahl.
    Die Berater werden von Kunden, wie die Immobilienfirmen, bezahlt. Die wiederum haben ihre Einnahmen aus Mieten.
    Die Beamten werden aus Steuergelder bezahlt. Dies fließt von denen, die keine Schlupflöcher ausnutzen.

  6. 170.

    Das Gejammere der Grünen Sprechers für Stadtentwicklung bei den Grünen im Abgeordnetenhaus geht fehl. Die Grünen stellen den Wirtschaftsminister im Bund. Es bleibt den Grünen unbenommen, eine Gesetzesänderung vorzubereiten und Share Deals zu erschweren.

  7. 168.

    "Und dort sitzen seit 3 Jahren ihre Parteifreunde." Ach, seit wann sitzen denn die Grünen im Finanzministerium?

  8. 167.

    " Pappa " Das ist Sozial gedacht. Mit der Rechten und Linke Ideologie ,bin ich weit entfernt. Ich bin Realist !!

  9. 166.

    "im gesetzlichem Rahmen"..also Steuerverschwendung ist lt. Gesetz erlaubt. Die "Volksvertreter" könnten sich ja mal einen Kopf machen, wie so etwas verhindert wird. Ob Die das hinbekommen ist fraglich. Irgendwie läuft alles gegen und ohne die Bürger (Steuerzahler). Siehe Unterkunft für Flüchtlinge an der Landsberger Alle, Straßenbahn am Ostkreuz,
    Tempelhofer Feld usw. Es ist traurig, das hier in Berlin nichts mehr funktioniert wie es sollte.
    Schwache Leistung. Immer an der Bevölkerung vorbei.

  10. 165.

    Also das was jede AG und jeder Aktionär macht ist gut und weil es eine Wohnungsgesellschaft macht ist es schlecht ?
    Ihnen ist aber schon klar…. was bei einer Wohnungsgesellschaft einfach funktioniert wird bei jeder anderen Gesellschaft zum Alptraum… wie hoch ist der Anteil des Immobilienvermögens am Gesamtvermögen ? Es gibt z.B. bei VW 300 Mio Aktien… das ist nur eine AG. Es werden Milliarden von Aktien gehandelt….
    Sie würden Unsummen an Geld verbrennen um das mit der Grunderwerbsteuer umsetzen zu können.
    Eine VW Aktie kostet (aufgerundet) 95€… der Immobilie. Anteil an der Aktie dürfe wenige Euro betragen davon 5,5% das sind Cent Beträge …. Und dafür so ein Aufwand.
    Was ein Glück das doch einige Kosten/Nutzen beachten.

  11. 164.

    Wer die Pflicht hat, Steuern zu zahlen, hat das Recht, Steuern zu sparen.
    Bundesgerichtshof (1965)

  12. 163.

    Immer wieder cool, wie Politiker dem Steuerzahler schaden und damit ungestraft davon kommen und sich dann über politikverdrossenheit wundern.

    Jetzt nennt man es Freiheit und Demokratie ^^ alle anderen, die auf Ampel und CDU keine Lust mehr haben, sind jetzt Demokratiefeine, Russlandfreunde und wollen eine Diktatur.

    Nein, die bisherigen Regierungen sind nur durch mangelnde mangelnde Arbeit für den Wähler nur durchgefallen. Eine Wahl zwischen Merz & Scholz würde unserem Land weiter schaden...

  13. 162.

    Weil Politik nicht dafür zuständig ist, Politik für die Bürger zu machen. Der Wähler wählt sie und Parteien und parteispender sowie Lobbyisten entscheiden wo die Reise hin geht. Der dumme Bürger wird nur alle 4-5 Jahre gefragt. Das ganze System sollte reformiert werden. Es sollte nicht mehr möglich sein 4-5 gegen die Interessen der Bürger zu regieren.

    Aber die Politik schneidet nur Wahlkreise neu zu schneiden (um Mehrheiten zu sichern) und lässt nur neue Gesichter auf Wahlplakate drucken.

  14. 161.

    PS Im Gegenteil: Mit dem neuen "Wirtschafts-Fördergesetz" verjähren die Rückforderungen durch den Staat sogar noch schneller.

    Danke, Lindi!

    PPS für uns Ottonormalbürger heißt das freilich "weniger Bürokratie". Na klar.

  15. 160.

    Dazu verdienen Sie wahrscheinlich zu wenig. Damit sind solche rechtlichen Schlupflöcher nicht für Sie gemacht und für Sie nicht anwendbar.

    Endweder Sie
    >bleiben zu Hause (Geld und Miete gibt es vom Staat)
    >eröffnen einen Laden mit Bargeldverkehr zur Geldwäsche und/oder schwarzarbeit,
    >werden Politiker (dann bekommen Sie Geld von Steuerzahler sowie für lobbyarbeit und je erfolgreicher Sie für Partei und lobby Sie waren, haben Sie ausgesorgt
    >Sie wurden mit einem goldenen Löffel geboren. ;-)

  16. 159.

    Der halbe Bundeshaushalt soll inzwischen in Soziales gehen. Vielleicht wäre es angebracht, Gesellschaft (Soziales) und Wirtschaft (wenige Firmen mit vielen "Sozialen" als Arbeiter) nicht getrennt zu betrachten wie im Mittelalter.

    Dann würde auch klar, dass eines auch das andere ist. Und beide = alle die gleiche Verantwortung tragen.

  17. 158.

    Das Absurde wir schon hier klar, das wären 24h/Tag, also keine Sekunde Schlaf, Essen Vö*** für Nachwuchs usw.

    <> 4fach Arbeitsstunden (120-Stunden die Woche vs 40 Stundenwoche) das 20fache gegenüber ein 4000 Lohn

    24 Std/Tag vs. 8 Std./Tag

  18. 157.

    „daraus logisch schlussfolgern zu wollen, dass bei Wegfall der Grunderwerbssteuer die Miete per se günstiger würde“
    Na gut, ich korrigiere, obwohl ich mit keinem Wort soetwas behauptet habe:
    Die Grunderwerbssteuer gehört abgeschafft... da dies eine Enteignung letztlich ist. ( Die Lohnsteuereinnahmen sind die bessere Finanzierung)
    Weniger Steuern = weniger was auf die Miete umgelegt werden muss.
    Nur Einfältige glauben daran, dass Kosten nicht umgelegt werden. Der Staat sollte dabei bleiben Gewinne zu versteuern, aber nicht „die Luft“...

  19. 156.

    Man muss den großen Investoren Anreize unterbreiten, sonst ist kein Geld da. Also regieren de facto die globalen Geldhaber, Machthaber. Das ist ja sehr rechts gedacht.

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