Reportage | "Taxifilmfest" protestiert gegen Uber - "Wenn Uber weiter alles sponsort, geh ich nirgends mehr rein!"

Mi 21.02.24 | 16:27 Uhr | Von Marvin Wenzel
  17
„TaxiFilmFest“ im Februar 2024 in Berlin. (Quelle: rbb/Marvin Wenzel)
Audio: rbb24 Inforadio | 20.02.2024 | Tamara Marczalkowski | Bild: rbb/Marvin Wenzel

Der US-Fahrtenvermittler Uber ist in diesem Jahr erneut Hauptsponsor der Berlinale. Für viele Berliner Taxifahrer:innen ist das ein Skandal. Mit seinem "Taxifilmfest" setzt Klaus Maier ein künstlerisches Zeichen gegen die Partnerschaft. Von Marvin Wenzel

Während am Dienstagabend die US-amerikanische Regie-Ikone Martin Scorsese auf dem roten Teppich vor blitzenden Kameras posiert und anschließend im Berlinale Palast den Goldenen Ehrenbären verliehen bekommt, breitet Klaus Meier seinen eigenen roten Teppich aus. Der Taxifahrer rollt das zwei Quadratmeter große Stück Stoff vor einem Großraumtaxi aus, das nur wenige Hundert Meter vom Blitzlichtgewitter entfernt ist. Das beige Fahrzeug steht auf dem Mittelstreifen der Potsdamer Straße, die Schiebetüren zieren eine Folie mit der Aufschrift "Taxifilmfest".

Das Festival ist eine Art Gegen-Berlinale der Berliner Taxifahrer:innen. Klaus Meier hat die offiziell als Kundgebung angemeldete Aktion ins Leben gerufen: An allen elf Tagen der Berlinale lädt der 63-Jährige andere Taxifahrer:innen ein, um gemeinsam in einem Großraumtaxi gute Filme zu schauen. Und: damit ein Zeichen gegen den US-amerikanischen Fahrtenvermittler Uber zu setzen, der seit 2022 Hauptsponsor der Berlinale ist. Meier, graue Schiebermütze und schwarze Lederjacke, arbeitet seit über 40 Jahren im Taxigewerbe. Für ihn ist die Partnerschaft eine "Katastrophe": "Uber macht mit Lohndumping und Sozialbetrug Gewinne und zerstört damit das Taxigewerbe." Gegen solche Rechtsverstöße müsse gekämpft werden.

„TaxiFilmFest“ im Februar 2024 in Berlin. (Quelle: rbb/Marvin Wenzel)
| Bild: rbb/Marvin Wenzel

Trotz Kritik entscheidet sich Berlinale-Leitung für Uber-Sponsoring

In den vergangenen Jahren gab es vermehrt Medienberichte zu schlechten Arbeitsbedingungen und einer undurchsichtigen Unternehmensstruktur bei Uber. Zudem fährt laut einer rbb24 Recherche jedes fünfte Uber-Fahrzeug ohne offizielle Anmeldung.

Als Uber vor einem Jahr das erste Mal die Berlinale sponserte, protestierte Meier noch mit Schildern. Auf ihnen waren Sprüche, wie "Uber tötet Taxifahrer" zu lesen. Trotz viel Kritik, auch aus Politik und der Kulturszene, hielt die Berlinale-Leitung an ihrem umstrittenen Hauptsponsor fest und entschied sich dafür, die Gäste in diesem Jahr erneut mit einer Uber-Flotte auf den roten Teppich zu bringen.

Als Meier von dieser Entscheidung im Dezember hörte, war er sauer. Zu dieser Zeit gründete er in seiner Nachbarschaft ein Kiezkino. Dabei kam er auf die Idee, die Kraft des Kinos auch für den künstlerischen Protest zu nutzen. "Einfach wieder Plakate hochhalten wäre doch langweilig", sagt er. Umso mehr freut er sich über die große Resonanz: Täglich kämen Kamerateams vorbei, viele Taxifahrer:innen würden kurz halten und ihm sagen, dass sie von der Aktion aus den Medien erfahren hätten, und sie toll finden. Taxiunternehmerin Irene Jaxtheimer, die heute mit dabei ist, sagt: "Erst die Berlinale, jetzt die Uber-Arena in Friedrichshain. Wenn Uber weiter alles sponsert, gehe ich da nirgends mehr rein!".

„TaxiFilmFest“ im Februar 2024 in Berlin. (Quelle: rbb/Marvin Wenzel)

"Wir Taxifahrer haben alle den gleichen Feind"

Meier, gebürtiger Berliner, wuchs mit Filmen auf: Sein Vater war Trickfilmzeichner im Studio Babelsberg, dort verbrachte er viel Zeit in seiner Kindheit. Selbst arbeitete er neben seinem Job als Taxifahrer einige Jahre für das aus der Berlinale gegründete “VideoFest” sowie das Kunstfestival "Transmediale". In der Organisation von künstlerischen Events ist er geübt. Trotzdem war er auf die Unterstützung von befreundeten Taxifahrer:innen angewiesen, die ihm das Großraumtaxi zur Verfügung stellten und sich um Lichtstrahler und den roten Teppich kümmerten, die das Taxi nun in abendlicher Stimmung in Szene setzen. "Wir Taxifahrer sind eigentlich Individualisten, aber wir haben alle den gleichen Feind", sagt Meier. "Da müssen wir zusammenhalten!"

Auf einem kleinen Flachbild-Fernseher im Taxi zeigt Meier täglich von 17 bis 22 Uhr Filme, in denen Taxis eine bedeutende Rolle spielen. Zum Beispiel "Night on Earth" von Jim Jarmusch und passend zur Ehrenbär-Verleihung den Scorsese-Klassiker "Taxi Driver" aus den Siebzigerjahren. "In den Filmen wird klar, dass Taxis ein bedeutender Teil der Stadt und ein Kulturgut sind", sagt Meier. Meist seien Szenen in Taxis wichtige inhaltliche Wendepunkte, an denen sich die gesamte Handlung des Filmes entscheide.

"Vom Taxifahren kann man heute nicht mehr leben"

Als Vorfilm zeigt er an diesem Abend einen Dokumentarfilm über kanadische Taxifahrer im Toronto der Achtzigerjahre. Zu dieser Zeit legte Meier seine Taxiprüfung ab, bei der er die gesamte Berliner Stadtkarte noch auswendig in seinem Kopf beherrschen musste. Während seines Berufseinstiegs hätte er "einen Kunden nach dem anderen" eingesammelt und 18 Mark pro Stunde verdient. Damals: ein "super Lohn". In den letzten zehn Jahren sei die Bezahlung durch die Konkurrenz von Uber und weiteren Fahrtenvermittlern wie Bolt so stark gesunken, dass kaum noch ein:e Taxifahrer:in auf den Mindestlohn käme. Meier sagt: "Davon kann man nicht mehr leben!"

„TaxiFilmFest“ im Februar 2024 in Berlin. (Quelle: rbb/Marvin Wenzel)

Spitzname "Taxi-Soziallotse"

Seit fünf Jahren fährt er sein Taxi nur noch nebenberuflich. Bei seinen Kolleg:innen hat er sich in dieser Zeit den Spitznamen "Taxi-Soziallotse" erarbeitet und kümmert sich nun hauptberuflich um die Sorgen seiner Kolleg:innen. Er berät sie in prekären Arbeitsverhältnissen und bei Rechtsfragen. Zudem setzt er sich auch außerhalb der Protestaktionen politisch für sie ein. Am Mittwoch spricht er auf einer Sitzung des Mobilitätsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus. Er will von den Problemen seiner Kolleg:innen berichten "und Verhältnisse wie in Hamburg fordern". Während in Berlin knapp 4.500 Uber-Fahrzeuge offiziell angemeldet seien, gebe es in Hamburg nur 15 Stück. "Dort sind die Regulierungs- und Kontrollmaßnahmen strenger: Wer die Regeln nicht einhält, bekommt keine Zulassung." Die Berliner Behörden würden die Rechtsverletzungen von Uber bisher einfach ignorieren, sagt er.

Dem stimmen auch seine Taxi-Kolleg:innen zu, die es sich in dem Großraumtaxi bereits gemütlich gemacht haben und auf den Hauptfilm des Abends von Martin Scorsese warten. Den Regisseur hat Meier auf einen Kaffee im Großraumtaxi eingeladen - keine Reaktion. Aber mit oder ohne Stargast: Meier ist auch optimistisch, dass das "Taxifilmfest" ein "Wendepunkt" in der Geschichte der Berliner Taxifahrer:innen und ihrer Arbeitsbedingungen werden könnte.

Sendung: rbb24 Inforadio, 20.02.2024, 13:00 Uhr

Beitrag von Marvin Wenzel

17 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 17.

    Das Beste was uber und Co ohne Absicht für die Taxler getan haben ist das sie solche angeblichen Kunden wir n Sack Kartoffeln gestohlen haben und der angeblichen Kunde wird die an der Kurfurstenstr rumgereicht, traurig dabei ist der Kunde merkt es nicht mal)))

  2. 16.

    Wenn ich nicht selbst fahre, fahre ich Taxi und das ist oft.
    Bestellung per App, 2-3 Minuten warten, App sagt mir wenn der Fahrer da ist und der angezeigte Preis stimmt zu 99,9%.
    Also absolut kein Problem.
    Der Preis ist mir egal. Hauptsache nicht Öffi. Damit würde ich auch nicht fahren, wenn es gratis wäre.
    Uber nutze ich prinzipiell nicht.

  3. 15.

    Dem widerspreche ich, obwohl ich auch schon unangenehme Erfahrungen mit unseren herkömmlichen Taxifahrern gehabt habe. Aber im Großen u.ganzen würde ich jederzeit falls nötig lieber in eins unserer Taxis steigen, als in so ein nichtversichertes Uber Fahrzeug.

  4. 14.

    Oh, da sägen Sie aber auf dem Ast auf dem Sie sitzen! Wer immer nur auf Billigheimer abfährt, muss nicht lange auf die Quittung warten. Im Prinzip ist Ihr "Kaufverhalten" doch Ursache der Misere. Sie schmeißen Ihr vermutlich schwer verdientes Geld lieber einem US-amerikaneischen Ausbeuter, der am liebsten sogar die Staaten abschaffen möchte um nochmehr skrupel- und zügellos walten zu könen, in den Rachen und wundern sich, dass in unserem Land die Dinge teurer werden oder bankrott gehen. Echt dumm.

  5. 13.

    Aber Hauptsache erstmal zum 22.3. die Mercedes-Benz-Arena umbenennen in Uber-Arena und alles drumherum, Uber-Platz uswusf. Man, echt ey! Ausverkauf der Stadt und parallel will Schreiner plötzlich Reglementierung während man sich im Uber zur Uber-Arena am Uber-Platz wiederfindet...

  6. 12.

    ...illegale Beschöftigungen, keine Führerscheine, keine Konzessionen, versiffte Fahrzeuge, kein TÜV, keine Versicherung= SIE stehen beim Unfall alleine da, Dazu kein Führungszeugnis der Fahrer, keibe Ortskenntnis.
    DAS sind Ihnen die paar Euros weniger Wert? Aber nach dem Stast rufen, wenn was nicht passt.

  7. 11.

    Sie müssen nicht jeden Mist glauben, der hier verbreitet wird. Was meinen sie, wie viele Taxifahrer sich von einem Kumpel ohne irgendeine Lizenz vertreten lassen. Schwarze Schafe gibt es überall und mit der Kennzeichnung auf der Heckscheibe sind sie auch sicher, das Fahrzeug und auch sie sind versichert, und das bei allen Transportunternehmen.

  8. 10.

    Das nenne ich mal kreativen Protest, besser als Straßen blockieren, auch wenn ich den Individualverkehr verabscheue.

  9. 9.

    Toll, wenn man mit Uber o. ä. nen Unfall haben sollte. Viele Fahrzeuge offenbar nicht einmal zugelassen, also tritt auch keine Versicherung für den evtl. Schaden ein. Die Menschen sparen sich, wie auch bei vielen anderen Dingen, z. B. Fleisch, Kleidung usw. kaputt. Hauptsache billig. Nein danke, ich unterstütze weiterhin unsere Taxis, uvm...

  10. 8.

    Schöne Aktion, auch wenn mir als Radfahrer in Berlin aus reinem Überlebenstrieb jegliches Mitgefühl für Taxifahrer fern liegt. Ich habe selten eine so selbstgerechte und rücksichtslose Berufsgruppe erlebt.

  11. 7.

    Uber ist transparent, zuverlässig und freundlich. Wer in Berlin eine Taxifahrt hinter sich bringen musste, weiß Uber schnell zu schätzen.

  12. 6.

    Na ja .. wirklich günstig ist Uber auch nicht, hängt von Zeit und strecke ab ... Aber ein großer Vorteil, man weiß vor der fahrt was es kostet ...

    Warum bekommt die taxiInnung nicht mal eine App/Abrechnung hin die das auch können, dann wären sie mit einem schlag tatsächlich eine Alternative...

  13. 5.

    Wenn es mal sein muss, fahre ich selbstverständlich Taxi. Ich habe kein Smartphone - nicht weil ich zu doof dafür bin, sondern weil ich es nicht haben will - und ich will nicht in einer Welt leben müssen, wo es für alles Apps gibt statt ein menschliches Gegenüber.
    Als Studentin bin ich auch mal Taxi gefahren und sehe es ebenso wie Klaus Meier: Taxis sind Kultur und Begegnung.
    Seine Aktion finde ich klasse und wünsche ihm und den KollegInnen alles Gute!

  14. 4.

    Hört endlich mit diesem Festival auf. Das ist doch nur noch ein Skandal nach dem anderen. Erst die Ein- bzw. Ausladungen, dann dieser Sponsor. Das tut auch der Filmbranche nicht gut.

  15. 3.

    Tja, Konkurrenz belebt das Geschäft. Zeiten ändern sich halt, Taxi-fahren ist halt einfach nicht mehr zeitgemäß. Uber ist halt leider effektiv, transparent, zuverlässig und - vor allem - günstig! In Zeiten wo alles teurer wird, achtet man einfach überall auf den Preis. Und wenn der Rest auch noch (halbwegs) stimmt... ich bestelle jedenfalls schon seit Jahren kein Taxi mehr...und werde es wohl auch nicht mehr tun. Es gibt genügend andere, günstigere Anbieter, die mich sicher ans Ziel bringen können.

  16. 2.

    Tja, Konkurrenz belebt das Geschäft. Zeiten ändern sich halt, Taxi-fahren ist halt einfach nicht mehr zeitgemäß. Uber ist halt leider effektiv, transparent, zuverlässig und - vor allem - günstig! In Zeiten wo alles teurer wird, achtet man einfach überall auf den Preis. Und wenn der Rest auch noch (halbwegs) stimmt...ich bestelle jedenfalls schon seit Jahren kein Taxi mehr...und werde es wohl auch nicht mehr tun. Es gibt genügend andere, günstigere Anbieter, die mich sicher ans Ziel bringen können.

  17. 1.

    Wundert mich, dass der Bund und das Land Berlin dieses Sponsoring nicht auch kritisch sehen.

Nächster Artikel

Das könnte Sie auch interessieren