Mehr Privatsphäre und Datenschutz - Wie Berliner Aktivisten Smartphones "entgoogeln"

So 07.05.23 | 09:21 Uhr | Von Robert Ackermann
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Moritz Mangold entgoogelt Ingrid Handy am 04.05.2023.(Quelle:rbb/R.Ackermann)
Bild: rbb/R.Ackermann

Konzerne wie Google, Meta oder Apple tracken unser Leben mit – jeden Tag und fast überall. Dagegen wehren sich Aktivisten, indem sie Handys auf Wunsch mit neuen Betriebssystemen ausstatten. Von Robert Ackermann

Es ist ein Ort, wo man Datenschutz-Aktivisten eher nicht erwarten würde. In der Arminius-Markthalle in Berlin-Moabit hat der Verein Topio ein Mini-Wohnzimmer eingerichtet: Irgendwo zwischen Wursttheke und Gemüsestand – gleich hinter dem Asia-Imbiss stehen Sessel vor einer Wand mit gerahmten Bildern. Daneben eine kleine Theke. Hier können Interessierte drei Mal pro Woche ihr Smartphone "entgoogeln" lassen, also ein trackingfreies Betriebssystem draufspielen, das keine Nutzerdaten an Google sendet.

"Die kennen uns besser als wir selbst"

"Wir wollen Privatsphäre für jeden Menschen zugänglich machen", sagt Mitgründer Michael Wirths. "Denn wir wissen alle nicht, was Google, Apple oder Facebook in ihren Serverräumen machen. Da weiß der Journalismus nicht Bescheid, da weiß die Politik nicht Bescheid und da weiß auch die Wissenschaft nicht wirklich Bescheid."

Wirths und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter wollen sich gegen die Übermacht der Digitalkonzerne wehren, denn wie viel diese über sie inzwischen wissen, sei den meisten Menschen nicht klar. "Die Betriebssysteme und Apps bekommen ja nicht nur mit, wen wir anrufen oder was wir googeln. Die wissen, was wir fotografieren, wann wir schlafen, wie viele Schritte wir gehen, wie schnell wir Auto fahren. Die kennen uns besser als wir selbst", so Wirths.

Möglichst wenig Informationen sollen preisgegeben werden

Deswegen ist auch Ingrid an den Stand von Topio gekommen. Die 30-jährige Musikerin arbeitet selbst im IT-Bereich und hat ein älteres Sony-Smartphone dabei. Techniker Moritz Mangold schaut sich das Gerät an und entsperrt zunächst den so genannten Bootloader, ein kleines Programm, das das Betriebssystem in den Arbeitsspeicher des Smartphones lädt. "Das ist so etwas wie die Sicherheitstür des Handys", sagt Mangold, "diese lässt sich leider nicht bei jedem Gerät problemlos öffnen."

Bei Ingrids Modell funktioniert es. Jetzt verbindet Mangold das Smartphone per Kabel mit einem Rechner und spielt "LineageOS" darauf - eine veränderte Version von Android, dem Google-Betriebssystem, die den Zugriff auf Nutzerdaten für Google weitgehend sperrt. Denn genau darum geht es Ingrid: Sie will möglichst wenige Informationen über sich preisgeben – wegen der personalisierten Werbung, die online ausgespielt wird, und wegen möglicher politischer Beeinflussung. "Ich finde es gefährlich, dass die Firmen mit den Daten die Gedanken von vielen Leuten beeinflussen können, ohne dass diese es merken", sagt sie.

Ingrid bezieht sich dabei auf Skandale wie den um "Cambridge Analytica" [ardmediathek.de]. Das Datenanalyse-Unternehmen hatte vor der US-Wahl 2016 Daten von Millionen Facebook-Nutzern abgegriffen und diese mutmaßlich missbraucht, um Donald Trump zu unterstützen.

Die Betriebssysteme und Apps bekommen ja nicht nur mit, wen wir anrufen oder was wir googlen. Die wissen, was wir fotografieren, wann wir schlafen, wie viele Schritte wir gehen, wie schnell wir Auto fahren. Die kennen uns besser als wir selbst

Michael Wirths

Alternative Apps haben auch Nachteile

Was die Aktivisten des Vereins Topio anbieten, schützt jedoch nicht alle Smartphone-Nutzer vor potenziellen Datenkraken. Apple-Geräte, also iPhones und iPads, können nicht mit alternativen Betriebssystemen ausgestattet werden. Auch wer Apps wie Instagram, TikTok, Twitter oder Google Maps nutzt, gibt in der Regel massig Informationen über sich preis – unabhängig vom Betriebssystem.

Deswegen bieten die Aktivisten an, auch den alternativen App-Store F-Droid zu installieren. Hier sind die Programme größtenteils trackingfrei: K-9 für E-Mails zum Beispiel oder Delta Chat als Messenger. Außerdem gibt es alternative Kartendienste und Apps wie Tusky, um den Twitter-Ersatz Mastodon zu nutzen. Manche der Apps haben aber auch Nachteile: Der Kartendienst Organic Maps hat beispielsweise keinen Zugriff auf die Millionen Verkehrsinformationen von anderen Nutzern wie Google Maps und zeigt entsprechend keine Staus an. Denn die Digitalkonzerne nutzen Daten ja auch für ein besseres User-Erlebnis. Einige Programme laufen auch schlicht nicht auf dem veränderten Betriebssystem. Dazu gehören unter anderem Apps von Carsharing-Anbietern oder der Sparkasse.

"Es ist natürlich ein Kampf gegen Goliath"

Davon, das eigene Handy selbst zu "entgoogeln", rät Moritz Mangold ab. Es gebe zwar online Anleitungen für verschiedene Handy-Modelle, aber allein den Bootloader zu entsperren, sei nicht immer einfach. Und auch generell ist das Thema derzeit noch nicht im Mainstream angekommen – obwohl eine Community weltweit daran arbeitet, die alternativen Betriebssysteme weiterzuentwickeln.

Gerade einmal 90 Handys haben die Topio-Aktivisten in den letzten Monaten "entgoogelt". Aber Mangold lässt sich davon nicht entmutigen. "Es ist natürlich ein Kampf gegen Goliath", sagt er. "Bei uns sind es nur ein paar Geräte gegen Millionen von Smartphones, die jedes Jahr neu an Kunden ausgegeben werden. Aber jedes Gerät, das ausgebrochen ist aus dem System, ist wieder eins mehr."

Eine Hand hält am 04.05.2023 ein Smartphone mit der Mitteilung, dass der Bootloader entsperrt ist.(Quelle:rbb/R.Ackermann)

Aktivisten hoffen auf mehr Bewusstsein für Datenschutz

Auch Michael Wirths hofft darauf, dass sich das Bewusstsein der Handy-Nutzer für mehr Datenschutz entwickelt. "Aktuell ist die Marktmacht von Google noch sehr groß, aber vielleicht gibt es irgendwann auch trackingfreie Android-Geräte bei Media Markt", sagt er. Wirths könnte Recht haben. Auch Bio-Lebensmittel waren früher schwer zu bekommen, heute werben die Discounter damit.

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Beitrag von Robert Ackermann

78 Kommentare

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  1. 76.

    "Die Leute geben täglich freiwillig ihre Daten preis ... und haben dann Sorge um Ihre Daten? Unverständlich"
    Sind wohl kaum dieselben Leute...

  2. 75.

    "Überweisungen kannste doch über den PC von zuhause machen."
    Dachte ich auch mal, aber bei mir jedenfalls (Hypovereinsbank) muss trotzdem immer die App auf dem Handy laufen. Am PC kann man ein bisschen was eingeben, aber im Grunde läuft trotzdem alles über die App. Ohne geht nicht...

  3. 74.

    Und Sie sind sich sicher, dass die Schieberegler, die Sie in den Einstellungen Ihres Smartphones auf der Klicki-Bunti-Oberfläche bedienen, den beschriebenen Effekt haben? Woher nehmen Sie diese Sicherheit? Aus einem persönlichen Telefonat mit Tim Cook, der Ihnen versichert hat, dass die Erde eine Scheibe ist?

    Gruß
    Navan

  4. 72.

    Häää? VPN war mal zum sicheren Verbinden privater Netze über eine unsichere Zwischenstation (z.B. das Internet) gedacht. Dass man unbedarften Nutzer das als Sicherheitsgewinn verkaufen kann, dass ihr gesamter Traffic über ein fremdes Gateway geleitet wird, steht auf einem ganz anderen (Marketing-) Blatt. Die VPNs wurden im privaten Bereich vor ca. 15 Jahren popular, weil man seine IP beim Filesharing verstecken könnte. Heute bringt das ohne weitere Maßnahmen (z.b. gegen Browser Fingerprinting) rein gar nichts mehr für die Privatsphäre. Die Werbeindustrie lernt schließlich auch dazu.

  5. 71.

    Na, welche "social media Daten" sind denn gemeint? Wer nicht bei FB, Insta, Tiktok und Gedöns ist, der ist ziemlich bodenständig - aber auch uninteressant.

  6. 70.

    "Tja, wer sein Smartphone nicht beherrscht und unter Parnoia leidet, der sollte in der Tat zu den Aktivisten gehen. "

    Mit Verlaub, aber das ist an Dummheit nicht mehr zu überbieten. Die Thematik nicht mal ansatzweise verstanden aber anderen vorwerfen sie wären doof ("Smartphone nicht beherrscht") und paranoid.

    Google loszuwerden ist nur ein Aspekt, mein Note 3 läuft mit der aktuellsten Version, unter Samsung war bei Android 5 Schluß. Es spart Strom ohne die ganzen Hintergrundprogramme, der Akku hält länger usw. usf.

    Kennen sie D. Nuhr?

  7. 69.

    Aha. Und wieviel kB Speicher hat so ein Cache? Müssen ja Knallerinfos sein...

  8. 68.

    "Ich bin laut Rechner in den Niederlanden, da bin ich aber nicht :) VPN mit Opera nutzen."

    Die Polizei ermittelt sie trotzdem in 5sek., auch mit ihrem Gratis-VPN.

  9. 67.

    Dann zurück in die Steinzeit...Wozu gibt es denn VPN???

  10. 66.

    Ist zwar schön, dass Sie sich jetzt wie ein Holländer fühlen können. Für die Datensammler ist das aber völlig irrelevant, Stichwort "Browser Fingerprinting". So sind Sie weiterhin identifizierbar. Wem seine Privatsphäre was wert ist, der gewinnt damit rein gar nichts.

  11. 65.

    Vielen, vielen Dank für den Hinweis mit Qwant Maps! Endlich ein guter Ersatz für Google Maps. Das war die einzige App, die mir auf dem LineageOS-Handy noch gefehlt hat. Es gibt zwar OpenStreetmap, aber dort habe ich immer die Nutzerbewertungen für z.B. Restaurants vermisst. Qwant Maps zeigt die Bewertungen von TripAdvisor an. Genial! :)

  12. 64.

    Manche Leute würden wahrscheinlich auch ein Auto kaufen, bei dem sie nach 5 Jahren die Reifen nicht mehr wechseln können. m)

  13. 63.

    @Freedom Rider: Mit Chips fasse ich die weiteren Devices im Smartphone, die eine eigene Firmware haben, zusammen: Mobilfunkmodem, WLAN-Karte, GPS, et cetera. Diese sind meist auf eigenen Co-Prozessoren/Chips implementiert, die wiederum eine eigene Firmware besitzen. Die gesammelten Daten sind meist im Cache/RAM vorgehalten bzw. werden bei Qualcomm nicht gespeichert, sondern direkt rausgeleitet.Details:https://linuxnews.de/qualcomm-chip-sendet-heimlich-private-informationen-an-us-chiphersteller/

  14. 62.

    Mir ist doch völlig egal ob Applemaps oder der andere weiß welche Straße ich in welcher Stadt ich suche. Nehmt Euch nicht so wichtig. Ich bekomme keine Werbepost von irgendwelchen Firmen, nur weil ich eine Suchmaschine nutze. nur für Kriminelle ist es wichtig, nicht per Handy verfolgt zu werden.
    P.S. Ich benutze Google schon seit Jahren nicht mehr. Sie ist aber die am treffsicherste Suchmaschine :).

  15. 61.

    So ist es. Schon der Besitz macht dich transparent für andere. Und warum sind das jetzt auch Aktivisten?

  16. 60.

    Ich lass mir doch nicht von irgendwelchen Halbprofi mein Handy versauen. Ich habe ein iPhone 8 mit neuester Software.
    In den Einstellungen kann man alles mögliche verhindern. VPN geht auch auf dem Handy. Ich bin laut Rechner in den Niederlanden, da bin ich aber nicht :) VPN mit Opera nutzen.

  17. 59.

    Löschen Sie mal Cookies und Verlauf oder machen den gleichen Versuch im privaten Modus, dazischen aber auch den Browser schließen.

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