Interview | Hundetrainer Martin Rütter - "Dass Hunde nicht in die Stadt gehören, ist absoluter Blödsinn"

So 24.12.23 | 11:40 Uhr
  41
Symbolbild: Eine Hundehalterin geht in Berlin mit drei Mischlingen an der Leine spazieren. (Quelle: dpa/Wüstenhagen)
Bild: dpa/Wüstenhagen

Kann ein Hund in einer Metropole wie Berlin ein glückliches Leben führen? Aber natürlich, sagt Hundeprofi Martin Rütter - und erklärt, welches Verhalten Mensch und Tier für ein gelungenes Zusammenleben an den Tag legen sollten.

rbb24: Herr Rütter, es gibt häufig diese Aussage: Hunde gehören nicht in die Stadt. Wie sehen Sie das?

Martin Rütter: Die Theorie, dass Hunde nicht in die Stadt gehören, ist wie die Theorie, dass die Erde eine Scheibe sei - absoluter Blödsinn. Hunde sind unglaublich anpassungsfähig. Auf der ganzen Welt, in jedem Kulturkreis, in jeder Nische finden wir Hunde. Es ist nur wichtig, dass sie an das Stadtleben gewöhnt werden. Wenn ein Hund zehn Jahre lang auf dem Land gelebt hat und Stadtgeräusche nicht kennt, dann wäre ein Umzug in die Stadt Folter. Wenn er die Stadt aber von Anfang an kennt, ist das überhaupt kein Problem.

Zur Person

Archivbild: Martin Rütter live auf der Buehne. (Quelle: dpa/Niering)
dpa/Niering

Martin Rütter ist ein deutscher Hundetrainer, Moderator und Buchautor. Wachsende Bekanntheit erlangte Rütter seit Mitte der 1990er-Jahre durch eine Reihe von Fernseh- und Bühnenproduktionen über den Umgang mit Hunden. Der gebürtige Duisburger betreibt Hundeschulen, unter anderem in Berlin, Potsdam und Wandlitz.

Welche Missverständnisse zu Hunden gibt es noch?

Ich höre oft, dass Hunde ein großes Haus mit großem Grundstück brauchen. Ich habe als Student mit einem Freund und zwei Hunden auf 16 Quadratmetern gelebt. Ich gebe zu, das war eine Geruchsbelästigung. Aber wir waren den ganzen Tag mit den Hunden draußen unterwegs, sind Radgefahren und haben Sport gemacht. Was passiert, wenn ein Hund ausgelastet ist? Der liegt zu Hause rum und schläft. Deswegen kann man, wenn man dem Hund alles bietet, was er braucht, auch auf 40 Quadratmetern mit zwei Hunden in der Innenstadt leben.

Was raten Sie für eine gelungene Hundehaltung in der Stadt?

Man muss sich darüber im Klaren sein, dass der Hund Grünflächen braucht – auch wenn man sehr zentral in einer Großstadt lebt. Einmal kurz zum Pinkeln in den Park gegenüber gehen reicht nicht aus. Man muss bereit sein, den Mehraufwand zu leisten, mit dem Hund immer wieder rauszufahren und den Hund viel zu bewegen, zu beschäftigen und ihm Sozialkontakte zu ermöglichen. Ein Hund in der Stadt darf nicht heißen, dass der Hund nur angeleint ist, dem Nachbarshund zweimal guten Tag sagt, man kurz vor die Tür geht und dann wieder rein. Man muss die Bedürfnisse des Hundes stillen, ihn geistig und körperlich auslasten.

Gibt es Hunderassen, die mehr und andere die weniger für die Haltung in der Stadt geeignet sind?

Ich würde das nicht an Hunderassen ausmachen, ob diese für die Haltung in der Stadt geeignet sind oder nicht. Aber: Der Aufwand ist ein anderer. Wer in der Innenstadt zwei Huskys hält, muss bereit sein, jeden Tag 20 Kilometer mit dem Rad zu fahren. Das muss bei Wind und Wetter geschehen – auch im Winter. Und selbst im Hochsommer müssen die Hunde vor Sonnenaufgang zwei Stunden raus, weil die sonst ein Riesenproblem mit der Wärme bekommen. Wenn man bereit ist, diesen Aufwand zu betreiben, ist jeder Hund glücklich.

Gibt es Kommandos und Verhaltensweisen in der Stadt, die Halter und Hund können sollten?

Wenn man mit dem Hund in der Stadt lebt und dort unterwegs ist, muss man wissen, dass der Anspruch an die Erziehung noch größer ist, als wenn man auf dem Land lebt. Wenn der Hund auf dem Land bellt, ist nicht gleich die Hölle los. In der Stadt muss der Hund aber funktionieren. Die Repressalien sind viel größer. Der Hund muss mit der Straßenbahn und dem Taxi fahren können, der darf niemanden anbellen, im Haus nicht laut sein. Ich sag’s nochmal: Der Erziehungsanspruch ist wesentlich höher.

Ab wann und wofür geht man in eine Hundeschule?

Leider ist das Thema Hundeschule bei vielen negativ besetzt. Die sagen: Ich habe doch kein Problem, warum soll ich in die Hundeschule gehen? Das ist aber wie bei Kindern. Die werden nicht in die Schule geschickt, weil sie Probleme haben. Sondern weil sie da Dinge lernen, die sie später vielleicht auch im Leben brauchen. So sehe ich das bei Hunden auch. Mit einem Hund würde ich direkt in der ersten Woche in die Hundeschule gehen. Einfach um zu vermeiden, dass sich Dinge einschleichen, die wir gar nicht benötigen. Eigentlich ist das Wort Hundeschule auch falsch: Es ist eine Menschenschule. Der Mensch lernt und wird erzogen. Das kann jeder von Anfang an gebrauchen. In Hundeschulen gibt es außerdem sehr viele Kurse und Angebote, die gar nichts mit Problemen zu tun haben. Da geht es um schöne Beschäftigungsformen für Hunde und Menschen.

Woran erkennt man einen guten Tierarzt, eine gute Tierärztin?

Erstmal muss man sagen: Das Bildungsniveau der Tierärzte ist in Deutschland sehr hoch. Guter oder schlechter Tierarzt - das hängt oft von den persönlichen Befindlichkeiten ab. Ich persönlich habe zwei Tierärzte, auf die ich schwöre. Da waren aber auch schon Menschen, die gesagt haben: Mit denen komme ich nicht klar. Wenn wir von einem Haustierarzt sprechen, hängt sehr viel von dem persönlichen Verhältnis ab. Mir ist wichtig, dass der Tierarzt sich Zeit nimmt und ich das Gefühl habe, dass mir zugehört wird. Grundsätzlich kann man sagen: Wenn man in Deutschland in einer durchschnittlichen Praxis landet, ist man gut aufgehoben.

Sie kommen nächstes Jahr mit Ihrem Live-Programm nach Berlin. Was darf Ihr Publikum erwarten?

Man kann auf jeden Fall erwarten, dass da zwei Stunden Halligalli in der Bude ist. Mein Programm ist lustig und unterhaltsam, ich bin aber kein Comedian und erzähle Hundewitze. Neudeutsch würde man mein Programm als Infotainment bezeichnen. Ich möchte Wissen vermitteln. Es sind die klassischen Dinge: Warum bellt der Hund, wenn es an der Tür klingelt? Warum zieht er an der Leine? Warum kommt er nicht, wenn ich ihn rufe? Aber auch: Warum muss ein Mann, der Zwiebeln gegessen hat, auf der Couch schlafen? Und warum darf ein Hund, der Pferdeäpfel gefressen hat, mit ins Bett? Es ist ein buntes Gemisch. Wir werden zwei Stunden Spaß haben, und alle werden mit besserer Laune gehen, als sie gekommen sind.

Danke für das Gespräch.

Das Interview führte Sebastian Goddemeier.

41 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 41.

    Soll ich Ihnen mal die Viertel und Bezirke in Ihrer Stadt aufzählen, in denen gewisse Zweibeiner auch überall ihren Dreck hinterlassen und teilweise alles vollurinieren oder sogar vollscheißen, obwohl sie angeblich zur Krone der Schöpfung gehören?

  2. 40.

    Sie liegen falsch. Nach meiner reichhaltigen Erfahrung hat tatsächlich einer von 1000 wirklich Angst vor Hunden.
    Wer nimmt denn auf meine Ängste Rücksicht?

  3. 39.

    Bei einigen Hundehaltern hat der Hund die bessere Ausbildung und Verhaltensregeln. Diese Halter lassen den Hund auch überall hinscheißen und räumen den Dreck nicht weg.

  4. 38.

    Ich möchte mich nicht darauf verlassen,dass ein unangeleinter Hund mich nicht beißt oder zusehen müssen wie so ein Hund Enten jagt oder auch Rehe mit Kitz,wo dann noch dumme Antworten kommen;“wie der hat das Kitz“doch gar nicht gekriegt.Sorry einige nutzen ihre Hunde definitiv als Drohgebärde oder sogar Waffe,während andere Tiere oder Kinder völlig egal sind.Der Maulkorbzwang für Kanpfhunde wird meist umgangen.Was Martin Rütter schreibt finde ich nur teilweise richtig,große Hunde gehören nicht in kleine Wohnung in der Stadt,es sei denn es ist ein Park in der Nähe uns wer radelt schon früh morgens täglich 20 km mit seinen Huskies???tut eben keiner uns Hunde neben dem Rad laufen zu lassen ist überhaupt nicht artgerecht.Ein Hund möchte schnüffeln dürfen oder auch mal pinkeln. Mir sagte mal ein ehemaliger Bauer,dass viele nicht wissen was Sie an ihrem Hund haben.Umgehen können wohl viele mit ihren Tieren nicht

  5. 37.

    So sieht es aus,
    Wichtig ist dass die Bedürfnisse erfüllt werden die so ein Hund halt hat.
    Dazu gehört sicher nicht nur ein Haus mit Garten.
    Es liegt doch in erster Linie am Halter ob der Hund ein gutes Leben hat.

  6. 36.

    Das mit den „Braunen“ bezog sich auf die, die Hunde und deren Halter immer weiter sanktionieren, bis hin zum Verbot, wollen… in Sachen Verbot können die sich wie Rumpelstilzchen verhalten… ändern wird es in absehbarer Zeit nichts.
    Und in Sachen Leinenpflicht verhält es sich doch eh wie mit dem Falschparken….

  7. 35.

    @Jürgen ;). Zumal an mir auch noch mehr Knochen ist....
    Nee, an sich habe ich auch eher Angst vor den Haltern als vor den Tieren.
    Die Tiere können nichts dafür.

  8. 34.

    Es könnte so einfach sein in diesem Land. Wer kein Grundstück hat, darf keinen Hund halten. Wer keine Garage hat, darf kein Auto haben. Aber es geht ja nur um Kommerz.

  9. 33.

    Bei manchen Kommentaren bin ich mal wieder froh, dass ich nicht in der Großstadt leben muss. Der Gedanke mit so vielen Hundehassern in unmittelbarer Nachbarschaft und ohne vierbeinigen Begleiter in der grauen Tristesse der Betonwüste leben zu müssen, würde mir Depressionen verursachen.

  10. 32.

    Ihr Kommentar verrät nur ihre Ahnungslosigkeit. Ein Hund der freilaufen kann und aufs Wort hört, wird auch nicht einfach wildern.

  11. 31.

    Unter denen von Ihnen zitierten "Braunen" gibt es etliche Hundefreunde, die ein echtes Problem mit der Leinenpflicht haben. Ich gehöre dazu.

  12. 30.

    Jogger in einem engen würstchen-ähnlichen Outfit ziehen Hunde natürlich an...

  13. 29.

    Etagenwohnungen mit Fahrstuhl dürfen es bei Ihnen aber schon sein?

  14. 28.

    So ist es! Deswegen gibt es Regeln für ein Miteinander, diese heißt in diesem Fall Leinenzwang!

  15. 27.

    Auch das wiederholen macht es nicht richtig. Man kann sich ohne Probleme von der allgemeinen Leinenpflicht befreien lassen. Weiterhin gilt diese auch nicht für Hunde welche bereits vor 2016 im Besitz gewesen sind.

  16. 26.

    Was soll ein Hundetrainer anderes sagen? Ein Hund gehört nicht in eine Etagenwohnung, sind nicht fürs Treppensteigen geeignet.

  17. 25.
    Antwort auf [Sheela ] vom 25.12.2023 um 07:08

    In Berlin gilt die allgemeine Leinenpflicht!
    Bitte erst Erkundigen und dann Schreiben!

  18. 24.

    Ein gefundenes „Fressen“ für alle die, die am besten alles verbieten möchten, nur die gern genommenen Steuereinnahmen für die man in der Stadt kaum eine Gegenleistung erbringen muss und im ländlichen Raum überhaupt keine, die wird nicht abgeschafft.
    Und jeder Hundehalter kann sich entspannt zurücklehnen… egal was für Argumente angeführt werden… Hunde wird es weiterhin in der Stadt geben… da braucht es auch keine Gegenargumente… ein freundliches klopfen auf die Schulter begleitet von den Worten „ruhig Brauner“ reicht vollkommen aus.

  19. 23.

    Antwort auf "Christian " vom Sonntag, 24.12.2023 | 21:27 Uhr
    "... in Berlin sind Hunde an der Leine zu führen."
    1. im Berliner Stadtgebiet 2. Man kann sich davon befreien lassen und 3. die Leinenpflicht gilt nicht für Hunde, die schon vor Inkrafttreten des Gesetzes im Besitz waren.
    "Interessiert aber kaum einen Hundehalter..."Das ist so übertrieben, wie "die meisten Autofahrer schnallen sich nicht an"; ich sehe viel mehr Hunde mit als ohne Leine, dafür viele ohne Hund in den Auslaufgebieten, die sich dann aufregen. Etwas mehr Toleranz wäre schön!

  20. 22.

    Da hat der Martin Rütter durchaus recht. Dem Hund ist es egal, ob er in der Stadt oder auf dem Land lebt. Hauptsache ist, dass er ein gutes Leben hat und seine Besitzer sich liebevoll um den Hund kümmern. In diesem Sinne, fröhliche Weihnachten.

Nächster Artikel