Brandschutz in Flüchtlingsunterkünften - Feuerwehrexperte fordert Konsequenzen nach Brand in Tegel
Gut eine Woche nach dem Feuer in der Notunterkunft für Geflüchtete in Tegel ist dessen Ursache weiter unklar. Ein Video vom Brand zeigt: Die Bewohner brauchen Brandschutzschulungen. Gehandelt werden muss auch an anderer Stelle. Von Ute Schuhmacher
- Video zeigt, wie sich das Feuer im Flüchtlinsgzelt in Berlin-Tegel ausbreitete
- Brandoberinspektor sieht Wissenslücken bei den Bewohnern
- Landesbehörde will im April erste Brandschutzschulungen durchführen
- Feuerwehrexperte fordert darüber hinaus weitere - auch bauliche - Konsequenzen
Auf dem Gelände der Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Tegel ist jüngst eine rund 1.000 Quadratmeter große Leichtbauhalle abgebrannt. Ein Handyvideo, das dem rbb vorliegt, zeigt, wie sich das Feuer in dem Wohnzelt ausbreitet. Es stammt von einer unbekannten Person.
Das Video zeigt darüber hinaus eine chaotische Szenerie - Menschen schreien, rennen durcheinander, Security-Personal versucht, die Menschen nach draußen zu lotsen. Ein Sicherheitsmitarbeiter rennt zum Brandherd. Als er einen Vorhang zu dem Schlafabteil öffnet, sind lodernde Flammen zu sehen.
Es ist völlig klar, dass hier mit einem Feuerlöscher nichts mehr ausgerichtet werden kann. "Raus, raus", rufen die Ordner deshalb immer wieder. Ein älterer Mann schleppt schwer an einem Koffer, ein Sicherheitsmitarbeiter nimmt ihm den ab, damit er schneller das Zelt verlassen kann. Aber der Mann dreht sich um, und läuft zurück. Vermutlich will er noch mehr Dinge retten. Das Feuer hat derweil schon ein großes Loch in die Zeltplane der Notunterkunft gefressen.
7.000 Leute können in der Flüchtlingsunterkunft auf dem ehemaligen Berliner Flughafen Tegel maximal wohnen. 380 von ihnen können in dem einen Zelt unterkommen, das abgebrannt ist. Zum Zeitpunkt des Brandes war es nicht voll belegt, alle konnten gerettet werden. Die Brandursache ist weiter unklar.
Feuerwehrmann bemängelt Unwissenheit der Bewohner
Wir zeigen das Video Oliver Mertens, er ist Brandoberinspektor bei der Berliner Feuerwehr und Landesvorstandsmitglied der Gewerkschaft der Polizei. Die vertritt neben der Polizei auch Feuerwehrleute. Mertens ist mit der Reaktion des Sicherheitspersonals in Tegel ganz zufrieden. Eine Chaosphase sei bei jedem Brand immer vorhanden, sagt er. So eine ungewöhnliche Situation müsse jeder erstmal verarbeiten, auch wenn er geschult ist.
Mertens findet, dass die Sicherheitsmitarbeiter recht überlegt gehandelt haben: "Sie haben erkannt, dass der Brand nicht zu bekämpfen ist und die Räumung favorisiert." Kritisch findet er allerdings, dass die Bewohner offensichtlich nicht gewusst haben, was in so einem Fall zu tun ist. Deshalb fordert Mertens wöchentliche Brandschutzschulungen für die Bewohner der Notunterkunft in Tegel.
Bislang keine Brandschutzschulungen für Notunterkunftsbewohner
Mark Seibert, Chef des Berliner Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF), räumt ein, dass es bislang keine solche Schulungen für die Bewohner in Tegel gab - noch nie. Der Grund sei historisch bedingt: Die Zelte waren als Ukraine-Ankunftszentrum lediglich dafür vorgesehen, dass Menschen ein bis zwei Tage dort bleiben, vielleicht mal drei. Wenn Bewohner so regelmäßig wechseln, wären auch wöchentliche Brandschutzschulungen wenig hilfreich, deshalb gab es für sie keine, so Seibert.
Die Realität in Tegel sehe aber längst anders aus, kritisiert die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Bettina Jarasch. Im Schnitt würden die Menschen rund ein halbes Jahr in Tegel wohnen. Deshalb fordert Jarasch gegenüber dem rbb, für Tegel nun endlich Standards, wie sie in allen anderen Unterkünften auch gelten: "Dazu gehört ein Brandschutzkonzept, dass auch die Schulung der Bewohnerinnen und Bewohner für einen solchen Notfall impliziert."
Beim LAF rennt sie da inzwischen offene Türen ein. LAF-Präsident Seibert versichert dem rbb: "Was wir als Konsequenz jetzt auch machen schon im April, ist eine Brandschutzschulung mit den Bewohnerinnen und Bewohnern." Wie regelmäßig die wiederholt werden soll, weiß Seibert aktuell allerdings nicht zu sagen. Da berate er sich noch mit der Feuerwehr und anderen Brandschutzexperten.
Leitmarkierungen zu Notausgängen fehlen
Brandoberinspektor Mertens kritisiert darüber hinaus, dass in dem Schlafzelt Markierungen fehlen, die zum nächsten Notausgang weisen. Wenn die auf dem Boden klebten, wäre das hilfreich, damit auch panische Menschen den Ausgang besser finden. Auch das kann sich der LAF-Präsident vorstellen. Zudem denkt er darüber nach, ob die Zelte weiter auseinandergeschoben werden müssen. Denn große Einigkeit herrscht darüber, dass das Feuer sehr schnell auf weitere Zelte hätte übergreifen können, wenn der Wind am Tag des Brandes aus einer anderen Richtung gekommen wäre.
Aber nicht nur aus Brandschutzgründen überlegt Mark Seibert das: "Auch um eine bessere Aufenthaltsqualität zu erreichen. Es ist ja alles schon sehr, sehr eng in Tegel." Das Problem: Wenn die Zelte weiter auseinandergerückt werden, passen weniger auf die Fläche. Damit gäbe es auch weniger Schlafplätze, die dann in der Flüchtlingsunterbringung der Stadt fehlten. Aktuell kann Berlin sich das noch nicht leisten, aber für dieses und das nächste Jahr sieht Seibert die Reduktion der Hallen in Tegel als eine der großen Aufgaben.
"Drei Atemzüge im Brandrauch - und dann gehen die Lichter aus"
An zwei Stellen hatte Berlin großes Glück, sagt Brandoberinspektor Mertens. Einmal, weil das Feuer im Flüchtlingszelt tagsüber ausgebrochen ist und nicht nachts. Wenn alle schlafen, ist es in der Regel viel schwieriger, Menschen schnell zu evakuieren. Die meisten sammeln dann nicht nur noch rasch einige persönliche Dinge zusammen, sondern sie sind dann in der Regel auch noch damit beschäftigt, sich anzuziehen. Das kostet wertvolle Zeit.
Das zweite Glück war, dass das Feuer trotz schwerentflammbaren Materials relativ zügig ein großes Loch in die Zeltplane fraß, sagt Feuerwehrexperte Mertens. Dadurch konnte viel von dem Rauch abziehen. Das habe sehr dazu beigetragen, dass alle Menschen rechtzeitig das Zelt verlassen konnten. Denn, so Mertens, "man hat drei Atemzüge im Brandrauch, dann gehen die Lichter aus und man ist handlungsunfähig."
Sendung: rbb24 Abendschau, 22.03.2024, 19:30 Uhr