Vom Nadelwald zum Mischwald - Waldumbau in Brandenburg ist zu langsam für den Klimawandel
Die Brandenburger Wälder drohen Opfer der globalen Erwärmung zu werden, wenn der Bestand nicht zügig umgebaut wird. Noch geht es zu langsam, weil Bürokratie hemmt und Besitzer überfordert sind. An ambitionierten Zielen fehlt es nicht. Von Hanno Christ
- Brandenburger Wald besteht zu 70 Prozent aus Fichten und Kiefern und soll zu Mischwäldern umgebaut werden
- Der größte Teil des Waldes ist in Privatbesitz
- Umbau kommt kaum voran, weil private Waldbesitzer überfordert sind
In Brandenburg sind sie erfinderisch, wenn es darum geht, dem Wald ein anderes Gesicht zu geben – Hauptsache, es finden sich weniger Nadelbäume und mehr Laubbäume darin. Kürzlich wurde etwa der Saatgut-Abwurf per Drohne bei Seddin vorgestellt, der für mehr Mischwald sorgen soll.
Kiefern und Fichten sind ein Markenzeichen von Brandenburg, oft besungen in der inoffiziellen Landeshymne "Steige hoch Du roter Adler". Doch von "dunklen Kiefernwäldern", die dem Brandenburger Land Heil bringen, kann nicht mehr die Rede sein. In Zeiten der globalen Erwärmung, der langfristig immer trockener werdenden Böden, sind solche Nadelbäume ein Grund dafür, weshalb in Brandenburg besonders oft Waldbrände lodern.
Klimatisch gesehen kann es nicht schnell genug gehen mit dem Abschied von Kiefern, Fichte und Co. Willkommen sind Eichen, Buchen oder Hainbuchen – doch auch die sind bereits im Klimastress, stellen Waldforscher fest.
Weg von den Kiefern-Monokulturen
Die Kenia-Koalition, allen voran der bündnisgrüne Umwelt- und Klimaschutzminister Axel Vogel, hat sich unter der Überschrift Waldumbau viel vorgenommen. Vogel hat eine eigene "Waldvision 2050" entwickelt und skizziert, wie ein klimaresilienter Wald Brandenburgs aussehen könnte.
Der Umbau bedeutet nicht etwa, dass die Nadelholzwälder kurzfristig durch Laubbäume ersetzt werden, sondern dass neue Bäume unter dem Schirm des Altbestandes von etwa 100-jährigen Kiefern gepflanzt werden. Im Schatten der alten Bäume und im Mikroklima des vorhandenen Waldes setzen sich dann im Idealfall die neuen Bäume durch.
Bis 2050 soll der Bestand an reinen Nadelbaum-Wäldern drastisch reduziert werden. Dazu soll es 57.000 Hektar mehr Waldfläche geben – zulasten von landwirtschaftlicher Nutzfläche –, mehr Totholz für humusreiche Böden in den Wäldern und bessere Wege, die eine Brandbekämpfung erleichtern. Im Idealfall finden sich in einem umgebauten Wald mindestens vier bis fünf unterschiedliche Baumarten. Doch davon sind die Wälder in Brandenburg bis auf wenige Ausnahmen noch weit entfernt. 37 Prozent der Landesfläche ist mit Wald bedeckt, auf 70 Prozent davon stehen Kiefern – so viele wie in keinem anderen Bundesland. Nur zehn Prozent sind Eichen und Buchen.
Umbau-Ziel: 8.000 Hektar jährlich
Das Umbaupotenzial im Gesamtwald sieht das Brandenburger Umweltministerium bei 500.000 Hektar, davon 300.000 Hektar im Privatwald. Im Landeswald wurden von 1990 bis 2022 rund 46.000 Hektar umgebaut. Ziel sei, 2.000 Hektar jährlich umzubauen, das aber erst ab 2030, so das Ministerium. Im Entwurf des umstrittenen Klimaplans der Landesregierung werden 8.000 Hektar jährliche Umbaufläche angepeilt – in Landeswald, überwiegend aber in Privatwald. Der Finanzbedarf ist gewaltig: Das Thünen-Institut in Eberswalde schätzt den für den Umbau von Fichten- und Kiefernwäldern notwendigen Kapitalbedarf bundesweit auf bis zu 43 Milliarden Euro in den nächsten 30 Jahren.
Entscheidend ist der Privatwald
Tatsächlich wird über das Schicksal des brandenburgischen Waldes eher in den Privatwäldern entschieden - und nicht im Landes-, Bundes- oder Kommunalwald. Gut Dreiviertel des Gesamtbestandes ist in Privatbesitz und der ist in Brandenburg eine kleinteilige Angelegenheit: Von den rund 100.000 privaten Besitzern verfügen etwa 90.000 über weniger als 10 Hektar. Die Besitzer haben oft ihre eigenen Vorstellungen, wie sie ihr Land nutzen möchten, sehr oft aber einfach nicht genug Geld. Der Vorsitzende des Waldbesitzerverbandes, Thomas Weber, beobachtet das geringe Interesse bei Mitgliedern seines Verbandes mit Sorge. Wenn es so weiter ginge, würde der Umbau noch "mehrere hundert Jahre" dauern. Bund, Land und EU stellen zwar finanzielle Mittel bereit, die Anträge seien aber oftmals zu kompliziert und bürokratisch, so Weber.
"Wir brauchen eine andere Art der Finanzierung"
Die wohl größte Hürde sei, dass die Waldbesitzer in Vorleistung gehen müssen. Grob gerechnet koste der Umbau eines Hektars 8.000 bis 10.000 Euro. Geld, das viele Waldbesitzer gar nicht haben. "Wir brauchen eine andere Art der Finanzierung, sonst treten wir auf der Stelle", sagt Weber.
2023 seien nur 656 Umbauanträge bewilligt worden, für gerade mal knapp 900 Hektar. Das ist zwar mehr als im Vorjahr (518 Hektar) aber weit entfernt von den angepeilten Zielen des Ministeriums 8.000 Hektar jährlich umzubauen. Gut ein Drittel der zur Verfügung stehenden Mittel wurde laut Ministerium im vergangenen Jahr gar nicht abgerufen. Auch im Ministerium wissen sie, dass das Verfahren, um an Fördergelder zu kommen, nicht einfach ist. Da sei man aber an Regularien anderer Behörden gebunden, so eine Sprecherin. Ein großes Problem sei bereits die Erreichbarkeit von Waldbesitzern. Eine großangelegte Briefaktion, in der das Ministerium vor Jahren versuchte, Waldbesitzer zu informieren, endete ernüchternd. Etliche Briefe kamen wieder zurück. Empfänger unbekannt.
Zu viel Schaden durch Wild
Doch nicht nur finanzielle Ressourcen und Bürokratie sind hemmende Faktoren, sondern auch der hohe Wildbestand. Durch Verbiss junger Bäume entsteht bundesweit ein ökonomischer Schaden in zweistelliger Millionenhöhe schätzt Waldforscher Peter Spathelf, Professor an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde (HNE). In Brandenburg versuchte das Ministerium mit einem Jagdgesetz die Bejagung zu vereinfachen, scheiterte aber am Widerstand vor allem des Landesjagdverbandes. Ob das Gesetz noch kommt, ist fraglich. "Es ist aber unstrittig", sagt Waldforscher Spathelf, "wir brauchen ökosystemverträgliche Wildbestände für einen erfolgreichen Waldumbau." Das sei ein "Dauerbrenner", nicht nur in Brandenburg.
Forscher fürchten Kipppunkte im Ökosystem
Waldforscher Spathelf geht davon aus, dass der Umbau eine Daueraufgabe bleiben wird. "Bislang ist es zum Glück noch so, dass neuer Wald entsteht, wenn Wald geschädigt ist. Das Ökosystem funktioniert noch", meint Spathelf. Aber wenn es wärmer werde und Extremwetterereignisse zunehmen, erreiche man einen Kipppunkt, an dem sich ein Wald nicht mehr erneuern könne. Danach droht die Versteppung.
Waldforscher sind bereits in Europa und der Welt unterwegs auf der Suche nach hitze- und dürreresistenten, nicht heimischen Bäumen, die auch in ferner Zukunft in der Mark Wurzeln schlagen. Die Brandenburg-Hymne "Steige hoch Du roter Adler" müsste übrigens nur teilweise neu getextet werden: Lyrisch ist der Mischwald dort bereits umgesetzt, wenn von "uralten Eichen", einem "dunklen Buchenhain" und "grünenden Birken" gesungen wird. Gut möglich, dass ab 2050 auch Zedern und Orientbuchen dazu kommen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 03.03.2024, 17 Uhr