Gesundheitswesen - Brandenburger Pflegeschulen schlagen Alarm wegen hoher Abbrecherquote

Do 28.11.24 | 06:15 Uhr
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Pflegeschülerin/innen in der Gesundheitsschule Eisenhüttenstadt 2024.(Quelle:rbb)
Audio: Antenne Brandenburg | 27.11.2024 | Michael Lietz | Bild: rbb

Fast jeder Zweite, der in Brandenburg eine Ausbildung in einem Gesundheitsberuf beginnt, bricht diese ab. Der Pflegeschulbund kämpft seit Jahren darum, den Auszubildenden sozialpädagogische Begleiter an die Seite zu stellen - bislang vergeblich.

Sarah Wüsteneck steht kurz vor der Prüfung zur Pflegefachfrau. Einen Job hat sie in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) in einer ambulanten Pflege schon sicher. Doch immer wieder quälen sie Zweifel, ob das alles so richtig ist: anstrengende Praxiswochen in der Pflege, hohe Anforderungen in der Gesundheitsschule. Aber niemand sei da, dem sie ihre Ängste und Sorgen anvertrauen kann, klagt die Pflegeschülerin: "Die Lehrer haben nicht wirklich viel Zeit für uns. Dann hat ein Betrieb um die sechs, sieben Auszubildende und dann kann sich die Praxisleitung auch nicht um jeden Einzelnen so spezifisch kümmern. Es fehlt halt einfach die Vertrauensperson, zu der wir jedes Mal gehen können. Wo wir wissen, sie weiß bis jetzt alles über uns."

Sarah ist nicht allein mit ihren Zweifeln. Andere Mitschüler denken bereits darüber nach, die Ausbildung abzubrechen - vor allem auch jetzt vor der Prüfung, wo die Versagensangst wächst.

Aktuelle Zahlen des Pflegeschulbundes Brandenburg zeigen das Ausmaß des Problems: Seit 2021 haben 4.239 junge Menschen in Brandenburg eine Ausbildung in einem Gesundheitsberuf begonnen, doch 2.149 von ihnen haben die Ausbildung vorzeitig abgebrochen. Damit liegt die Abbrecherquote in Brandenburg bei 50,7 Prozent. Zum Vergleich: Im Handwerk liegt die Abbrecherquote laut der Handwerkskammer Ostbrandenburg bei weniger als 14 Prozent.

Neuer Paragraph sollte sozialpädagogische Betreuung sichern

Um die hohe Abbrecherquote zu senken, sollte die Brandenburger Schulverordnung für die Gesundheitsschulen geändert und eine sozialpädagogische Begleitung und Beratung ermöglicht werden. Darauf hätten sich das Land, die Krankenkassen, die Krankenhausgesellschaft und der Pflegeschulbund bereits 2022 geeinigt, sagte Gregor Weiß, Vorsitzender des Pflegeschulbundes, dem rbb. Das Land sollte diese Maßnahme mit rund neun Prozent fördern, die restlichen 91 Prozent hätten die Krankenkassen übernommen, so Weiß.

Ein entsprechender Paragraf (4a) zur Einführung dieser sozialpädagogischen Begleitung war bereits in den Entwurf der neuen Gesundheitsberufe-Schulverordnung aufgenommen worden. Voraussichtlich im Januar 2025 sollte die neue Verordnung in Kraft treten. Doch Ende September kam die überraschende Absage vom Finanzministerium. Demnach wolle das Ministerium der Verordnung nur zustimmen, wenn der Paragraf wieder gestrichen wird, erklärt Weiß.

Auf Anfrage von rbb|24 verweist das Finanzministerium an das Gesundheitsministerium als zuständige Behörde, die wiederum mitteilt: "Im Rahmen des Verordnungsverfahrens ist dieses Vorhaben durch das Finanzministerium aus Kostengründen aktuell abgelehnt worden." Es sei aber auch nichts zugesagt gewesen, so Gabriel Hesse, Sprecher des Gesundheitsministeriums.

Das Gesundheitsministerium verweist zudem darauf, dass es sich momentan nur um Planungen handle und konkrete Aussagen erst nach der Bildung der neuen Landesregierung möglich seien.

Angespannte Situation in der Pflege könnte sich weiter zuspitzen

Derzeit finanziert das Land nach eigenen Angaben jährlich zwei Vollzeitstellen zur Umsetzung der sozialpädagogischen Begleitung in der Altenpflegehilfe-Ausbildung [lasv.brandenburg.de].

Seit Jahren kämpft der Pflegeschulbund Brandenburg für eine solche sozialpädagogische Unterstützung auch für Auszubildende in anderen Gesundheitsberufen, sagt Jaqueline Böttcher, Leiterin der Gesundheitsschule Eisenhüttenstadt und ebenfalls Vorsitzende des Pflegeschulbundes. Deswegen sei die Absage vom Land eine große Enttäuschung: "Wir waren sehr erschüttert, weil wir so lange drauf hingearbeitet haben, und wir wissen um die Notwendigkeit dieser sozialpädagogischen Betreuung", erklärt Böttcher.

Pflegeschulverband warnt vor dramatischen Folgen

Sie warnt vor dramatischen Folgen, wenn der Personalmangel im Gesundheitswesen nicht bekämpft wird. Probleme gebe es dadurch auch bei der Behandlung von Schwerstkranken auf der Intensivstation. Als Beispiel nennt Böttcher die Physiotherapie. "Wenn das nicht stattfindet - auch da wird es, auf lange Sicht, sehr viel Leid geben", erklärt die Schulleiterin.

Mit einem Brandbrief hat sich Pflegeschulbund am 21. November an verschiedene Fraktionen im Landtag gewandt. Doch bislang herrscht Stillstand in der Debatte, erklärte Gregor Weiß am Mittwoch gegenüber rbb|24.

Alternativen, die Abbrecherquote nachhaltig zu senken, sieht Jaqueline Böttcher nicht. Sie befürchtet, dass sich nun die Lage weiter verschlechtert, und nennt als Beispiel die pharmazeutisch-technischen Assistenten: "Wir sind die einzige Schule in Brandenburg", sagt Böttcher. "Wir fangen mit 24 an. Wenn davon 16 rauskommen, sind wir toll. Aber ganz ehrlich: Wir brauchen über 80 allein in Brandenburg."

Sendung: Antenne Brandenburg, 27.11.2024, 15:00 Uhr

Mit Material von Michael Lietz

25 Kommentare

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  1. 25.

    Mein Sohn wollte seit klein auf Physiotherapeut lernen. Er bekam auch eine Ausbildung nach 18 Tagen sagte man ihn und 4 anderen in einen Vierer Gespräch er sei nicht gut genug und schmiss ihn raus ohne Vorgespräch oder Ankündigung. Für mich und ihn völlig unbegreiflich. Er war pünktlich hat nie gefehlt und ordentlich ein 2 Schüler in der 10 Klasse .Wie kann man so eine Entscheidung fällen nach so kurzer Zeit. Kein wunder das diese jugendlichen dann kein Pflegeberuf mehr einschlagen. Also vielleicht auch mal allen eine Chance lassen sich zu beweisen.

  2. 24.

    Selbstverständlich ist die Ausbildung Anspruchsvoll aber hat leider die falschen Ansätze. Und jetzt lernen Altenpflege, Kinderkrankenpflege und die Krankenpflege als eine Ausbildung zusammen

  3. 23.

    Ohne Zuwanderung wird eine Pflege in Deutschland nicht auskommen. Ich bin schon 16 Jahre tätig & ohne meine Kollegen aus Kamerun,Vietnam, Afghanistan usw...die wirklich eine gute Arbeit leisten undenkbar.

    Wer Angehörige hat die gepflegt werden, schaut euch doch mal um & die nächsten Jahre kommen erst die Jahrgänge ab 1950-60

    Grüße

  4. 22.

    Richtig. Deswegen ist eine solide theoretische Ausbildung PFLICHT. Erweitert auch den intellektuellen Horizont. Mathe 1-3 aus meinem Grundstudium habe ich beruflich auch nie wieder benötigt, trotzdem schön zu wissen, von was man reden könnte.

  5. 21.

    Ich arbeite in einer Zeitarbeitsfirma im Pflegesektor und sehe Tag täglich wie die Auszubildenden ausgebeutet werden und als kostenfreie Pfleger behandelt werden anstatt ihnen etwas beizubringen .ich habe mich mit einigen unterhalten und alle sagten das gleiche und waren dankbar wenn man ihnen etwas erklärt oder gezeigt hat . Obwohl das eigentlich die Praxisanleitung machen sollte . Ich selbst hab meine Ausbildung nebenberuflich gemacht und weiß daher was es für eine Doppel Belastung ist

  6. 20.

    … ja genau - Influencer*in, YouTuber*in, Profifussballer … fallen mir noch mehr „Berufe“ ein?

  7. 19.

    Guten Abend,

    Jeder der der 10 Jahre oder mehr in der Pflege arbeitet, hat ein besseres Studium, nämlich die Realität.

  8. 18.

    Guten Abend,

    Meine Frage wäre an sie, wo zieht Sie es dann hin, wenn sie mit der Ausbildung fertig sind? Altenpflege?

  9. 17.

    Zitat: "Aber warum braucht es heute überall sozialpädagogische oder psychologische Betreuung . . . Gibt es denn besonders betreuungsbedürftige Personengruppen, auf die man sich dabei schon vom Anfang der Ausbildung an konzentrieren sollte?"

    Dass Pflegeberufe für die dort Beschäftigten nicht nur nur körperlich, sondern auch mental extrem herausfordernd sind, sollten Sie sich eigentlich "ausmalen" können. Und dass Berufseinsteiger bzw. Auszubildende unter teilw. sehr unzureichenden Bedingungen angelernt werden, dürfte auch kein Geheimnis mehr sein. Daher ist Ihre spöttische Sichtweise bzgl. der 'mentalen Betreuung' des Pflegenachwuchses reichlich fehle am Platze, Björn.

  10. 16.

    Zitat: "Alles kein Problem. Dann holen wir uns Fachkräfte aus anderen Ländern. Das hat doch in den letzten Jahren gut geklappt."

    Da Sie offensichtlich kein Interesse daran haben sich mit dem Thema ideologiefrei zu befassen, sei zu Ihrer Info mal angemerkt, dass der Anteil ausländischer Pflegekräfte innerhalb den letzten zehn Jahren von fünf auf nun fünfzehn Prozent angestiegen ist.

  11. 15.

    Die Anforderungen, die der Beruf stellt, sind das Eine, die Ausbildung das Andere. Seit die Ausbildung generalisiert wurde, wechseln die Auszubildenden einerseits ständig die Einrichtung, die sie praktisch ausbilden soll, so dass sie keine Zeit haben, sich einmal länger mit den Abläufen z.B. im Pflegeheim oder im Krankenhaus zu befassen. Zum anderen ist die Personaldecke überall so dünn, dass kaum einer die Zeit hat, den Auszubildenden ausführlich die Praxis zu erklären. Meist können nur schnell Aufgaben zugewiesen werden, ohne dass man etwas über das Warum und Weshalb erfährt. Zudem lernt man in der Theorie oft Dinge, die in dem später gewünschten Arbeitsbereich nicht erforderlich sind, während man sich das dafür Nötige selbst aneignen muss. Dass sich ein junger Mensch da überfordert fühlt, finde ich verständlich.

  12. 14.

    Was erzählen sie da für Mist??? Haben sie den Text überhaupt gelesen??? Sie sollten erstmal an ihrem verstehenden lesen arbeiten!!! Vollkommen am Thema vorbei. Hauptsache irgendwelche Ideologie von sich geben!!! Aber von Tüte und Blasen keine Ahnung haben!!!

  13. 13.

    Nein diese Leute sehen, das die Theorie und die Praxis mega weit auseinander liegen und ihnen durch die Gesellschaft und die Strukturen Steine in den Weg gelegt werden so zu pflegen dass es menschenwürdig ist. Außerdem kann ich aus meiner eigenen Erfahrung sagen (ich mache gerade diese Ausbildung)dass es dank Personalmangels egal ob in der ambulanten Pflege, im Krankenhaus oder im Altenheim so ist dass niemand Zeit hat dir etwas beizubringen. Ich habe zwei andere Berufsabschlüsse und habe das nie so drastisch gesehen wie in der Pflege. Und hier geht es um Menschen. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Das hätte alles niiie privatisiert werden dürfen. Meine Meinung und Erfahrung.

  14. 12.

    Also ich mache gerade die generalistische Ausbildung und was sie da erzählen ist Quatsch!

  15. 11.

    Wenn man bedenkt, das die Seniorenheime und Geriatrien heute und in den kommenden Jahrzehnten von denjenigen Generationen bevölkert werden, die in der letzten Jahrhunderthälfte den Planeten wider besseres Wissen (!) gegen die Wand gefahren und für ihre Kinder und Kindeskinder zunehmend unbewohnbar gemacht haben -- dann kann man schon nachvollziehen, dass immer weniger junge Menschen sich für die Idee begeistern können, diesen Leuten tagtäglich ihr ganzes Berufsleben lang ihre geistigen, seelischen und muskulären Kräfte zu geben, und sich dabei auch noch anhören zu müssen, wie verkommen die jungen Menschen heute seien. Auch würde, wäre ich heute um die zwanzig, mit lieber etwas suchen, mit dem ich etwas für die *Zukunft* unserer Gesellschaft und eine lebenswertere Welt leisten kann.

  16. 10.

    Die anspruchsvolle Ausbildung ist die eine Seite, die Praxiseinsätze die Andere.
    Auszubildende realisieren ziemlich schnell was da in Zukunft auf sie zukommt.
    Ich persönlich kenne tatsächlich keine andere Berufsgruppe die nach jedem Dienst so abgefrackt nach Hause schleicht .
    Deshalb brechen die Jugendlichen ab , weil das keine Persepektive für die Zukunft ist .
    Und für die Besserwisser sei an der Stelle gesagt : Ich arbeite seit 31 Jahren im 3 Schichtsystem in der Pflege .

  17. 9.

    Achso, dann möchte ich sie auch mal gerne in der Pflege arbeiten sehen. Ein unnötiger Kommentar von jemanden der sich nicht bewusst ist, wie die generalistische Ausbildung im Vergleich zu früher aufgebaut ist oder je Erfahrung in der Pflege hat. Da kann man echt nur seinen Kopf schütteln.

  18. 8.

    Ja ,Lehrjahre sind keine Herrenjahre.Jeder der solch einen Beruf ergreifen möchte,sollte sich schon gut informieren,was da da auf einen zukommt.Leider sind immer mehr junge Leute nicht auf das Leben vorbereitet.Bürgergeld ist aber auch keine Lösung und nicht dazu gedacht,sich dem Berufsleben zu entziehen .

  19. 7.

    Die Pflegeausbildung ist tatsächlich recht anspruchsvoll. Man kann sogar Pflegewissenschaften studieren. Sich mit Pflegemodellen näher beschäftigen. Voraussetzung ist natürlich die geistige Befähigung, sich mit der Materie beschäftigen zu können.

  20. 5.

    Leider wurde die Pflege soweit geändert
    Sie lernen nicht das pflegen sondern Modelle
    Sie lernen keine Anatomie und Physiologie sondern Planung
    Die Theorie der Abrechnung ist im Vordergrund nicht die Menschlichkeit
    Ich freue mich schon wenn ich ins Krankenhaus muss

  21. 4.

    denn diese jungen Menschen haben rechtzeitig für sich erkannt, das Leistung erbringen nichts für sie ist.

  22. 3.

    Alles kein Problem. Dann holen wir uns Fachkräfte aus anderen Ländern. Das hat doch in den letzten Jahren gut geklappt.

  23. 2.

    Wer möchte auch heute noch in der Pflege arbeiten ... quenglige Bewohner/ Patienten, fordernde Angehörige, Arbeitgeber, die dich auspressen wie 'ne Zitrone und dann wegwerfen ...

  24. 1.

    Das hört sich schlecht an. Aber warum braucht es heute überall sozialpädagogische oder psychologische Betreuung in Schulen oder Ausbildungen, was früher alles ohne sowas ging? Gibt es denn besonders betreuungsbedürftige Personengruppen, auf die man sich dabei schon vom Anfang der Ausbildung an konzentrieren sollte?

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