Waldzustand - Für die Revierförsterin ist es längst fünf nach zwölf

So 16.02.25 | 13:12 Uhr
  29
Brandenburger Wald. Waldzustandsbericht Brandenburg 2024. (Quelle: rbb/Oberwalleney)
Video: rbb|24 | 11.02.2025 | Stefan Oberwalleney | Bild: rbb/Oberwalleney

Ein Waldspaziergang mit Revierförsterin Thekla Thielemann in der Nähe von Ferch: Am schlechten Zustand der Bäume wird deutlich, wie sehr die Trockenheit dem Wald zugesetzt hat. Und nachwachsende Bäume werden vom Wild gefressen.

  • Alte Laubbäume sind vielfach nicht mehr zu retten
  • Die Walderneuerung funktioniert nur über den Schutz der jungen Bäume
  • Hohe Wild-Populationen stehen der Erholung des Waldes entgegen

Revierförsterin Thekla Thielemann betritt ihr Revier "Flottstelle" kurz hinter dem Bahnhof Ferch-Lienewitz (Potsdam-Mittelmark). An diesem Februarmorgen ist es bedeckt, kalt und irgendwie will es nicht richtig hell werden. Die Försterin in ihrem orangefarbenen Fleecepullover ist keine 100 Meter gegangen, schon liegen links und rechts des Waldwegs Kartons und Verpackungen von Duschkabinen. "Alles, was man nicht gebrauchen kann und meint, man kann es nicht entsorgen, landet im Wald", sagt sie und wirkt einigermaßen ernüchtert.

Ganze Wagenladungen mit Bauschutt werden im Wald entsorgt. Das habe leider zugenommen. Auch Hausmüll, den man an sich einfach entsorgen könnte, werde immer öfter im Wald abgeladen. "Ja", sagt die Revierförsterin, das ärgere einen schon ziemlich.

Müll liegt im Brandenburger Wald (Quelle: rbb/Oberwalleney).
Häufig laden Leute ihren Müll im Wald ab. | Bild: rbb/Oberwalleney

Der Respekt ist verloren geht verloren

"Der Wald ist kostbar, er ist ein sehr kostbares Gut", sagt sie, "aber der Respekt ist an vielen Stellen verloren gegangen. Wir räumen das dann weg, aber in vier, fünf Wochen spätestens liegt der nächste Müllhaufen da."

Wenige Meter weiter im Wald wird auch dem ungeübten Betrachter offensichtlich, was im Waldzustandsbericht 2024 für den Brandenburger Wald schwarz auf weiß nachzulesen ist: Dem Wald geht es ausgesprochen schlecht und dabei spielt das ärgerliche Müllproblem noch nicht einmal eine Rolle.

Noch nie waren so viele Bäume im Wald geschädigt. Bei den Laubbäumen weisen Buchen zu 64 Prozent und Eichen zu 75 Prozent deutliche Schäden auf. Nur drei Prozent der Eichen und 5 Prozent der Buchen sind gesund. Der Zustand sei dramatisch, formuliert es Umweltministerin Hanka Mittelstädt (SPD) bei der Vorlage des Waldzustandsberichts 2024.

Revierförsterin Thekla Thielemann im Brandenburger Wald. (Quelle: rbb/Oberwalleney)
Revierförsterin Thekla Thielemann | Bild: rbb/Oberwalleney

Viele alte Bäume haben keine Zukunft

Der Blick von Thekla Thielemann geht Richtung Baumkrone einer alten Eiche. 130 bis 140 Jahre ist der Baum schätzungsweise alt. Jetzt ist er tot. Abgestorben. Die Trockenheit der letzten Jahre war zu viel für den alten Baum. Daran änderten auch einzelne Sommer mit mehr Niederschlag nichts. Auch die umstehenden Bäume, mehrere Alteichen und Buchen, haben keine Zukunft.

Traurig sehen die Bäume aus, findet die Revierförsterin, die Kronen erinnern sie jedes Mal an "Kraken". Dass Bäume absterben, gehöre natürlich zur Natur dazu. Allerdings forderten die klimatischen Veränderungen der letzten Jahre dem Wald viel ab. Aber ein gesunder Wald könne darauf reagieren.

Entscheidend sind die jungen Bäume

Trotzdem ist es jetzt allerhöchste Zeit für eine umfassende Walderneuerung, sagt sie. "Wir haben nicht fünf vor Zwölf, sondern längst fünf nach zwölf."

Entscheidend sei die nächste Generation der Bäume, die Jungbäume, der "Unterstand", wie es im Fachjargon heißt. "Wir müssen die Bestände vielschichtig aufbauen, mit ganz verschiedenen Baumarten."

Diese säen sich zum Großteil von allein aus, erklärt die Revierförsterin "da muss der Mensch gar nichts dazu tun, das macht der Wald von selbst." Diese kleinen Bäume halten das Wasser in der Erde und vermindern die Verdunstung. Sie wurzeln auf natürliche Art, passen sich an. Solch natürlich wachsenden Sprösslinge seinen viel besser auf ihre Umwelt angepasst als die Pflanzen aus der Baumschule, sagt Försterin Thielemann, noch dazu seien sie völlig kostenlos. Doch die Jungbäume haben ein Problem: das Wild.

Zu viel Wild ist das Problem

Der Arm der Försterin beschriebt einen großen Bogen. "Auf dieser Fläche vor uns erholt sich der Wald von allein", erklärt sie. "Kleine Buchen und Eichen wachsen, fünf, sechs verschiedene Baumarten zwischen Kiefern, ganz wie es die Natur will." Und nicht ohne Stolz fügt sie hinzu, dass das alles ohne Umzäunung geschehe.

In vielen Forsten hätte so eine freie Fläche keinerlei Chance, denn es gibt viel zu viel Wild. Jäger und Jägerinnen, die eine Jagd gepachtet haben, wollen in ihrer Freizeit Wild schießen, erläutert die Försterin. Damit das aber funktioniere und sie tatsächlich auch Wild vor die Flinte bekommen, müsse es viel Wild geben. Zu viel im Verhältnis zur Waldfläche.

Nachwachsende Bäume haben da keine Chance, denn sie werden einfach weggefressen. So klar nachzuvollziehen und doch so kompliziert. Zumindest, wenn die verschiedenen Interessen von Förstern, privaten Waldbesitzern und Jägern aufeinanderprallen.

Die Jagdinteressen gehen zu Lasten des Waldumbaus

"Was wir hier in unserem Revier machen, ist, wir schießen das Wild", sagt die Försterin entschieden. Dafür werden sie und die Kolleginnen und Kollegen regelmäßig von der Jägerlobby angefeindet. "Ihr schießt alles tot" bekommt die Försterin immer wieder zu hören. "Nein", so sei es natürlich nicht, sagt sie entschieden. Es gehe einzig und allein um das waldverträgliche Maß. Jeder Förster merke das, wenn er tagein, tagaus durch sein Revier gehe. "Wir sehen, ob der Wald von unten her wachsen kann oder ob er es nicht kann."

Die Stellschraube Wild müsse unbedingt angegangen werden, meint Thielemann. Nur dann habe der Brandenburger Wald eine Zukunft. Eine Überzeugung, zu der auch der Waldzustandsbericht 2024 kommt, wenn es heißt, dass die nächste Baumgeneration mit einem nach wie vor "viel zu hohem Wildverbiss" zu kämpfen habe und ein konsequentes Jagdmanagement gebraucht werde.

Wie schwer eine Einigung in dieser Frage ist, zeigt die Novelle des Jagdgesetzes, das der vormalige Umweltminister Axel Vogel (B'90/Grüne) 2023 auf den Weg gebracht hat. Die Gesetzesnovelle sollte das Jagen in Brandenburg erleichtern und so den Baumbestand schützen. Verabschiedet wurde es bisher nicht.

Mit weniger Wild erholt sich der Wald

Im Revier von Försterin Thielemann gibt es einen Abschussplan, der regelmäßig überprüft und angepasst werde. Entscheidend sei der Verbiss an den jungen Bäumchen. Ist er zu hoch, wird gejagt. So einfach und doch wieder nicht, weil es einen langen Atem, Mut und Rückgrat erfordere.

Der Wald ist vielerorts krank, doch er kann sich erholen, da ist sich die Försterin sicher. Im Revier "Flottstelle" ist das an vielen Stellen gut zu sehen. Das sei "kein Hexenwerk" oder einem besonders günstigen Standort geschuldet. "Nein", so die Revierförsterin entschieden, "das alles ist ein Resultat dessen, was wir längst wissen und konsequent umsetzen. Wir müssen nur handeln, und zwar schnell."

Doch wie geht sie mit dem Wissen um das Richtige und den egoistischen Lobbyinteressen um, ohne zu verzweifeln?

Ganz einfach, sagt die Försterin, wenn wir den Wald, wie in unserem Revier, "gesunden sehen, dann ist das ein sehr schönes Gefühl. Dann weißt du, dass du es richtig machst" und dann sei der Beruf Förster der schönste auf der Welt.

Nächster Artikel

29 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 27.

    In den 80er jahren hieß es das es ab 2000 überhaupt keinen Wald mehr in Deutschland gibt. Ozonloch und Saurer regen, Und jetzt 2025 ist es 5 vor 12.

  2. 26.

    Was soll man dazu sagen...
    Menschen korrigieren das, was in ihrer Umgebung passiert, nachdem sie die Umgebung manipuliert haben, zu ihren eigenen Gunsten. Ohne an Tiere, Pflanzen oder weiteres zu denken.
    Dann kommen Alibiaktionen.
    Wenn größere Fleischfresser kleinere Tiere essen, dann ist es natürlich.
    Alles reguliert sich dann von selbst.
    Der Mensch reguliert nur für sich selber.

  3. 25.

    „Die Deutschen als Reiseweltmeister haben erheblich zu diesem Problem mit der Klimaerwärmung beigetragen“
    Wie haben Sie denn das ermittelt? „Erheblich“ ist auch so ein fragwürdig lenkendes Füllwort. Fehlt bloß noch, dass die 2027 geplante CO2 Steuererhöhung vorgezogen werden sollte um die Erderwärmung zu beeinflussen?

  4. 24.

    Tut mir leid, aber das ist nicht ganz richtig. Wenn wir Menschen nicht da wären, gäbe es große Fleischfresser, die genau dieses durch die Jagd angestrebtes Gleichgewicht halten würden. Das Wild, vir allem das Rehwild ist "Kulturfolger", das bedeutet dass es sehr gut mit den menschengemachten Umständen klar kommt und sich deswegen überdurchschnittlich stark vermehrt.
    Das jetzige Verhältnis ist somit alles andere als " natürlich"

  5. 23.

    Warum kann man keine verdeckten Kameras installieren um solche Leute hab haft zu machen?
    Wer könnte es denn sein? Umliegende Einwohner und mal Baustellen ablaufen auch mal Zivis hin senden.

  6. 22.

    Die Antwort ist wohl so ernüchternd wie einfach: Weil manche Politiker massiv mit Lobbyisten klüngeln, deren Hauptaufgabe es ist, die Realität zu Ihren Gunsten zu verdrehen.

  7. 21.

    Wenn sie die beschriebenen Baumarten in diesen Abständen pflanzen, haben diese garantiert keine Zukunft.

  8. 20.

    Ein Reh könnte sich auch denken, Menschen? Die machen bloß den Wald und Tiere kaputt. Wer braucht die?

  9. 19.

    Gibt es keine Wölfe da die lösen das Problem mit dem Wild wer braucht schon heimische Wildarten die fressen bloß den Wald auf.

  10. 18.

    Jungbäume kann man durch Manschetten effektiv gegen Verbiss schützen - dass erfordert natürlich entprechende Arbeit und "kümmern" - aber Schießen ist ja angeblich die Lösung. Wie war das nochmal mit dem Fachkräftemangel? Shiet war auf IT - der Wald ist wichtiger. Der lässt uns leben - die IT ist zur Geißel der Menschheit geworden.

  11. 17.

    Liebe Frau Thielemann
    Ist es wirklich immer das Wild was Probleme macht oder auch einmal die Forst selbst. Ich kenne ein Revier da wurden vor 25 Jahren alle Roteichen gefällt, ist ja eine Neophyte. Und heute Baum des Jahres.
    In meinem Revier ist ein Kettenharvester mit 46(sechsundvierzig) Tonnen unterwegs gewesen und hat Bäume gefällt. Den Flurschaden können Sie sich bestimmt selbst ganz gut vorstellen.
    Die letzte Drückjagd hat bei ca. 50 Schützen ganze 4 Rehlein gebracht.
    Das böse Wild…..

  12. 16.

    "Die Deutschen als Reiseweltmeister haben erheblich zu diesem Problem mit der Klimaerwärmung beigetragen und sind gerade dabei, dieses Jahr einen neuen Rekord aufzustellen."

    Ich bin zwar auch Naturfreund, aber ihre Behauptung ist lt. Datenlage nicht aufrecht zu erhalten.

  13. 15.

    Der Waldzustand wurde von der Försterin beschrieben, auch das ist nichts Neues. 1 ha Kiefern entspricht bei Wiederaufforstung 6666 laufende Meter, Pflanzabstand 40 cm. 1ha Gemeine Eiche 5000 m, Pflanzabstand auch 40 cm. Buche geht nur als Unterbau. 3 Holzarten, die nicht zukunftsfähig sind. Alternative Roteiche? Was können Sie hier für Neuigkeiten beitragen, was tun Sie beruflich oder in Ihrer Freizeit zur Waldverbesserung? Ich kümmere mich beruflich nicht mehr um den Wald, aber in der Freizeit und zwar nicht als Jäger. Könnten Sie auch, kann jeder, machen aber nur wenige. Und Sie?

  14. 14.

    Daran, daß der Regen immer öfter ausfällt, sind doch nicht die Tiere schuld. Sie haben selbst immer mehr Probleme, daß der Nachwuchs nicht verdurstet. Und Inzucht durch zu hohe Tötungszahlen kann nicht die Lösung sein, zumal die Tiere selbst anfälliger für Krankheitserreger werden (neue Zoonosen und Pandemien). Die Deutschen als Reiseweltmeister haben erheblich zu diesem Problem mit der Klimaerwärmung beigetragen und sind gerade dabei, dieses Jahr einen neuen Rekord aufzustellen. Verreisen die Förster und Jäger nicht ? Ihr könntet also selbst auf andere Weise dazu beitragen, daß es nicht noch schlimmer wird, als Euch an denen auszulassen, die nichts für die Rücksichtslosigkeit der Menschen können und selbst darunter leiden.

  15. 13.

    Kein Wort zum Waldzustand, stattdessen bekannte ,,Neuheiten''. Quatsch.

  16. 12.

    Vielleicht liegt es daran, dass im Revier der Försterin andere Bodenverhältnisse vorherrschen als anderswo. Im Landstrich zwischen Jüterbog und Sperenberg mit vormals Schießplätzen, dünner Besiedlung und daraus resultierend auch weniger Straßen, ist fast nur Sandböden, fast nur Kiefernbestand und jede Menge Wölfe. Noch vor 15 Jahren wimmelte es vor Reh- und Rotwild, fand man öfter abgeworfene Geweihe von Damwild und Rothirsch, konnte die Pfade im Boden erkennen und wusste, wo man besonders vorsichtig fahren musste, weil Wild wechselte. Das ist vorbei. Gibt es in Ferch und Umgebung keine oder zu wenig Wölfe? Hier ist der Hauptanteil an Abschüssen der Waschbär. Wir sind froh, dass die Jäger Waschbären schießen, also Tiere, die keine Trophäe zu bieten haben, nicht mal fürs Bonanzarad.

  17. 11.

    Und erst recht Menschen ohne Leine. Gänzlich unkontrolliert, und ohne Sinn und Verstand durch unsere Wälder und Forste schleichend...

  18. 10.

    wenn ich die Försterin richtig verstanden habe, so bemängelt sie den unzureichenden Abschuss von Wild, weil die Jagdpächter was zum Ballern haben wollen. Also stehen hier Individualinteressen gegen gesamtgesellschaftliche Interessen, ähnlich wie bei den Müllentsorgern. Wenn die Pachtverhältnisse daran schuld sein sollten, dann gehören sie abgeschafft und zwar per Gesetz. Wenn das Problem mit anderen Mitteln, wie Prämien oder Zwangsquoten, zu lösen ist, dann bitte schön. Ich begreife nur nicht warum in diesem Land ständig Probleme erkannt aber nicht zügig gelöst werden.