#Wiegehtesuns | Schauspieler und Trauerredner - "Warum sollen die Angehörigen nicht auch mal lachen?"
Von der Theaterbühne in die Trauerhalle: So hat Corona das Berufsleben von Matthias Greupner verändert. Eigentlich ist er Schauspieler, zum Beispiel in Cottbus. Durch die Pandemie wurden die Einsätze weniger - und die als Trauerredner mehr. Ein Gesprächsprotokoll.
Das Corona-Virus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Matthias Greupner ist 52 Jahre alt und lebt seit 2008 in Lübbenau (Oberspreewald-Lausitz). Eigentlich sieht man ihn vor allem auf Theaterbühnen. Doch mit der Corona-Pandemie wurden sie vorübergehend geschlossen und die anfangs nebenberufliche Tätigkeit als Trauerredner wurde immer stärker nachgefragt, sodass Matthias Greupner inzwischen allein davon leben könnte.
Meine erste Trauerrede habe ich 2014 für meinen Schwiegervater gehalten. Im selben Jahr verstarb meine Lebenspartnerin, die Mutter unserer Tochter. Drei Tage später verstarb mein Vater. Auch bei ihnen hatte ich mir vorgenommen, die Trauerreden selbst zu halten. Was ich bis dahin an Reden gehört habe, entsprach nicht meinen Vorstellungen. Ich denke, dass das Wichtigste ist, sich fröhlich an die schönen Momente zu erinnern. Denn der Augenblick bei der Trauerfeier ist doch ein sehr emotionaler, trauriger. Warum sollen die Angehörigen nicht auch mal lachen?
Daraufhin haben mich die Bestatter angesprochen und gesagt, dass sie denken, dass das etwas für mich wäre. Seitdem bin ich im Trauergeschäft tätig. Das hat sich durch Corona verschärft. Es sind mehr Trauerfälle geworden, und auch die Anzahl der Bestatter hat sich erhöht. Wir leben natürlich mit der Realität und sehen, was das Virus anrichten kann.
Der Wechsel von einem Schauspieler mit humorvollen Rollen zu einem Trauerredner war für mich nicht schwer. Das ist ein Ausgleich. Das Leben ist nicht immer schön. Man muss auch mit diesen Momenten zurechtkommen und auch mal Trost spenden. Für mich sind die schönen Momente wirklich, wenn ich bei den Angehörigen sitze, die voller Trauer sind, die eine oder andere Träne vergießen und ich dann innerhalb einer Viertelstunde ein Lachen auf das Gesicht zaubern kann.
Die Angehörigen erschrecken sich meistens, sagen "Huch, jetzt lachen wir hier." Aber ich denke, so eine Trauerfeier lebt auch von den schönen Erinnerungen.
Ich glaube, es ist diese Unverfänglichkeit, warum mich Leute buchen. Dass man nicht nur dasitzt und weint, sondern "unterhalten wird" - das ist vielleicht nicht das richtige Wort. Beim Schreiben der Rede sollte man schnell erfassen, wie der Mensch gewesen ist, so dass die Angehörigen sagen: "Ja, so war er." Das Wichtigste ist, glaube ich, die richtigen Fragen zu stellen und in die richtige Richtung zu lenken, dass die schönen Momente auch zum Tragen kommen.
Es sind die Lebensgeschichten, von denen ich auch zehre. Als Trauerredner lernt man, dass nicht alles schön ist. Man lernt Demut vor dem Leben.
Ich glaube, der größte Unterschied zwischen der Bühne und der Trauerhalle ist der Anspruch der vor mir Sitzenden. Die Leute kommen natürlich ins Theater, um sich unterhalten zu fühlen, um zu lachen, vielleicht auch mal zu weinen - aber aus anderen Gründen. Hier bei einer Trauerfeier sitzt das Auditorium und ist voller Trauer.
Es ist natürlich ein sehr emotionaler Moment, aber als Schauspieler hat man bestimmte Techniken, nicht selbst in Tränen auszubrechen. Das heißt dann "Wegkonzentrieren". Trotzdem gibt es Momente, gerade die mit Musik unterlegt sind, in denen man eigene Gedanken schweifen lassen kann und vielleicht noch mal an seinen eigenen Vater denkt oder an die Omi. Da kann es schon mal passieren, dass eine Träne rollt und die Stimme kurzzeitig versagt.
Ich habe die Schauspielerei schon sehr vermisst. Aber im letzten Jahr ging es dann wieder los, auch vor der Kamera zu stehen beim Polizeiruf oder beim Spreewaldkrimi. Mittlerweile spiele ich auch wieder sporadisch in Cottbus an der "Theaternative C". Und so bleibt mir die Bühne doch noch erhalten. Aber Corona hat doch 80 Prozent meines beruflichen Lebens hier auf den Friedhof vermittelt.
Ich könnte von den Trauerreden leben, aber die Bühne ist für mich immer noch der Ausgleich. Man kommt doch in sehr schwierige Momente rein. Man durchlebt die einzelnen Schicksale teilweise mit. Da ist es dann auch wieder schön, einfach mal lachen zu können, loslassen zu können und eine ganz andere Welt zu erleben. Also die Bühne möchte ich schon noch beibehalten. Es sind auch verschiedene Angebote da.
Gesprächsprotokoll: Daniel Friedrich
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Sendung: Antenne Brandenburg, 01.02.2022, 16:40 Uhr
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