Verwaltung in Berlin - Fünf Bezirke lehnen terminfreie Tage in Bürgerämtern ab

Sa 24.08.24 | 08:25 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Blick in einen Warteraum im Berliner Bürgeramt Pankow. (Quelle: dpa/Jörg Carstensen)
Bild: dpa/Jörg Carstensen

Um den Berlinerinnen und Berlinern mehr und vor allem zeitnahe Termine beim Bürgeramt zu besorgen, will der Regierende Bürgermeister Kai Wegner terminfreie Tage einführen. Doch in den Bezirken wächst der Widerstand gegen die Pläne. Von Sebastian Schöbel

Mit "großen Würfen" und "Gamechangern" will Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) die Verwaltung der Stadt modernisieren. Dabei ist sein letzter Vorschlag eher ein Rückgriff auf Altbekanntes: terminfreie Tage im Bürgeramt. Im Rahmen eines Experiments will Wegner ausprobieren, ob dadurch der Druck auf das Terminsystem gesenkt und vor allem die Ungeduld vieler Berlinerinnen und Berliner besänftigt werden kann, wenn sie ohne Termin zum Amt gehen können, um dann dort zu warten, bis sie drankommen. "Wir werden alle überrascht sein, dass das funktioniert", kündigte der Regierende unter der Woche an. "Selbst wenn wir nicht alle Bezirke überzeugen, diesen Weg mal mitzugehen, dann machen wir es halt in einer Koalition der Willigen."

Wegners Rückgriff auf einen seit dem Irakkrieg durchaus belasteten Begriff könnte jedoch zum schlechten Omen für sein Berliner Experiment werden: Denn in den Bezirken braut sich teils heftiger Widerstand gegen den terminfreien Tag an. Zudem ist längst nicht klar, ob die Bezirke, die sich offen dafür gezeigt haben, am Ende auch mitmachen.

Fast die Hälfte der Bezirke sagt Nein

Fünf Bezirke sperren sich bereits gegen den Vorstoß. "Eine zusätzliche Belastung, wie durch terminfreie Zeiten, lehne ich ab", sagt Wegners Parteikollegin Emine Demirbüken-Wegner, Bezirksbürgermeisterin von Reinickendorf. Sie befürchte vor allem einen Rückfall in die Zeiten, als in Berlins Amtsstuben stundenlang schwer genervte Bürger:innen Schlange standen, mit einer Wartemarke in der Hand und jeder Menge Frust im Bauch.

Solche Szenen habe man zuletzt auch in Potsdam und Köln erleben können, wo ebenfalls terminfreie Tage angeboten werden. Das seien dort "teilweise chaotische Zustände", pflichtet ihr Oliver Nöll (Linke) bei. Der stellvertretende Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg sorgt sich vor allem um die Sicherheit der Mitarbeitenden: Seit der Corona-Pandemie sei die Zahl der Übergriffe stark gestiegen. "Eine Situation, wo einige hundert Menschen vor der Tür stehen, die dann wahrscheinlich nicht dran kommen an dem Tag, stelle ich mir als sehr schwierig vor", so Nöll.

Ähnlich ablehnend sieht man das in Marzahn-Hellersdorf und Pankow. Auch in Tempelhof-Schöneberg stehe der terminfreie Tag "derzeit nicht auf der Agenda", so der zuständige Bezirksstadtrat Matthias Steuckardt (CDU). Tempelhof-Schöneberg habe seit Einführung der berlinweiten Zuständigkeit jahrelang die meisten Bürgeramtstermine für die Stadt angeboten. "Wenn alle zwölf Bezirke in vergleichbarem Maße aufgestellt wären, wäre das 14-Tage-Ziel bereits seit geraumer Zeit erreicht", so Steuckardt.

Weg vom 14-Tage-Ziel

Vom Ziel, allen Berliner:innen innerhalb von zwei Wochen einen Bürgeramtstermin bieten zu können, hatte sich Wegner zuletzt allerdings ohnehin verabschiedet. Das sei vielen Menschen "ehrlicherweise gar nicht so wichtig", meinte Wegner unter der Woche. In den Bezirken kam das jedoch nicht gut an. "Das war über zwei Landesregierungen das große Ziel", kritisiert Bezirksstadtrat Nöll. Mit neuer Software und weiterer Digitalisierung sei man eigentlich auf dem Weg dorthin gewesen. "Ich habe überhaupt kein Verständnis, dass man jetzt populistisch eine neue Kuh durchs Dorf treibt."

Die Digitalisierung bleibt der große Hoffnungsträger in vielen Rathäusern. Gerade mit der Onlinevergabe von Terminen in Berlin habe sich das Angebot drastisch verbessert, sagt Demirbüken-Wegner. "Wichtiger aus unserer Sicht ist neben mehr Personal vor allem eine moderne und funktionierende Technik, um die Terminvergabe in den Bürgerämtern zu beschleunigen." So arbeite Reinickendorf bereits mit Ausweisautomaten für Perso und Pass, das entlaste die Bezirksämter und soll nun weiter ausgebaut werden.

"Wenigstens versuchen"

Sollte Wegner sein Termin-Experiment dennoch durchführen, wären bislang also nur knapp die Hälfte der Bezirke dabei. So wie Mitte, wo der stellvertretende Bezirksbürgermeister Carsten Spallek (CDU) überzeugt davon ist, zumindest auszuprobieren, ob die Idee funktionieren kann. Vom Wachschutz bis zum Management eines Massenansturms bei schlechtem Wetter gebe es viele offene Fragen zu klären, so Spallek. "Aber ich glaube, wir müssen es versuchen, denn so, wie es ist, kann es nicht bleiben."

Seiner "Mini-Koalition der Willigen" sicher sein kann sich der Regierende allerdings auch nicht: Einige Rathäuser teilen auf Nachfrage des rbb mit, dass sie durchaus noch Bedenken haben. So lässt Spandaus Bezirksstadtrat für Bürgerdienste, Gregor Kempert (SPD), mitteilen, sein Bezirk sei an Bord. "Das Modell kann jedoch nur ein Erfolg sein, wenn alle Bezirksämter an diesem Tag die terminfreien Zeiten anbieten, da sonst voraussichtlich einzelne Bürgerämter überrannt werden." Gut möglich also, dass einzelne "Willige" noch abspringen, wenn die Nein-Sager bei ihrer Ablehnung bleiben.

Wenn Digitalisierung am Perso-Pin scheitert

Dass übrigens auch die Digitalisierung kein Allheilmittel für die Termin-Misere der Berliner Bürgerämter ist, zeigt das Beispiel der An- und Ummeldung des Wohnsitzes. Beides soll man in Berlin ab Oktober online erledigen können. Das spare rund eine halbe Million Bürgeramtstermine, jubelte Wegner. "Das könnte tatsächlich ein Gamechanger sein." Der Haken: Für diesen Service braucht man die Online-Funktion des Personalausweises, die allerdings nur mit einem Pin freigeschaltet werden kann. Wer den nicht oder nicht mehr hat, muss einen neuen beantragen – was nur persönlich im Bürgeramt geht. Mit Termin, versteht sich.

Sendung: rbb24 Abendschau, 23.08.2024, 19.30 Uhr

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Beitrag von Sebastian Schöbel

95 Kommentare

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  1. 95.

    Antwort auf "Karin B." vom Samstag, 24.08.2024 | 11:08 Uhr
    "Das hat doch vorher mit Wartenummern besser funktioniert als heutzutage. " Das hat nur so lange funktioniert, bis einige daraus ein Geschäft gemacht haben. Gleich früh 10 Nummern gezogen und die dann den Leuten verkauft, die keine mehr bekommen haben. Das müsste also anders organisiert werden, Perso als Pfand für die Wartenummer oder so.

  2. 94.

    Nein, wenn man keinen Termin bekommt, daß bedeutet Chaos. Ich bin für die Terminfreien Tage und warte auch gerne, wenn mein Anliegen schnell erledigt wird.

  3. 93.

    Dünnes Eis auf welchem Sie wandeln. Wer wen getroffen hat, bemerkt man an Ihrer Reaktion. Komisch, was Sie und andere einem ständig versuchen, suggerieren zu wollen. Also ich bin völlig entspannt und mein Engagement entspricht dem in der Arbeit: immer versuchen, das Beste aus der prekären Situation zu machen, für die man als Angestellter nichts ursächlich kann. Verwunderlich auch Ihre Reaktionen wider besseren Wissens als angeblich Ehemalige.
    Bleiben Sie gesund. Tschüß.

  4. 91.

    Kann man so pauschal leider nicht sagen. Ich kenne jemanden von der Deutschen Rentenversicherung Bund. Da gibt es alle naselang sogenannte Updates, die regelmäßig erstmal nicht funktionieren/Kinderkrankheiten haben, und die Mitarbeiter zu Beta-Testern macht. Manchmal denke ich, mit voller Absicht....

  5. 90.

    Ich verstehe das ganze Gezerre nicht. Sollten solche Vorhaben zur Verbesserung des Services in den Bürgerämtern in und mit den Bezirken beraten werden, bevor man damit an die Öffentlichkeit geht? Mit der Methode "einer macht einen unausgegorenen Vorschlag und die Hälfte derer, die ihn umsetzen sollen, sind dagegen" werden wir wohl kaum so richtig vorwärts kommen. Aber diese Arbeitsweise ist ja leider mittlerweile auch im Bund so üblich. Da werden Gesetze verabschiedet, von denen selbst nach dem Inkrafttreten noch niemand weiß, wie und von wem sie in der Praxis umgesetzt werden sollen.

  6. 89.

    Bis vor zwei Jahren war ich dort tätig und weiß wovon ich rede. Daher begleite ich nun ehrenamtlich Menschen bei Behördengängen und erlebe direkt die andere Seite. Und was machen Sie, außer mich hier anzumachen?

  7. 88.

    Ich merke, dass die X und Y-er gerade den Aufstand proben (am besten noch den Fahrtweg bezahlt bekommen/Freizeitsport als Arbeitszeit fordern etc) und die GenZ eigentlich die entspannteste Fraktion von allen ist und ja, GenZ kann auch hart arbeiten.

  8. 84.

    Das leidige Thema geht seit Jahren ohne dass sich was geändert hat. Es nervt einfach, wenn man zum Bürgeramt muss. Und mir egal, woran es liegt. Es ist Aufgabe des Landes, es endlich in den Griff zu bekommen. Es gibt genug Fachleute. Die laienhaften Vorschläge von außen sind zwar Denkanstöße, aber die Profis müssen es lösen.

  9. 83.

    Ich finde es ja witzig, wie Herr Wegner meint, das spart 500.000 Termine im Jahr. Und wer bearbeitet dann die 500.000 Ummeldungen/Anmeldungen. Bloß weil online, ist der Vorgang doch nicht bearbeitet.

  10. 82.

    Sie haben wohl noch nicht mitbekommen, dass Führerscheine, je nach Ausstellungsdatum und Alter des Besitzers, so nach und nach ungültig werden, EU Vorschrift

  11. 81.

    Wenn Sie so fleißig (gern 7 Tage pro W) arbeiten,wie Sie meckern u. fordern...
    Bewerben Sie sich f. d. ÖD. Überall werden fleissige,motivierte MA gesucht.Denn d."Babyboomer" gehen i. d. Ruhestand, d. Generationen X / Y halten ALLES am Laufen u. d. Z-ler fordern u. drängeln u. kleben u. suchen die Balance... Ja,es gibt Ausnahmen...
    Die MA in den Bürgerämtern arbeiten gut. Menschen sind keine Maschinen.Täglich mit fordernden, unzufriedenen...Bürgern umzugehen, ist sehr herausfordernd !

  12. 80.

    „ Kann man alles im weltweiten Netz erfragen und muss dafür nicht ständig Jammern und Meckern.“ Ihre Worte. Das nennen Sie sachlich? Aha….

  13. 79.

    Sie werden sich wundern, ich war mal da tätig vor der Rente. Aber so wie Sie hier reagieren, auch ggü anderen, merke ich, wir haben getroffen. Einfach so viel Energie in die Arbeit stecken, wie Sie hier antworten, würde schon helfen. Es gibt Kollegen, die schaffen mehr Kunden pro Tag als andere. Zur IT kann man sich fortbilden oder einfach üben. Die Nachbearbeitung würde man bemerken, ich meinte Kollegen, die nur beschäftigt tun. Sie kennen diese auch…

  14. 78.

    "Weg vom 14-Tage-Ziel"!
    Weg zum 14-Tage-Ziel?

  15. 77.

    Ich sag es mal so. Jeder Termin, der frei bleibt, raubt Zeit. Nummer wird aufgerufen, dann wartet man darauf dass der Kunde kommt, nach gewisser Wartezeit, wenn keine ins Zimmer kommt, ruft man den nächsten. Passiert das mehrmals am Tag, ist der Leerlauf so, dass man locker zwei zusätzliche Kunden hätte bedienen können. Ist das Wartezimmer voll, da keine Termine vergeben werden, steht immer jemand auf der Matte.

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