Pro-palästinensische Demonstrationen - Berliner Justiz "irritiert" über Polizei-Aussagen zu ihrer Arbeit
Wiederholt hat die Berliner Polizei bei pro-palästinensischen Demonstrationen Menschen festgenommen. Wie die Justiz anschließend mit den Straftätern umgeht, sieht die Polizei kritisch. Die Aussagen stoßen in Justizkreisen auf Unverständnis.
Äußerungen von Berliner Senat und Polizei zur Arbeit der Justiz rund um die Nahost-Demonstrationen sorgen für Verärgerung.
Wie der rbb erfuhr, sind Gerichtskreise "irritiert" darüber, dass sowohl Polizeipräsidentin Barbara Slowik als auch Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) am Montag im Innenausschuss den Wunsch äußerten, Richter sollten die rechtlichen Möglichkeiten etwa zur Ingewahrsamnahme von Straftätern bei pro-palästinensischen Demonstrationen "öfter ausschöpfen". Slowik sagte zudem, die Polizei warte "dringend auf mehr Urteile".
Polizei enttäuscht bei Anschlussgewahrsam
In Justizkreisen werden diese Aussagen als unzulässige Einmischung in die Unabhängigkeit der Gerichte gesehen, von offizieller Stelle kommt außerdem inhaltlicher Widerspruch. Staatssekretär Hochgrebe hatte erklärt, bei den Demonstrationen rund um den Nahost-Krieg habe es nur einmal Anschlussgewahrsam gegeben und hinzugefügt, das sei "weniger als das, was wir vorbereitet und beantragt hatten."
Dem widerspricht die Sprecherin der Berliner Strafgerichte, Lisa Jani. Sie sagte dem rbb auf Nachfrage, die Polizei habe lediglich den einen Antrag gestellt und diesem sei entsprochen worden. Durch Anschlussgewahrsam können Wiederholungstäter vorsorglich für einige Tage eingesperrt werden, um etwa ihre Teilnahme an zukünftigen Demonstrationen zu verhindern.
"Besser richtig als schnell"
Für Irritationen sorgt auch die Aussage von Polizeipräsidentin Slowik, es gebe bisher nur eine "sehr, sehr geringe Anzahl von Urteilen" rund um den Nahost-Komplex, während die Polizei "dringend" auf weitere warte. Es gehe darum, Rechtssicherheit zu haben, so Slowik, etwa bezüglich der Strafbarkeit gewisser Protestrufe.
Michael Petzold, Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, weist gegenüber dem rbb darauf hin, bei Strafverfahren sei "jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob der hinreichende Tatverdacht vorliegt". Erst dann könne Anklage erhoben beziehungsweise ein Strafbefehl beantragt werden. Laut Petzold gingen bei der Staatsanwaltschaft bisher 3.197 Verfahren mit Bezug zu Nahost und dem Demonstrationsgeschehen ein, mehr als 80 Prozent davon seien bereits abgeschlossen. 363 Mal habe es Anklagen gegeben, bisher seien 20 Urteile rechtskräftig. Vier Mal entschieden die Richter auf Freiheitstrafe mit Bewährung, der Rest waren Geldstrafen. Mit Blick auf die Forderung der Polizeipräsidentin nach mehr Urteilen heißt es aus Justizkreisen: "Besser richtig als schnell".
Sendung: Fritz vom rbb, 15.10.2024, 17:30 Uhr