Wechsel von Robin Gosens - Ein Nationalspieler für den 1. FC Union

Mi 16.08.23 | 06:05 Uhr | Von Till Oppermann
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Robin Gosens im Trikot des 1. FC Union vor der Berliner Skyline (twitter/@fcunion)
Video: rbb24 | 15.08.2023 | Torsten Michels | Bild: twitter/@fcunion

Mit Robin Gosens verpflichtet Union Berlin zum ersten Mal einen deutschen Nationalspieler. Finanziell ist der Transfer ein Risiko, aber dafür bekommen die Eisernen einen Spieler, der schon nachgewiesen hat, dass er perfekt ins System passt. Von Till Oppermann

Als hätte Oliver Ruhnert als Amateurschiedsrichter, Stadtrat seiner Heimatstadt Iserlohn und nicht zuletzt als erfolgreicher Sport-Geschäftsführer des 1. FC Union nicht genug zu tun, brach er in den letzten Wochen einen vielbeachteten Streit vom Zaun. Aus Wut über die wiederholte Nichtberücksichtigung seiner Spieler Robin Knoche und Rani Khedira warf er Hansi Flick vor, die Nationalmannschaft nicht nach Leistung zusammenzustellen.

Der Angesprochene keilte eilig zurück: Vorwürfe, er würde nicht nach Leistung aufstellen, seien eine "große Dreistigkeit". Ruhnert kam trotz dieser Dreistigkeit zu seinem ersten Union-Nationalspieler. Der neue Rekordeinkauf Robin Gosens gehört fest zum Kreis der DFB-Elf.

Eine Wegmarke für Union

Mit seiner Kritik an Flick untermauerte Ruhnert seinen Anspruch, einer der Meinungsführer der Bundesliga zu sein. Mit dem Transfer von Gosens untermauerte er wiederum den Anspruch der Eisernen, zur Spitzengruppe der Bundesliga zu gehören. Und dabei soll Gosens auf und neben dem Platz eine tragende Rolle einnehmen, kündigte Manager Ruhnert bei der Vorstellung seines neuen Spielers an. "Mit Robin konnten wir einen Spieler verpflichten, der für Einsatzwillen, Mentalität und Mannschaftsgeist steht. Diese Eigenschaften haben wir gesucht und glauben, mit der Verpflichtung von Robin eine wichtige Verstärkung für unser Spiel gewonnen zu haben", schwärmte der sonst so nüchterne Ruhnert weiter.

Verständlicherweise, denn Gosens ist in jeder Hinsicht außergewöhnlicher Transfer für Union. Die Ablöse von 15 Millionen Euro verdoppelt beinahe den Vereinsrekord, der abgebende Verein stand kürzlich noch im Champions-League-Finale und als Nationalspieler strahlt Gosens nach ganz Deutschland.

Noch wichtiger als dieses Prestige: Auch der VfL Wolfsburg war dringend an einer Verpflichtung interessiert, aber Union setzte sich letztlich durch. Zwar sind Investorenklubs wie die Niedersachsen weiterhin finanziell besser aufgestellt, doch durch die Champions-League-Teilnahme und das allgemeine Wachstum des Vereins hat der 1. FC Union aufgeholt und gehört nun auch auf dem Transfermarkt zu den besseren Adressen der Bundesliga. Wer in zehn Jahren über die Entwicklung der Eisernen in den 2020er-Jahren berichtet, wird sich an den Gosens-Transfer erinnern müssen. Finanziell gehen die Eisernen ins Risiko: Neben der Rekordablöse wird der Neue zum Topverdiener. Und das, nachdem er in 58 Spielen bei Inter nur dreimal über die volle Distanz gespielt hat.

Sportlich ergibt der Transfer für beide Seiten Sinn

Schon vor über einem Monat verdichteten sich erste Gerüchte, Union wolle Gosens unbedingt verpflichten. Als sich die Gerüchte nicht zu Fakten erhärteten, spekulierten manche, er wolle lieber zu einem Verein wechseln, der mit einer Viererkette spielt, um sich als Linksverteidiger für Flicks System in der Nationalelf endgültig unverzichtbar zu machen. Unter Urs Fischer wird sich Gosens auf dieser Position nicht zeigen können. Im 3-5-2-System steht seine Rolle fest: Er soll als Schienenspieler die linke Seite bespielen.

Gosens' Form könnte das gut tun. In den anderthalb Jahren bremsten ihn Verletzungen und mäßige Leistungen. Und Inters System, in welchem die Flügelspieler weniger vertikal agieren als bei Union, dafür aber mehr im Kombinationsspiel gefragt sind. Doch Gosens' Stärken liegen in seiner Dynamik, seiner Körperlichkeit, guten Flanken und klugen Laufwegen auf den langen Pfosten. Stärken, auf die das Spiel von Atalanta Bergamo ausgelegt war, wo Gosens vor dem Wechsel zu Inter zu den besten Spielern der Serie A gehörte.

Da trifft es sich gut, dass sich Urs Fischers Flügelspiel seit Jahren erfolgreich der Ideen des Bergamo-Trainers Gianpiero Gasperini bedient und der Trainer bei Union ebenfalls auf Flügelverteidiger setzt, die viele Flanken schlagen und konsequent in den Strafraum nachrücken, um Torgefahr zu erzeugen.

Gosens ist kein typischer Profi

Das große Karriereziel von Robin Gosens ist die EM 2024 im eigenen Land. Ohne dieses Turnier hätte Union wohl keine Chance auf den Transfer gehabt, selbst mit der Champions League als Argument. Jemand wie Gosens wechselt nicht, um sich auf die Bank zu setzen, auch wenn sein Konkurrent Jerome Roussillon in der letzten Rückrunde zu den besten Unionern gehört. Sein Anspruch war ein Stammplatz beim Champions-League-Finalisten Inter. Aber dieser sportlich sehr ehrgeizige Robin Gosens hat noch andere Seiten. Bis zur A-Jugend kickte er mit seinen Kumpels beim kleinen VfL Rhede im Münsterland, erst dann entdeckten ihn Scouts von Vitesse Arnheim aus den Niederlanden.

Über die Provinzvereine Dordrecht und Almelo spielte er sich auf das Radar von Atalanta – in Deutschland spielte Gosens noch nie in einer hohen Spielklasse. Dafür hat er während seiner Zeit in Italien etwas erreicht, was die wenigsten Fußballer schaffen: einen Bachelor in Psychologie. Und in einer Sache spricht Gosens schon ganz wie Union-Präsident Dirk Zingler: "Wir Fußballer leben in einer Parallelwelt und brauchen die familiäre Erdung", sagte der junge Familienvater über Zeit mit seinem neugeborenen Sohn.

Dass auch sein neuer Klub immer wieder über Erdung durch die "Union-Familie" spricht, könnte ihm sein neuer Chef Oliver Ruhnert beim Mittagessen erklären. Was dann auf den Teller kommt, verriet Gosens vor einigen Wochen bei der Nationalmannschaft: "Ich sage seit sechs Monaten zu meiner Frau, wir müssen nach Deutschland, ich brauche endlich mal wieder einen richtigen Döner." Zumindest in dieser Hinsicht ist Robin Gosens in Berlin genau richtig.

Sendung: rbb24, 15.08.2023, 18 Uhr

Beitrag von Till Oppermann

17 Kommentare

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  1. 17.

    Warum sollte man diese Textzeile ändern bzw. ersetzen? Wenn der FCU nun aufgrund seines Erfolgs in den letzten Jahren ausgiebiger als zuvor in neue Spieler investiert, verkauft er sich doch nicht an irgend jemanden. Die Lyrics der Hymne stammen von 1997, also aus einer Zeit, als szn. der halbe Osten vom Westen "aufgekauft" wurde.
    Man kann zu dieser Zeile stehen wie man will, und mir persönlich war sie auch immer etwas zu plakativ, aber sie ist nun mal seit 25 Jahren etabliert - und wird heute eher als Metapher dafür angesehen, dass man ganz bei sich und seinen Werten bleibt und nicht blindlings irgendwelchen Verlockungen oder in einen Größenwahn verfällt.

  2. 16.

    ".....wer lässt sich nicht vom Westen kaufen...."
    Union muss mitmachen um dabei zu bleiben, mal sehen, wie lange die Hymne mit Text noch bleibt.....
    inhaltlich, heißt, strategisch ist "der Westen" halt dabei und wir spielen weiter mit, EISERN !!!!

  3. 15.

    Wenn du Kruse schon erwähn'st. Na, klingelt's ? Der hat UNION nach Europa geschossen und 5,5 Mio Ablöse gebracht. UNION ist eben nicht Pauli oder Hertha
    EISERN

  4. 14.

    Dann einfach mal FC St. Pauli in die Suchmaschine eingeben.
    Der fast insolvent gegangene 'kultige Kiezklub' baut sich 'Stück um Stück' ein neues Stadion, verpflichtet Spieler die zum Verein passen (u.a. Max Kruse), holt sich für die erste Liga den damaligen Nationalspieler Gerald Asamoah...
    Na, klingelt's?
    Ich will mir nicht umsonst in den 70ern im zugigen Oly die Stimme für Union heiser geschrien haben!
    Daher drücke ich wirklich ernsthaft die Daumen.

  5. 13.

    Was weißt du denn über UNIONS Gehaltsgefüge? Wenn du das Gehalt von Gosens kennst, solltest du schnellstens als Reporter bei einem Bild endem Boulevardblatt anheuern. Und was bitteschön, soll UNION von Hertha lernen? GAR NICHTS!!! UNION sucht erfolgreich seit Jahren nach Spielern, die zum Spielstiel von UNION passen. Das ist eine konstante Strategie. Am anderen Ende der Stadt, hatte man eine Solche nicht .
    EISERN

  6. 12.

    Über eines sollte man sich im Klaren sein: es kann und wird auch bei Union nicht immer aufwärts gehen. Man muss allerdings auch bereit sein, was Neues zu probieren, sonst stagniert man. Da die richtige Balance zu finden, ist sicher nicht einfach. Was m.M. nach am Wichtigsten ist, rechtzeitig zu erkennen, falls man den falschen Weg eingeschlagen hat. Dabei wünsche ich Union viel Glück!

  7. 11.

    ich leg mich mal fest: Bei Abgang Becker, Skarke, Jordan, ggf.Laidouni wird Union noch (nebst Volland) ne international erfahene 1,90 plus Kante für vorne rankarren !

    Dann isses echt beinahe so wie "drei ecken ein elfer".

    schonmal gegen Teams Standards verteidigt, die im Schnitt nen Kopp grösser sind und dann mit Leuten wie Khedira und Haberer im Rückraum ?

    Jobzufriedenheit schlägt Gier... schöne Geschichte ! (Gosens wird weniger verdienen, als bei Aussitzen seines Mailand-Vertrages)... Volland hat anscheinend Bock aufs Projekt... fehlt eben echt nur noch nen krasser 9er !

    Ist mir dann echt egal, ob Bonucci oder Heintz IV-Option ist. Taktisch (wohl immer von 5 hinten ausgehend) gibts da tausend denkbare, auch spielstandbedingte Denkmodelle... Volland und Fofana mal von der Bank kommend ? Wow !

    Ich behaupte mal: Union muss keinen neuen Trainer suchen, weil der Sportdirex zu knausrig war !

  8. 10.

    ....vielleicht wird er noch besser, beim HSV wurden gekaufte gute, sehr gute Spieler im laufe der Zeit immer mittelmäßiger bis schlechter....ist immer Risiko, Mané bei Bayern hat ja auch nicht funktioniert...

  9. 9.

    Union spielt mit dem Feuer. Mal schauen ob Urs die neue Mannschaft moderieren kann oder der Erfolg vorbei ist.

  10. 8.

    Union hat jede Bundesligssaison so viel gekauft nur in einer anderen Preisklasse oder geliehen.So ist das Fussballgeschäft.Ich bin da ganz entspannt.Wir sollten nur nie vergessen, wo wir herkommen. U.N.V.E.U.

  11. 7.

    "Mit diesen Entwicklungen wird Union jede Menge Modezuschauer anziehen und sich schön vermarkten."
    Modezuschauer kann Union nicht anziehen. dazu müssten sie mindestens Mitglied werden. Anders kommt man an Karten gar nicht ran.
    Vermarktung gehört zu jedem Geschäft. Schließlich will man Investitionen auch wieder hereinholen. Dabei ist erstmal nebensächlich, wie hoch die Investitionen sind, wenn das Potential für die Vermarktung da ist.

  12. 6.

    Nein, das Gesicht jedes Menschen verändert sich im Laufe der Jahre. Und das Gesicht von Union ist strahlend, glänzend, stolz und bescheiden - wie eh und je! U.N.V.E.U.

  13. 5.

    jetzt verliert union sein "gesicht". ... schade.

  14. 4.

    Wenn plötzlich viel gekauft wird, besteht immer die Gefahr, dass es schiefgeht. Dafür muss man nicht mal nach Charlottenburg schauen. Es gibt genügend andere negative Beispiele. Irgendwie auch schade, dass Union den bisherigen Weg verlässt. Verein, Spieler, Fans- eine Einheit. Mit diesen Entwicklungen wird Union jede Menge Modezuschauer anziehen und sich schön vermarkten. Hat St. Pauli unsympathischerweise vorgemacht.

  15. 3.

    Ich habe auf längere Sicht kein gutes Gefühl bei dem Deal. Nichts gegen gosens, toller Fußballer, aber ich finde er ist zu teuer eingekauft. Bei inter nur 3x über die volle Distanz gespielt, sonst nur Bank oder als joker gekommen, dafür ist der Preis einfach zu hoch.
    " Wer läßt sich nicht vom Westen kaufen" warten wirs mal ab, wies weiter geht.
    Aber trotzdem herzlich willkommen und EISERN UNION

  16. 2.

    Mega!

  17. 1.

    Dachte, Union hätte aus den bitteren Fehlern von Hertha gelernt: teurer Transfers, Verschiebung des Gehaltsgefüges, usw.
    Ich drücke dennoch die Daumen, dass das 'Experiment' klappt.

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