FAQ zum Dialogforum - So steht es um eine mögliche Berliner Olympia-Bewerbung
Sollte Berlin sich als Austragungsort für die Olympischen Spiele 2036 bewerben? Diese Frage wird am Sonntag im Rahmen des "Dialogforums Olympiabewerbung" diskutiert. Während der Berliner Senat sich eine Bewerbung wünscht, gibt es auch Skepsis.
Deutschland und die Olympischen Sommerspiele hatten zuletzt eine eher belastete Beziehung. Das lag weniger daran, dass sich der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und die Städte nicht um mögliche Bewerbungen, Olympia bei sich auszutragen, bemüht hätten. Vielmehr scheiterten eben jene Versuche daran, die lokale Bevölkerung für diese Unternehmung zu begeistern. Daraus wollen alle Beteiligten lernen, weshalb in Vorbereitung auf eine mögliche Bewerbung der Olympischen Spiele die Bevölkerung stärker in die Planungen involviert werden soll.
Hierfür hat der DOSB das "Dialogforum Olympiabewerbung" ins Leben gerufen – eine Initiative, bei der mögliche Austragungsstandorte in die Debatte treten sollen. Verantwortliche aus Sport und Politik treffen auf Bürgerinnen und Bürger, um die Machbarkeit einer Austragung und Ideen für die Bewerbung zu diskutieren. Am kommenden Sonntag findet das Dialogforum auch in Berlin statt, denn: Die deutsche Hauptstadt könnte sich für die Olympischen Spiele 2036 oder 2040 bewerben. Dazu gibt es allerdings noch viele Fragen.
Was ist das Programm für das "Dialogforum Olympiabewerbung"?
Ab 10:30 Uhr können Interessierte das Dialogforum, das unter dem Namen "Deine Ideen. Deine Spiele" läuft, besuchen – dann öffnen sich die Türen des Futuriums am Alexanderufer. Zwischen 11 und 15 Uhr finden mehreren Dialogrunden und Vorträge statt, die den Austausch über eine mögliche Bewerbung Berlins anregen sollen. "Wir wollen nicht die Fehler der Vergangenheit machen und mit einem fertigen Konzept in die Öffentlichkeit gehen", sagten der Präsident des Landessportbundes Berlin, Thomas Härtel und Verbandsdirektor Friedhard Teuffel im Gespräch mit der "Berliner Morgenpost".
Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister Berlins und Iris Spranger (SPD), Senatorin für Inneres und Sport, werden für Berlins Regierungskoalition vor Ort sein. Klara Schedlich (Grüne), Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, komplettiert die Politikrunde. Darüber hinaus stellen sich auch Thomas Härtel, Präsident des Landessportbunds Berlin, und Oliver Stegemann, Vizepräsident des DOSB, dem Austausch. Mit Ronald Rauhe, zweifacher Kanu-Olympiasieger und gebürtiger Berliner, findet sich auch eine Stimme aus dem Sport wieder.
Wie steht die Berliner Landesregierung zu einer Bewerbung?
Wörtlich heißt es zu einer Bewerbung für Olympia im Koalitionsvertrag: "Die Koalition bekräftigt die Bereitschaft, dass Berlin als ein Austragungsort im Rahmen einer möglichen nationalen Bewerbung mit einem nachhaltigen Konzept um die Durchführung von Olympischen und Paralympischen Sommerspielen in Deutschland zur Verfügung steht." Der Regierende Bürgermeister Wegner fühlt sich von der erfolgreichen Austragung der Special Olympic Games in diesem Jahr bestätigt, dass Berlin internationale Sportgroßveranstaltung könne. Er sagt: "Berlin ist bereit für die Olympischen und Paralympischen Sommerspiele im Jahr 2036 oder 2040."
Auch Koalitionspartner SPD spricht sich für eine Bewerbung aus. "Eine Bewerbung um die Olympischen Sommerspiele 2036 sehe ich als Chance, Berlin als weltoffene, internationale und inklusive Metropole zu präsentieren", stellte Innensenatorin Spranger gegenüber dem "Tagesspiegel" klar. Franziska Giffey, ehemalige Regierende und jetzige Wirtschaftssenatorin, hat zwar "keinen Zweifel, dass Berlin als Sportmetropole in der Lage wäre, Olympische Spiele auszutragen", plädiert aufgrund der angestrebten Austragung der Expo 2035 aber auf eine Bewerbung für Olympia 2040.
Wie positioniert sich Berlins Landessportbund?
Thomas Härtel, Präsident des Landessportbunds Berlin, sprach sich bereits im Juli klar für eine Bewerbung Berlins für 2036 aus. "Wir würden gerne mit München und Warnemünde ins Rennen gehen", sagte er dem "Tagesspiegel". Die Ausrichtung in jenen drei Städten sei laut Härtel aus mehreren Gründen eine gute Idee: "Ein positiver Effekt wäre, dass sich die Sportinfrastruktur in dieser Stadt verbessern würde, genauso wie die öffentlichen Verkehrsmittel."
Was macht eine Bewerbung für das Jahr 2036 so brisant?
Das Jahr 2036 ist nicht zufällig gewählt – es hat eine besondere Bedeutung für die Stadt. 1936 fanden die Olympischen Spiele in Berlin statt, sie dienten als mächtiges Propaganda-Werkzeug des nationalsozialistischen Regimes unter Adolf Hitler mit internationalem Prestige. 100 Jahre später könnte Berlin die Chance ergreifen, das besondere Jubiläum mit historischer Verantwortung für sich zu nutzen. Man könne, so LSB-Präsident Härtel, mit dem Rückblick ein Zeichen setzen, wohin sich Deutschland entwickelt habe – "zu einem demokratischen, friedvollen und weltoffenen Land".
SPD-Fraktionschef Raed Saleh äußerte jedoch Bedenken, Rechtspopulisten mit jenem Datum eine Bühne zu bieten. Auch Grünen-Fraktionschef Werner Graf ist skeptisch, er erwartet bei einer offiziellen Bewerbung Berlins "zivilgesellschaftlichen Widerstand". Das gewählte Datum ist also höchst brisant und dürfte neben den Fragen nach der infrastrukturellen und personellen Machbarkeit weitere Diskussionen nach sich ziehen.
Wie sahen die letzten Berliner Gehversuche aus?
Berlin hat eine bewegte und wenig erfolgreiche Bewerbungshistorie. Vor 30 Jahren, im Jahr 1993, scheiterte die deutsche Hauptstadt bereits im zweiten IOC-Wahlgang. Berlin erhielt nur neun von 88 Stimmen, Sydney setzte sich am Ende für die Austragung der Olympischen Spiele 2000 durch. Es war das große Prestigeprojekt der damaligen Regierung, musste aber eine vernichtende Niederlage gegen die zivilgesellschaftlich angelegte "Nolympia"-Kampagne hinnehmen.
Viele Berlinerinnen und Berliner befürchteten, dass die gerade vereinigte Stadt sich mit der Austragung überheben könnte und stemmten sich gegen die Bewerbung – mit Erfolg, das IOC war sichtlich abgeschreckt. "Das IOC hatte nicht den Eindruck, die Stadt wolle die Spiele wirklich", erinnerte sich Thomas Bach, damals deutsches IOC-Mitglied und seit langem Komitee-Präsident, im "Tagesspiegel" zurück.
Was erhofft sich Berlin von diesem Event?
Das Austragen der Olympischen Spiele wäre für Berlin kein reiner Selbstzweck. Ziel ist, solch ein Großereignis dafür zu nutzen, in die bestehenden Strukturen und Sportanagen zu investieren, wovon die lokalen Sportvereine nachhaltig profitieren sollen. "Ziel muss es dabei sein, dass die Infrastrukturkosten durch die Nutzung bestehender Stadien und Hallen als Wettkampfstätten und der bereits bestehenden Hotelkapazitäten gering gehalten werden", heißt es dazu im Koalitionsvertrag. "Verantwortungsvolle Investitionen sollten vor allem in die als Trainingsstätten zu nutzenden Sportstätten erfolgen. Die sanierten und modernisierten Sportstätten stehen nach Abschluss der Spiele für vielfältige Nutzungen dem Sport in Berlin zur Verfügung."
Dieses Vorhaben ist ganz im Sinne des Landessportbundes. "Wenn ich auf Städte wie München und Berlin schaue, dann haben wir 90, 95 Prozent der Sportstätten, die wir benötigen. Die müssen aber auch fit gemacht werden. Dafür bietet Olympia eine entsprechende Chance", erklärte Präsident Härtel im Oktober die Wirkung von Sportgroßereignissen mit entsprechendem Beispiel: "Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland wurde in meinem Heimatbezirk Steglitz das Stadion Lichterfelde ordentlich saniert. Davon profitiert heute Viktoria - gerade auch die aufstrebende Frauen-Mannschaft und alle Sportbegeisterten."
Sendung: rbb24, 8.11.2023, 18 Uhr