Preussen Berlin Capitals - Die Wiedergeburt des Westberliner Eishockeys?
Anfang der 90er spielte die Nummer eins im Berliner Eishockey im Westend. Zehn Jahre später waren die Preussen Berlin Capitals insolvent. Jetzt soll ein Neustart gelingen - mit einem neuen Plan und begleitet von bekannten Berliner Problemen. Von Toni Lukic
Die Töne sind leiser geworden bei den Berlin Capitals. Oder dem, was von dem ehemaligen Eishockey-Topklub noch übrig geblieben ist. "Die Preussen Berlin Capitals stehen für Geschichte, Tradition und Erfolg. Jedoch werden nicht große Worte uns den Weg weisen, sondern vielmehr unsere Taten und Erfolge." So steht es in einem Statement der Berlin-Capitals-Partner zur Neugründung des Vereins [eishockey-magazin.de].
Eine Gruppe aus Ex-Spielern und -Coaches schickt sich - angeführt vom schwedischen Eishockey-Manager und -Autor Olof Erikzon - an, Westberlins große Eishockey-Tradion wiederzubeleben. Mehr als zwanzig Jahre nach dem Lizenzentzug in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL).
Legende Holzmann: "Es ist ein harter Weg"
Langfristig wollen sie wieder ein Gegengewicht zu den dominierenden Eisbären aus dem Osten der Stadt schaffen. "Ob uns das gelingt, ist eine andere Geschichte. Es ist ein harter Weg", sagt Caps-Legende Georg Holzmann. "Aber es ist auf jeden Fall einen Versuch wert." "Eisenschorsch" spielte von 1988 bis 1998 für die Caps. Sechs Mal in Folge führte er sie ins Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft.
Seine Nummer "16" hing unter dem Dach der Eissporthalle an der Jafféstraße. 2001 wurde die Spielstätte unweit des Messegeländes abgerissen. Ein Jahr später gab es für den notorisch verschuldeten Verein den endgültigen Lizenzentzug der DEL. 2004 startete man unter dem Namen 'Berliner Schlittschuhclub Preussen' in der Oberliga - um ein Jahr später wieder Konkurs anzumelden.
Größenwahnsinnigen Comeback-Pläne soll es dieses Mal nicht geben. Stattdessen will man den Verein behutsam aufbauen und mit Jugendabteilungen zwischen U13 und U20 starten. Dafür wurden Sichtungstrainingseinheiten mit Talenten in Füssen und Berlin von Ex-Spielern wie Holzmann, Lutz Schirmer oder Uli Egen abgehalten.
Ein Eishockey-Romantiker für die Preussen-Familie
Es bleibt also in der viel beschworenen Preussen-Familie. "Wir sehen seit 20 Jahren, mit wie viel Herzblut Fans und ehemalige Spieler die Tradition von Preussen und den Capitals hochhalten. Es ist eine Ehre, so eine einzigartige Identität zu haben", sagt Olof Erikzon. Es war seine Idee, einen neuen Anlauf zu wagen. Der schwedische Eishockey-Manager war nie Spieler für die Preussen, er hat aber familiäre Beziehungen nach Deutschland. Vor allem aber ist er Eishockey-Romantiker. Zum 100-jährigen Bestehen des schwedischen Eishockey-Verbands schrieb er ein Buch.
"Olof hat ein Herz für Traditionsvereine", sagt auch Holzmann. Es wird allerdings mehr brauchen als Gefallen an Kufen-Folklore. Benötigt wird vor allem Geld. Bisher haben neun Partner für Investitionen Zusagen gegeben. Sie kommen vor allem aus dem skandinavischen Raum. "Die Finanzierung ist solide und gesund. Es gibt alle Möglichkeiten. Das ist wie beim Gang ins Fitnessstudio", erklärt Erikzon. "Du möchtest vielleicht sofort die größten Gewichte stemmen. Aber du musst das angehen, was dein Körpergewicht schaffen kann. So ist das auch mit Partnerschaften, du musst langsam jeden Schritt gemeinsam gehen und in der Balance sein."
Man wolle sich auf keinen Fall überheben. Denn: Finanzielles Scheitern, das ist dem Verein quasi mit in die Wiege gelegt worden. Der BSC Preussen ging 1983 aus dem pleite gegangenen Rekordmeister Berliner Schlittschuh-Club und der eingestellten Eishockey-Abteilung des BFC Preussen hervor. Gastronom Hermann Windler führte den Verein wie ein Familienunternehmen. Unweit der Eissporthalle betrieb er ein Steakhaus. Ein beliebter Treffpunkt für die Mannschaft. Windler selbst stand noch am Grill, während seine Spieler am Tisch aßen.
1987 gelang erstmals der Aufstieg in die erste Liga. Mittlerweile waren die Preussen das sportliche Gesprächsthema Nummer eins in West-Berlin. Hertha BSC und die Reinickendorfer Füchse waren drittklassig, im Westen ging man Ende der Achtziger zum Eishockey. Mit der neuen Erstklassigkeit kam auch neuer Bedarf an adäquaten Spielern für die neuen sportlichen Ambitionen.
Eine geeinte Stadt - zwei Fanlager
Profisportler hatten selten Lust aufs geteilte Berlin. So mussten Westberliner Vereine in der Regel deutlich höhere Gehälter zahlen. Von der sich schon andeutenden finanziellen Schieflage wollte im September 1990 niemand was wissen. Es stand nämlich das erste Derby mit dem EHC Dynamo Berlin an, dem Vorgängerverein der Eisbären. Die Preussen gewannen mit 12:0.
Holzmann erinnert sich an das erste Derby im Wellblechpalast in Hohenschönhausen: "Ich komme zwar aus dem Allgäu, aber du hast schnell mitbekommen, was dieses Spiel bedeutet: Das war Klassenkampf. Wir mussten mit Polizeischutz anreisen."
Anfang der Neunziger war die sportlich erfolgreichste Zeit der Preussen, auch wenn der Schuldenberg immer weiter anwuchs. Trotzdem gönnte man sich teure Stars wie John Chabot oder Tony Tanti. Von 1991 bis 1996 ging es sechsmal in Folge in die Playoff-Halbfinals.
1994 war man Gründungsmitglied der Deutschen Eishockey Liga (DEL), obwohl die Lizenz bei der ersten Prüfung noch verweigert wurde. 1995 war Windler amtsmüde und übergab die Geschäfte an Axel Banghard, Sohn des Immobilien-Tycoons Egon Banghard. Mit aufgeschobenen Schulden gab es plötzlich neue Pläne für eine neue Arena. Aus dem BSC Preussen werden die Preussen Devils, dann die Berlin Capitals.
Die letzte Hoffnung: Dietmar Hopp
Während im Osten der Stadt 1999 mit Anschutz ein zahlungskräftiger Investor bei den Eisbären einstieg, kämpften die 'Caps' langsam aber sicher ums Überleben. 2001 musste der damalige Adler-Mannheim-Besitzer und heutige TSG-Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp seinem Freund Banghard aushelfen und tilgte einen Großteil der elf Millionen Preussen-Schulden.
Es half alles nichts. Im März 2002 standen die Caps nicht nur vor dem finanziellen Abgrund. Kurz vor dem Derby gegen die Eisbären belegte man den vorletzten Platz in der Liga. 1.300 Eisbären-Fans veranstalteten einen Gedenkmarsch, bei dem sie das Derby mit Särgen, Kreuzen und Spruchbändern zu Grabe trugen. Es war bis heute das letzte Derby.
Was fehlt, sind (auch) Eiszeiten
Wieder einmal Berliner Eishockey-Duelle im Profi-Eishockey zu erleben, davon träumen nicht nur die übrig gebliebenen Preussen-Fans. Auch heute noch gibt es bei Eisbären-Heimspielen "Wir hassen den BSC"-Sprechchöre der Fans.
"Was im Seniorenbereich rauskommt, das ist Zukunftsmusik", sagt auch Uli Egen, von 1985 bis 87 Stürmer des BSC Preussen. Von 2000 bis 2002 war er Trainer bei den Eisbären, heute trainiert er die Liege Bulldogs in Belgien. In den Sichtungscamps mit den neuen Preussen-Talente zu arbeiten, das macht er aus alter Verbundenheit zu Preussen.
Talente gebe es genug, sagt er. Das Problem liege bei den Eiszeiten. In Berlin gibt es vor allem wegen der aktuellen Schließung der Eisstadions in Neukölln und des Erika-Heß-Stadions in Wedding schon jetzt zu wenig Eiszeiten für die Eissportgemeinde. Was Egen besonders frustriert: "Es ist teilweise ein Witz, mit den Leuten zu arbeiten." Damit Preussen seine ambitionierten Ziele erreichen und die U-Mannschaften genug Trainingszeit bekommen, brauche es jeden Tag mindestens vier Stunden Eis zum trainieren, sagt Egen: "Sonst kannst du es sein lassen."
Georg Friedrich Prinz von Preußen als Schirmherr
Das sei kein berlin-spezifisches Problem, sagt Olof Erikzon. Wie er dies lösen will, lässt er noch offen.
Einen prominenten sowie kuriosen Unterstützer für die neuen Preussen hat Erikzon aber schon gefunden. Georg Friedrich Prinz von Preußen wird Schirmherr und Ehrenmitglied. Georg Friedrich ist Oberhaupt der brandenburg-preußischen Linie der Hohenzollern. "Wir sehen bei unseren Fans auch einen Stolz bezüglich der preußischen Tradition. Das ist nicht nur ein Gimmick. Prinz Georg freut sich über unser Projekt und wir freuen uns darüber, ihn als Schirmherrn zu gewinnen", erklärt Erikzon das Engagement des Prinzen.
Auch wenn vielleicht nicht alle verbliebenen Preussen-Fans was mit dem Engagement des streitbaren Prinzen anfangen können - Erikzon hat es geschafft, die Preussen-Flamme wieder anzuzünden. Die nächsten Monate werden zeigen, ob sie nur ein Strohfeuer war.
Sendung: rbb24, 20.01.2024 13:00 Uhr