Hertha BSC vor Spiel in Fürth - Alte Dame kämpft gegen Katerstimmung
Der Wiederaufstieg ist in weite Ferne gerückt, der Traum vom Pokal-Finale geplatzt. Hertha BSC will am Sonntag in Fürth den ersten Sieg im Jahr 2024 einfahren. Eine Geschichte könnte sich wiederholen - und Reese steht vor seinem Startelf-Comeback. Von Anton Fahl
Fakten zum Spiel
- Das 5:0 im Hinspiel gegen die SpVgg Greuther Fürth war Herthas bislang höchster Saisonsieg.
- Gelingt in Fürth ein Schuss ins Glück? Die Herthaner haben in der Saison 2023/24 noch kein Freistoßtor erzielt.
- Fürth konnte in der laufenden Saison bislang acht Mal nach einem gegnerischen Ballverlust ein Tor erzielen (Liga-Bestwert).
- Einerseits: Kein Zweitliga-Team schoss in der bisherigen Spielzeit seltener aufs Tor als Hertha (248 Mal). Andererseits: Kein Zweitliga-Team ist effizienter als die Alte Dame, die im Schnitt nur sieben Abschlüsse benötigt, um zu einem Torerfolg zu kommen.
- Berliner Joker sind zu ungefährlich: Erst zwei Mal netzten Einwechselspieler in der laufenden Saison für die Herthaner (Liga-Tiefstwert).
So läuft es sportlich bei der SpVgg Greuther Fürth
Im Windschatten der norddeutschen Top-Teams bringt sich die SpVgg Greuther Fürth vor den entscheidenden Wochen der Saison im Aufstiegsrennen der 2. Fußball-Bundesliga in Stellung. Seit Oktober haben die Mittelfranken in der Liga nur zwei Mal verloren – und das gegen die beiden Hamburger Vereine, die im Tableau aktuell ganz oben stehen (0:2 beim HSV, 2:3 am vergangenen Spieltag auf dem Kiez beim FC St. Pauli).
Abgesehen vom enttäuschenden Ausscheiden in der zweiten Runde des DFB-Pokals bei Regionalligist FC Homburg (1:2) hatten Kleeblatt-Fans in den zurückliegenden Wochen und Monaten dementsprechend immer wieder Grund zum Feiern. Nach 20 Spieltagen mischt die Spielvereinigung mit 35 Punkten munter an der Tabellenspitze mit. Der Rückstand auf Holstein Kiel (Relegationsplatz) beträgt einen einzigen Zähler, der HSV (2.) ist zwei Punkte entfernt.
Das bewegt die Fans
Das überregionale Fan-Thema Nummer eins: die Investoren-Pläne der Deutschen Fußball Liga (DFL). Die Proteste in den Stadien des Landes spitzen sich zu, die Rufe nach Neuwahlen werden lauter. Mit anderen Worten: Der Druck auf die DFL steigt. Erst kürzlich haben sich unter anderem Union Berlins Präsident Dirk Zingler und Herthas Geschäftsführer Thomas Herrich für ein erneutes Votum ausgesprochen. Der Vorsänger der Hertha-Fans in der Ostkurve, "Kreisel", brachte im "Spiegel" Unmut und Bedenken zum Ausdruck, die die Fanszenen in Deutschland umtreiben.
Wenig überraschend steht das Streit-Thema auch in Mittelfranken auf der Tagesordnung. "Fürth hat die Proteste mitgetragen. Wir sind ein kleiner Verein, bei uns kommt viel über die Nachwuchsarbeit. Hier wird Basis-Arbeit geleistet", sagt Fürth-Experte und -Fan Max Rothenhöfer, der das Kleeblatt seit 20 Jahren verfolgt. Der geplante Investoren-Einstieg sorge im Fürther Lager "für Angst. Von einem Investoren-Einstieg werden höchstwahrscheinlich nicht die kleinen Vereine profitieren."
Auf diese Spieler muss Hertha achten
Salopp formuliert: So einige. Etwas präziser: Die Fürther Stürmer sind in Form. Armindo Sieb traf zuletzt in drei Spielen hintereinander, Kapitän Branimir Hrgota sammelte in den vergangenen vier Partien vier Scorer-Punkte (zwei Tore, zwei Assists). Doch Rothenhöfer verweist vor allem auch auf Schlussmann Jonas Urbig. Der junge Keeper behielt in der Liga schon neun Mal eine weiße Weste und sei "ein ganz, ganz wichtiger" Faktor für den Fürther Aufwind. "Urbig ist einer der besten Torhüter der zweiten Liga. Er ist erst 20 Jahre alt und spielt eine unfassbare Saison", so Rothenhöfer.
Einziger Wermutstropfen: Der Torwart ist eine Leihgabe des 1. FC Köln. Und nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass der Effzeh mit einer Transfer-Sperre belegt wurde und im Sommer keine neuen Spieler verpflichten darf, schätzt Rothenhöfer einen Verbleib Urbigs bei der Spielvereinigung als unwahrscheinlich ein. "Ich mache mir schon Sorgen, was passiert, wenn er nach der Saison nach Köln zurückgeht."
Die Stimmen der Trainer
Pal Dardai (Hertha BSC): "Uns erwartet ein sehr disziplinierter Gegner, der sehr viel läuft, arbeitet und presst. Nach Ballgewinnen ist es gegen sie schwierig. Sie pressen mit aller Macht. Da müssen wir gute Entscheidungen treffen und gut vorbereitet sein. […] Das Ergebnis aus dem Hinspiel täuscht. Das ist ein guter Gegner mit einem guten Trainer – eine große Herausforderung für uns."
Alexander Zorniger (SpVgg Greuther Fürth): "Hertha ist punktemäßig und durch das Pokal-Aus nicht wie gewünscht in das Jahr gestartet. Beim letzten Mal hatten sie noch kein Tor geschossen und haben uns dann fünf eingeschenkt. Auf diese Wucht stellen wir uns ein. Sie haben eine extreme Geschwindigkeit."
So könnte Hertha spielen
Hertha-Coach Pal Dardai muss in Fürth auf Kapitän Toni Leistner verzichten, der gelbgesperrt fehlt. Marton Dardai fällt mit muskulären Problemen weiterhin aus. Der Trainer muss sein Abwehrzentrum umbauen. "Wahrscheinlich wird Linus Gechter da spielen", kündigte Dardai auf der Pressekonferenz am Freitag an. "Bei mir hat er immer gut gespielt. Hoffentlich kann er nach seiner Krankheit wieder die vollen 90 Minuten verteidigen."
Leistungsträger Fabian Reese könnte nach langwieriger Erkrankung und zwei vielversprechenden Joker-Einsätzen ebenfalls in die erste Elf zurückkehren. Wenn er sich gut fühle, so Dardai, "wird er von Anfang an spielen und wir werden schauen, wie lange er durchhält."
Winter-Neuzugang Bradley Ibrahim muss sich dagegen noch in Geduld üben. Dardai bescheinigte dem 19-jährigen zentralen Mittelfeldspieler zwar erneut besondere Fähigkeiten: "Im engen Raum ist er überragend." Der 47-Jährige machte aber klar, dass das Talent aus dem Nachwuchs des Arsenal FC behutsam aufgebaut werden solle - und zog wie so oft eine Parallele zur Tierwelt: "Er muss noch ankommen. Wir können ihn noch nicht direkt zu den Alligatoren schmeißen." Ibrahim werde am Freitag in der Regionalliga Nordost für Herthas U23 zum Einsatz kommen, in Fürth also nicht im Kader stehen.
Herthas mögliche Startelf: Ernst – Kenny, Gechter, Kempf, Karbownik – Barkok, Bouchalakis – P. Dardai, Niederlechner, Reese – Tabakovic
Die Prognose
Die Formkurve der Fürther spricht gegen einen Erfolg der Herthaner, die in diesem Kalenderjahr noch auf ihren ersten Sieg warten. Das bittere Ausscheiden im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen Kaiserslautern (1:3) und die Niederlage gegen den Hamburger SV (1:2) nur drei Tage später sorgten für Katerstimmung im Westend. Statt Anschluss an die Aufstiegsplätze zu halten, müssen die Berliner den Blick nach unten richten.
Dennoch könnte sich eine Geschichte wiederholen. In der Hinrunde feierten die Blau-Weißen gegen das Kleeblatt ihren ersten Liga-Sieg: Ein 5:0 nach zuvor erschreckend schwachen Auftritten ohne Tor- und Punkteausbeute.
Mit Reese in der Startelf ist auch am Sonntag (13:30 Uhr) im Sportpark Ronhof wieder mit Hertha zu rechnen. Für Überraschungen der positiven Sorte ist die Alte Dame schließlich gerade in vermeintlich aussichtslosen Lagen zu haben.
Der Tipp des Gegner-Experten: "Ich tippe auf einen 3:1-Sieg für uns", sagt Max Rothenhöfer.
Der Tipp des rbb|24-Autors: Einspruch. Hertha BSC kämpft sich zurück in die Erfolgsspur und fährt einen 2:1-Auswärtssieg ein.
Sendung: DER TAG, 09.02.2024, 18 Uhr