Niederlage gegen Bochum in der Analyse - Unkonzentrierte Unioner am Abgrund

So 05.05.24 | 20:55 Uhr
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Unions Trainer Nenad Bjelica (imago images/O.Behrendt)
Video: Sportschau | 05.05.2024 | Christian Dexne | Bild: imago images/O.Behrendt

Union Berlin rutscht immer tiefer in den Abstiegsstrudel der Fußball-Bundesliga. Auch gegen den VfL Bochum scheitert die Mannschaft an ihrer Konzentration. Eine gute Umstellung von Trainer Nenad Bjelica kommt zu spät. Von Till Oppermann

Rani Khedira brachte es nach Union Berlins 3:4-Niederlage gegen den VfL Bochum auf den Punkt: "Die erste Halbzeit war so schlecht, dass Du es nicht mehr drehen konntest."

Im Abstiegsduell gegen den direkten Konkurrenten aus Bochum wirkten die Köpenicker in den ersten 45 Minuten maßlos überfordert. In den Zweikämpfen prallten sie an ihren Gegenspielern ab, als wären sie Flummis. Und der Bochumer Doppeltorschütze Maxi Wittek sah gegen seine Gegenspieler aus wie Lionel Messi. In seinen 155 Zweitligaspielen traf Wittek sechsmal. Gegen Union zweimal innerhalb von 15 Minuten. Eine wirkliche Erklärung dafür hatte Kapitän Khedira nicht. Nur so viel: Durch die Atmosphäre im Stadion an der Alten Försterei vor dem Spiel habe die Mannschaft "etwas überdreht".

Mental nicht bundesligareif

Was das genau heißen soll, ließ er offen. Allerdings: Es gehört für Fußballprofis zur Berufsbeschreibung, vor Publikum zu spielen. Wirklich überraschen sollte es da also nicht, dass besagtes Publikum vor einem möglicherweise vorentschiedenen Spiel im Abstiegskampf besonders laut ist. So oder so deutet Khediras Antwort auf ein Problem, das Union durch die Saison begleitet. Die Mannschaft ist mental zu oft nicht auf der Höhe. Wohin das führen kann, zeigte sich beim 0:1. Nach einem eigenen Abstoß verloren die schlecht gestaffelten Unioner zuerst den ersten und dann den zweiten Ball. Sekunden später jubelten die Gäste.

"Das ist genau Bochums Spiel, sie sind bei zweiten Bällen brutal und spielen es dann One-Touch durch", erklärte Benedict Hollerbach nach dem Spiel im TV-Interview mit DAZN. Das belegt: Die Unioner waren auf Bochums mannorientierten Fußball mit vielen Zweikämpfen und direkten Pässen eingestellt. Trotzdem schafften sie es nicht, so hart wie nötig dagegenzuhalten. Das lässt sich nur mit mangelnder Konzentration und Einstellung erklären. Auch beim zweiten und beim dritten Gegentor ließen die verunsicherten Gastgeber zu großen Abständen. "So wie wir es in der ersten Halbzeit gemacht haben, war es einfach dumm", kritisierte Hollerbach.

Bjelica stellt erfolgreich um

Wie es anders geht, zeigten Hollerbach und seine Mitspieler nach dem Seitenwechsel. Trainer Nenad Bjelica hatte auf Viererkette umgestellt und mit Yorbe Vertessen, Brenden Aaronson und Chris Bedia gleich drei Offensivspieler neu in die Partie gebracht. Sofort schaffte es Union, tief in der gegnerischen Hälfte Druck zu erzeugen. Im 4-2-3-1 war die Mannschaft durch den zusätzlichen Spieler im offensiven Mittelfeld deutlich besser gestaffelt und kam endlich in die Zweikämpfe. Plötzlich waren die Bochumer überfordert und Union war da.

Das lag aber nicht nur an einer besseren Staffelung gegen den Ball, wie Hollerbach erklärte: "In so einem Spiel musst du den Ball beruhigen", so der Flügelstürmer. Durch längere Ballbesitzphasen und mit Hilfe der guten Techniker Aaronson und Vertessen liefen die Gäste immer häufiger ins Leere. Union übernahm die Spielkontrolle. "Für die zweite Halbzeit hätten wir einen Punkt verdient", sagte Bjelica angesichts der drei Tore von Vertessen, Bedia und Hollerbach. Es ist nicht auszuschließen, dass ihm seine Umstellung zur Pause den Job vorerst gerettet hat. Der Trainer hat am Sonntag angedeutet, dass er die Spieler erreicht und passende Maßnahmen treffen kann.

Bjelica kritisiert Transferpolitik

Aber auch die Kritiker Bjelicas werden die zweite Hälfte zum Anlass nehmen, um dem Kroaten unangenehme Fragen zu stellen. Warum musste er Bedia, Vertessen und Aaronson erst einwechseln? Und warum spielt er nicht immer nur mit vier Verteidigern, wenn es Unions großes Problem ist, zu wenige Tore zu schießen? Im TV-Interview versuchte der Trainer eine Erklärung, die man auch als Kritik an der Kaderplanung verstehen kann. Die Dreierkette sei logisch gewesen. Denn wichtige Spieler wie Robin Gosens und Kevin Vogt hätten ihre Stärken in erster Linie im 3-5-2-System.

Zumal die Mannschaft im gesamten Frühjahr im Sturm keinen Zielspieler gehabt habe. "Wenn man Bedia in den ersten Monaten im Training gesehen hat, konnte man ihn nicht aufstellen", erklärte Bjelica. Liegt er richtig, war der Verkauf von Kevin Behrens im Winter eine folgenschwere Fehleinschätzung. Ohne ihn spielten mit der hängenden Spitze Kevin Volland und dem Flügelspieler Benedict Hollerbach zwei Spieler im Angriff, die in einem 4-2-3-1-System als einzelne Spitze nicht funktionieren. "Wir improvisieren die ganze Zeit", rechtfertigt Bjelica sich und sein Trainerteam.

Abwehr muss konzentriert bleiben

Tatsächlich fehlten Union durch Verletzungen und Sperren zeitweise derart viele Spieler, dass sich die Mannschaft quasi von allein aufstellte. Und abgesehen von Benedict Hollerbach erfüllte bisher keiner der Sommer- und Wintertransfers Unions Erwartungen. Bjelicas Kritik wird also wohl auch in der Chefetage Gehör finden. Allerdings frühestens nach der Saison. Denn am nächsten Samstag steht gegen den 1. FC Köln das nächste Duell gegen einen direkten Konkurrenten an.

Wenn er dann noch Trainer ist, muss es Bjelica vor allem die Konzentration seiner Mannschaft schärfen. Denn auch in der verbesserten zweiten Halbzeit gegen Bochum gelang es den Spielern nicht durchgehend, im Spiel zu bleiben. Philipp Hofmann ist jedem in der Liga als Bochums kopfballstärkster Stürmer bekannt. Sein vorentscheidendes 4:2 erzielte er trotzdem vollkommen unbedrängt mit dem Schädel. Verteidigt Union an den letzten beiden Spielen weiter so nachlässig, droht mindestens die Relegation.

Sendung: rbb24, 05.05.2024, 22 Uhr

17 Kommentare

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  1. 17.

    Meines Wissens gab es keine eklatant modifizierten Auflagen zur letzten Saison; ausser nat. die der Zulassung von Stehplätzen in DE, UK und FRA. Nur ist die AF eben ein sehr kleines Stadion, das abzüglich der allgemeinen Auflagen, die u. a. auch Umbaumaßnahmen erfordert hätten, dem großen Zuschauerinteresse nicht hätte gerecht können. Denn bspw. in München oder Dortmund mögen ein paar tausend Fans weniger kaum ins Gewicht fallen, bei uns aber schon. Und dass die FCU Geschäftsstelle, nachdem die CL-Teilnahme feststand, mit Anfragen nur so geflutet wurde, können Sie sich sicher vorstellen, Thommy.

    Der FCU wollte so vielen Fans wie möglich die Gelegenheit geben, die CL-Spiele live zu erleben und ist deswegen aufs O-Stadion ausgewichen. Und die Tickets für die Heimspiele waren ja auch innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Eine Verlosung, wie sie aufgrund der großen Nachfrage bei BL- Spielen praktiziert wird, wäre mit sehr vielen enttäuschten bzw. traurigen Fans verbunden gewesen.

  2. 16.

    @Gerd
    "In der AF wäre aufgrund der UEFA Auflagen ws. nur ein Viertel dieser Zuschauerzahl möglich gewesen."
    FRAGE dazu: "Sind diese Auflagen NEU in dieser Saison oder kannte diese KEINER ?!?"
    Als die CL-Teilnahme von Union feststand -ABER die Stehplatzoption durch UEFA fraglich- wurde sinngemäß verkündet "Wir spielen im Wohnzimmer" .
    Stehplätze erlaubt und AF auf einmal zu klein

  3. 15.

    Zitat: "... viele Fehlentscheidungen getroffen. Die erste war schon, sich gegen die Försterei und für das Olympia Stadion zu entscheiden."

    Bei der Einschätzung betreffs der Fehlentscheidungen bin ich, zumindest z. T., bei Ihnen. Aber dass der FCU die CL-Heimspiele im O-Stadion ausgetragen hat, war sicher keine davon. So konnten insgesamt mehr als 200 Tsd. Fans diese Spiele live verfolgen und unvergesslich stimmungsvolle Abende erleben. In der AF wäre aufgrund der UEFA Auflagen ws. nur ein Viertel dieser Zuschauerzahl möglich gewesen.

  4. 14.

    Sehe ich auch so, aber dann ist Urs Fischer mit Schuld an der Misere.
    1. Die gekauften Spieler nicht richtig eingeschätzt.
    Oder 2. Er konnte die gekauften Spieler nicht richtig in die Mannschaft einfügen.
    So oder so die Misere ist durch den Kauf der neuen Spieler entstanden.
    Finde ich schade. Auch wenn es manchmal richtig grausam war die Spiele zu schauen aber es war erfolgreich.
    Aber egal, hoffe die Köpenicker finden wieder in die Spur.

    Zu den Regularen: Da bin ich ganz bei dir. CL ist zur Gelddruckmaschine verkommen.

  5. 13.

    Ich meinte es schon so,wie ich es geschrieben habe. Manchmal kann es von Vorteil sein,zwischen den Zeilen lesen zu können.

  6. 12.

    Sehe ich anders. Mit dem CL Start musste sich Union breiter aufstellen um den schlanken Kader nicht überzustrapazieren. Man spielte sowieso schon an der Grenze der körperlichen Machbarkeit der Spieler. Leider kaufte man eben falsche Spieler ein. Die hatten zwar europäische Erfahrungen, aber waren individuelle Akteure, die nicht bereit waren und sind sich in eine Mannschaft einzufügen. Das war jedoch das System, das Urs Fischer erfolgreich verfolgte. Daran scheiterte es dann letztendlich. So setzte sich dann der Abwärtstrend fort. Mit Fischer sich aus der CL verabschieden und solide in der oberen Hälfte der BL weiterspielen, wäre für alle gut gewesen. Das Union wegen der Regularien in die CL musste, weil sie so gut spielten, sehe ich sowieso als Fehler im System Fußball an. Die CL ist nichts für Union. Selbst andere BL-Vereine tuen sich schwer in der CL, wo es weniger um Fußball spielen geht, sondern rein ums Geld. Bleibt der aktuelle Trainer, rauscht Union bis in die 3. Liga ab.

  7. 11.

    Da Mainz nur Unentschieden gespielt hat kann Union nächstes Wochenende eigentlich alles klar machen. Mainz zu Hause gegen Dortmund, na ja es wäre äußerst merkwürdig wenn Mainz ausgerechnet gegen Dortmund Punkte einfährt. Union Berlin bleibt in der ersten Bundesliga.

  8. 10.

    "Könnte man Urs Fischer wieder für Union begeistern und Behrens zurückholen, hat Union wieder eine Chance schönen konzentrierten Fußball zu spielen."

    Das glaubst du doch nicht wirklich? Die Mannschaft ist einfach kaputt und das meine ich nicht böse.
    Der Vorstand ist in die Falle Größenwahn getappt und hat so die Chemie der Mannschaft zerstört.
    Da wurden abgehalfterte Stars gekauft die nicht in das System Köpenick gepasst haben.
    Das sich da einige Spieler innerlich, bewusst oder unbewusst, verabschiedet haben ist doch verständlich. So nach dem Motto " Warum soll ich mich verausgaben, der Andere bekommt dafür mehr Kohle."
    Um zur alten Stärke zurückzukommen wäre wohl der Abstieg und Neuaufbau der richtige Weg.
    Wäre zwar schade aber einen anderen Weg sehe ich nicht.

  9. 9.

    Der SV Köpenick spielt in der Bundesliga? War mir nicht bekannt. Ich dachte der 1.FC UNION spielt in der 1. Bundesliga. Dank der Beiträge im RBB-Forum, lernt man nie aus.

  10. 8.

    Schade, dass Union sich so sehr vom Geld hat locken lassen. Man hätte die Championsleague einfach hinnehmen sollen und schauen was passiert, wenn man so weitermacht. Aber stattdessen war das große Geld wohl zu verlockend und es wurden viele Fehlentscheidungen getroffen. Die erste war schon, sich gegen die Försterei und für das Olympia Stadion zu entscheiden. Wenn man jetzt absteigt, hat man gar nichts. Da passt der Spruch mit dem Spatz in der Hand und der Taube auf dem Dach. Leider.

  11. 7.

    Kommt mal runter. Die Jungs haben einen Rückstand von 0:3 aufgeholt in einer Halbzeit. Bin seit Bjelicas Ausraster gegen Sane keine Freundin von ihm, aber er hat in der zweiten Halbzeit richtig reagiert und er kann die Mannschaft erreichen. Jetzt müssen alle durchhalten und an einem Strang ziehen. Bitte keine Umstellung mehr kurz vor knapp. Das wäre bloß Irritation.

  12. 6.
    Antwort auf [Sven] vom 05.05.2024 um 21:05

    Der Fußballfan kann doch für seinen Verein jeden Monat 20 Euro spenden. Problem gelöst

  13. 5.

    So lächerlich. Mal gewinnt der eine mal der andere. Es ist einfach ein Glücksspiel. Aber es wird immer so getan als wenn man nach dem Spiel eine wissenschaftliche Abhandlung schreibt. Fussball wird überbewertet. Die einzigen die Profitieren sind die Spieler, der Trainer und die Funktionäre....abee der Fan zählt gerne deren Leben.

  14. 4.

    Alles gar nicht mehr so kultig hier..

  15. 3.

    Die Fehler begannen mit dem CL Start. Falsche Leute wurden gekauft. Dann kam der Absturz. Der nächste entscheidende Fehler war Urs Fischer zu entlassen. Statt ihm hätten die falsch eingekauften Spieler gehen müssen. Das Behrens ging war ein weiterer Fehler. Schlussendlich war die Krönung in der Fehlerkette der aktuelle Trainer. Zu lange ist er am Ruder und es geht immer weiter abwärts. Könnte man Urs Fischer wieder für Union begeistern und Behrens zurückholen, hat Union wieder eine Chance schönen konzentrierten Fußball zu spielen. Die letzten Monate gab es nur Trauerspiele. Herr Zingler und Herr Ruhnert haben sie endlich den Mut, die Fehler rückgängig zu machen. Eisern Union

  16. 2.

    Tja,auf Dauer reichts halt nicht für die Bundesliga beim SV Köpenick.lol

  17. 1.

    Urs hatte seinen Stil, und das Team wurde danach zusammen gestellt. Es war erfolgreich. Eine gute Mischung aus unerfahrenen und erfahrenen Spielern. Und das eine oder andere Highlight, wie Max Kruse. Das Erreichen der CL veränderte den Einkauf und das Team, womit Urs mit seinem System nicht mehr durchdringen konnte. Und Bjelica kommt damit auch nicht wirklich klar. Hoffe, dass wieder zu alten Werten zurück gekommen wird. Union erarbeitet Punkte, und ertanzt sie nicht.
    Eisernes HaHoHe

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