Tipps und Trends - Neues Fahrrad gesucht? Darauf kommt es an

Sa 01.06.24 | 17:03 Uhr
Kaputtes Fahrrad steht mit nur einem Rad in Berlin (Quelle: IMAGO / Schöning)
Bild: IMAGO / Schöning

Der Fahrradmarkt ist groß. So groß, dass die Flut der Modelle schnell überfordern kann. Ein Fahrradexperte erklärt, was die Trends sind und hat entscheidende Tipps. Die wichtigsten Infos über Spezialisten, Allrounder - und die Schritte zum richtigen Rad.

Was sind die größten Fahrrad-Trends?

Arne Bischoff, Teil des Teams vom "pressedienst-fahrrad", sieht vor allem zwei Trends. Beide sind nicht ganz neu, aber beide prägen nach wir vor das Fahrradgeschäft. Da sind zum einen E-Bikes. Im Jahr 2023 wurden sie erstmals häufiger verkauft als das klassische Fahrrad. Im Detail: 2,1 Millionen und damit 53 Prozent der verkauften Räder waren motorisiert. Dem gegenüber standen - so zeigen es Zahlen des Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) - 1,8 Millionen klassische Räder. "E-Bikes haben die Branche und den Fahrradmarkt der letzten Jahre stark dominiert - und da passiert sehr viel in der Entwicklung", sagt Fahrradexperte Bischoff.

Auf dem nicht-motorisierten Fahrrad-Markt heißt der Trend derweil weiterhin Gravel-Bike. Warum es zum Erfolgmodell wurde? Es vereint mehrere Interessen. "Es sieht aus wie ein Rennrad mit einem klassischen Rennrad-Lenker", so Bischoff. Gleichzeitig habe es aber breite Reifen und sei damit "uneingeschränkt Schlecht-Wege-tauglich und auch mal für Straßenbahnschienen in der Stadt geeignet". Mit Schutzblechen und Lichtanlage könne es schnell zum voll alltagstauglichen Fahrrad ausgerüstet werden - "und wenn man will, kann man fernab des Straßenverkehrs immer noch eine sportliche Runde über irgendwelche Feldwege damit machen".

Was muss man als Einsteiger bei der Fahrrad-Suche vor allem beachten?

Zentral sei zuallererst zu wissen: Wofür ist das Rad denn eigentlich genau gedacht? Die Antwort auf diese - wie Bischoff sagt - "unangenehme Frage" sei die Grundlage für alle weiteren Schritte. Beim Fahrrad gelte nämlich wie bei jedem Konsumgut: "Die eierlegende Wollmilchsau gibt es in der Form leider nicht." Heißt auch: Kompromisse sind nötig und als Käufer ist es daher wichtig zu wissen, wo man bereit ist, diese einzugehen.

Die erste grundlegende Frage im Entscheidungsprozess lautet: Gehört man zu den zuletzt 53 Prozent der E-Bike-Käufer oder mag man es (noch) klassisch? "Davon ausgehend entscheidet sich dann viel", sagt Bischoff. Zudem sei entscheidend: Alltags-, Freizeitfahrrad oder aber Sportgerät? Habe man diese Fragen für sich beantwortet, gelte es zum Beispiel zu schauen, auf welchem Untergrund man vor allem unterwegs sei. Konkret: "Brauche ich etwas für Schlecht-Wege-Tauglichkeit oder fahre ich vor allem auf Babypopo-glatten Asphalt?", so Bischoff.

Wie findet man die richtige Passform?

Während alle vorherigen Fragen ergebnisoffen der Orientierung dienen, gibt es für den Fahrradexperten in einem Punkt keinerlei Spielraum: bei der Passform. "Die Größe sollte immer stimmen, das ist klar", sagt er. Hier daneben zu greifen, sei ein klassischer Fehler, "weil man sich unglaublich doll in eine Farbe verliebt hat und die es unbedingt sein muss". Um dann erfolglos zu versuchen, mit anderen Bauteilen die Größe noch "irgendwie hinzufrickeln". Man könne "ein viel zu kleines Rad aber nicht durch Zubehörteile passend machen. Das ist eine Fehleinschätzung, die es oft gibt und vor der ich warnen würde. Das Ding muss einfach passen."

Für die richtige Passform gebe es keinerlei Formel, der Top-Tipp sei somit: Probefahren. "Das ist ein Grund, warum in einer Welt, die von Online-Shopping dominiert wird, immer noch ein Großteil der hochwertigen Räder im stationären Fachhandel gekauft wird", sagt Bischoff.

Erstmal den Einsatzbereich klären und von da aus weiterschauen.

Arne Bischoff über die Prioritäten beim Fahrradkauf

Viele Hersteller hätten aber - so berichtet Bischoff - inzwischen auch softwarebasierte Größenrechner auf ihren Webseiten implementiert. "Die funktionieren viel, viel besser als noch vor einigen Jahren." Über Kennzahlen wie Innenbein- und Armlänge sowie Körpergröße macht die Software - basierend auf anderen Menschen mit ähnlichen Maßen - Vorschläge. "Meistens schlägt sie zwei Größen vor und wenn sie gut gemacht ist, gibt es eine kleine Interpretation. Die könnte zum Beispiel sagen: Wenn Sie das Rad lieber sportlich, agil und quirlig mögen, nehmen Sie im Zweifel die kleinere Rahmengröße. Wenn Komfort wichtiger ist, dann die größere." Für ihn bleibe die Probefahrt dennoch "das Mittel der Wahl", sagt Bischoff.

Lieber Online oder im stationären Handel kaufen?

Wenn man vor Ort kaufe, minimiere man sein eigenes Risiko. "Es gibt online fantastische Räder. Man ist aber ein bisschen mehr darauf angewiesen, dass man weiß, was man sucht und tut." Das macht es gerade für Einsteiger im Netz schwieriger. Bei Produkttexten und -beschreibungen sowie Größen- oder Fahrradgeometrie-Tabellen ist Vorwissen Trumpf. "Je komplexer die Materie, desto schwieriger wird es, das online - bei aller Mühe der Händler - zu erklären", so Bischoff.

Und was, wenn man sich in ein Fahrrad aus dem Online-Handel verliebt hat - und das auch noch von einem Händler, der nur direkt vertreibt? Auch dann ist ein Happy End nicht ausgeschlossen. Bischoff empfielt in dem Fall den Besuch von Fahrradmessen. In der Hauptstadt ist das vor allem die VELOBerlin (war in diesem Jahr am 13./14. April, Anm. d. Red.): "Da sind alle namhaften Hersteller vertreten. Und da kann man natürlich im Rahmen einer solchen Messe verschiedene Räder ausprobieren und die dann später gegebenenfalls online bestellen."

Welches Rad ist für welchen Untergrund am besten geeignet?

Das Rennrad braucht - auf Aerodynamik und Geschwindigkeit ausgelegt - mit seinen schmalen Reifen mit hohem Druck guten Asphalt. Sein Gegenspieler, sagt Bischoff, sei gewissermaßen des Mountainbike: "Das ist für technisch anspruchsvolles Gelände gemacht. Schotter und Feldwege sind das einfachste, wo ein Mountainbike sich wohlfühlt. Und dann darf es durchaus auch ein sehr, sehr anspruchsvoller Singletrail mit Wurzel und Steinen sein." Natürlich könne man mit einem Mountainbike auch auf der Straße fahren. Aber das sei "wie mit dem Geländewagen auf der Straße. Es brilliert dann nicht. Es ist am Ende des Tages ein Sportgerät."

Natürlich kann man mit einem Mountainbike auch auf der Straße fahren. Es ist nur nicht dafür gedacht. Es ist wie mit dem Geländewagen auf der Straße. Es brilliert dann nicht.

Arne Bischoff, Fahrradexperte

Zwischen diesen Extrempunkten sortieren sich in vielen verschiedenen Schattierungen weitere Allrounder-Varianten. Mit ihnen sei man "auf jedem Untergrund gut unterwegs, brilliert aber auf keinem völlig", sagt Bischoff - und schätzt sie in Kürze folgendermaßen ein:

Trekking-Bike: "Das ist eigentlich ein Allrounder, der auf allen Untergründen gut klarkommt."

City-Bike: "Ist gar nicht weit weg vom Trekking-Bike. Die Reifen haben aber eher etwas weniger Profil und sind schmaler. Es ist eher für Fahrradwege in Städten und guten Asphalt gemacht."

Gravel-Bike: "Es ist von der Idee ein bisschen das Breitreifen-Rennrad. Es ist auf der einen Seite Schlecht-Wege-tauglich und auf der anderen gut für eine sportliche Runde."

Was sind Must-Haves für ein (neues) Fahrrad?

"Die Frage ist: Alltagsrad oder Sportgerät? Da unterscheiden sich die Funktionen massiv", sagt Bischoff. Bei Rennrädern oder Mountainbikes gehe es vor allem darum, dass sie "für den Sport, den man machen möchte, optimiert sind und funktionieren". Bei einem Rad, das auch oder ausschließlich im Alltag genutzt werden soll, hat der Experte aber einige Punkte auf der Checkliste:

  • Fest installierte Licht-Anlage: "Dabei geht es gar nicht so sehr um die bessere Qualität, sondern um den praktischen Alltagsnutzen. Es kann nicht so einfach geklaut werden, wenn ich das Fahrrad abstelle; ich kann es nicht aus Versehen zu Hause liegen lassen; und es bekommt seinen Strom durch den Nabendynamo, das heißt ich stehe auch nicht irgendwann mit einem leeren Akku da."
  • Schutzbleche: "Auch wenn es oft nicht cool aussieht: Sie helfen, das Rad auch zu benutzen, wenn das Wetter schlecht ist. Und das wollen wir ja eigentlich alle. Das Fahrrad ist ein tolles Verkehrsmittel 365 Tage im Jahr. Wenn ich mir dann weniger Sorge über einen nassen Hintern und Füße machen muss, ist ein Schutzblech schon sehr hilfreich."
  • Gute Bremsen: "Da haben sich in den vergangenen Jahren Scheibenbremsen sehr stark durchgesetzt, weil sie einfach besser dosierbar sind und mehr Bremskraft haben. Sie sind aber teurer. Man kommt auch ohne Scheibenbremsen klar und sollte trotzdem auf Qualität achten."
  • Angemessene Bereifung: "Bei qualitativ hochwertigen Reifen - gerade wenn moderne Reifen ein bisschen mehr Volumen haben - kann ich sowohl den Fahrkomfort als auch die -dynamik verbessern. Und dann gibt es noch diese berühmten Unplattbar-Reifen. Nichts auf der Welt ist unkaputtbar. Aber die bieten schon wesentlich mehr Pannenschutz als klassische Reifen."
  • Beim Gepäckträger ist Bischoff weniger festgelegt. "Ob man den braucht, ist so ein bisschen persönliche Geschmacksfrage. Wer viel mit Rucksack fährt, kann da vielleicht verzichten."
  • Zudem empfiehlt der Experte - beim Kauf im Fachhandel - ein Gespräch mit dem Personal über Ergonomie. "Nicht jeder Hintern passt zu jedem Sattel. Menschliche Anatomie unterscheidet sich - nicht nur nach Geschlecht, sondern etwa auch nach Körpergröße relativ drastisch."

Was kostet ein gutes Einsteiger-Allrounderrad - und: Gibt es einen Spartipp?

Ein qualitativ ordentliches Alltagsrad gebe es ab 600, eher 800 Euro, sagt Bischoff. "Da ist kein Hightech dran, aber solide und robuste Technik", sagt der Fahrradexperte.

Es ist ein wartungsintensives Teil. Wir kennen alle die Bilder von festgerosteten, vergammelten Federgabeln von Rädern, die an Bahnhöfen stehen.

Arne Bischoff über Sparpotenzial bei der Federgabel

Sein Sparfuchs-Tipp: Wer am Alltagsrad sparen muss oder will, könne das bei der Federgabel tun. Sie sei "ein echter Preistreiber", sagt Bischoff. Vorteile habe sie dabei durchaus. Weil sie Fahrtkomfort biete, indem sie Stöße abfedere - und Fahrtsicherheit und -dynamik, indem sie dafür sorge, dass das Vorderrad nah am Boden sei. "Es ist aber ein wartungsintensives Teil. Wir kennen alle die Bilder von festgerosteten, vergammelten Federgabeln von Rädern, die an Bahnhöfen stehen. Zudem ist es ein recht teures Einzelteil", sagt Bischoff.

Kompensieren könne man die fehlende Federgabel - zumindest weitestgehend - durch großvolumige, breite Reifen. "Da kann ich also durchaus sparen, wenn ich sage, ich habe ein knappes Budget", sagt Bischoff. Gleiches gelte für die Scheibenbremsen, wenn man stattdessen auf "gute, klassische V-Brakes" (Felgenbremsen, Anm. d. Red.) setze.

Sendung: rbb UM6, 02.06.2024, 18 Uhr

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