Sportrechtler über Feuerzeug-Eklat - "Die Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters muss unantastbar sein"

Di 25.02.25 | 18:22 Uhr
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Feuerzeug-Eklat beim Bundesliga-Spiel zwischen dem 1. FC Union und dem VfL Bochum (Quelle: IMAGO / Jan Huebner)
Bild: IMAGO / Jan Huebner

Union Berlin wehrt sich gegen die Umwertung des Spiels gegen Bochum. Im Interview spricht Sportrechtler Paul Lambertz über die Tragweite des Falls und erklärt, warum ein Urteil gegen Union "schlimmer für den Fußball als der Videoschiedsrichter" wäre.

rbb|24: Herr Lambertz, am Freitag geht es vor dem DFB-Bundesgericht in Frankfurt am Main um eine sportrechtliche Grundsatzfrage und um Punkte im Abstiegskampf der Fußball-Bundesliga. Der 1. FC Union hat gegen das Urteil des DFB-Sportgerichts, das Spiel zwischen den Berlinern und dem VfL Bochum nach dem Feuerzeug-Eklat nachträglich mit 2:0 für die Gäste zu werten, Einspruch eingelegt. Wie erfolgsversprechend ist diese Berufung?

Paul Lambertz: Ich fand schon das erste Urteil überraschend und nicht richtig. Von daher hoffe ich natürlich, dass die Berufungsaussichten extrem hoch sind.

Zur Person

Dr. Paul Lambertz, Fachanwalt für Sportrecht (Quelle: IMAGO / Team 2)
IMAGO / Team 2

Paul Lambertz ist Fachanwalt für Sportrecht. Er hat zum Thema "Die Nominierung im Sport" promoviert und im Jahr 2019 eine eigene Sportrechtskanzlei gegründet. Zu seinen Mandanten zählen u.a. Sportlerinnen, Fußballvereine und Verbände.

Von 2014 bis 2019 war Lambertz als Schiedsrichter beim Deutschen Sportschiedsgericht tätig.

Warum war das Urteil des DFB-Sportgerichts in Ihren Augen falsch?

In der Rechts- und Verfahrensordnung ist klar geregelt, wie damit umgegangen werden soll, wenn ein Spiel abgebrochen wird. Sprich: Wenn der Schiedsrichter die Sicherheit der Spieler oder die Sicherheit der Durchführung eines Spiels als gefährdet ansieht, kann er das Spiel abbrechen. Das Spiel wird dann gegen die Mannschaft gewertet, die den Spielabbruch verschuldet hat. Als Mannschaft hafte ich nach Paragraph 9a der Rechts- und Verfahrensordnung sogar verschuldensunabhängig für ein Fehlverhalten meiner Fans.

In diesem Fall ist es aber so, dass der Schiedsrichter – obwohl er gesehen hat, dass der Bochumer Keeper [von einem Feuerzeug; Anm. d. Red.] getroffen worden ist – mit seinen Assistenten und in Absprache mit dem "Kölner Keller" entschieden hat, dass dieses Spiel nicht abgebrochen wird.

Hierfür sehen die DFB-Regularien keine Regelung vor. Die erste Instanz des DFB-Sportgerichts fand das aber offensichtlich so ungünstig, dass sie nach einer Lösung gesucht haben, dieses von ihnen empfundene Unrecht geradezubiegen. So haben sie sich einer Analogie bedient und verkürzt gesagt: Das Spiel hätte abgebrochen werden müssen und Union hätte den Spielabbruch verschuldet. Für eine Analogie ist aber für mich kein Raum, deshalb finde ich diese Entscheidung auch so falsch.

Das Urteil ist auch deshalb brisant, weil es ganz unmittelbare Auswirkungen auf den Abstiegskampf hat – und das auch für Teams, die an diesem Spiel gar nicht beteiligt waren.

Ich sehe das auch kritisch, weil der Schiedsrichter [im vorliegenden Fall: Martin Petersen; Anm. d. Red.] nun mal derjenige ist, der das Spiel leitet. Er hat eine Entscheidung getroffen – sehr wahrscheinlich eben nicht leichtfertig und im Bewusstsein über die Tragweite der Auswirkungen im Abstiegskampf [sportschau.de].

Die Frage ist doch, wo das hinführt, sollte die Entscheidung der ersten Instanz nicht aufgehoben werden. Das führt meines Erachtens dazu, dass man jeglichen Einsprüchen Tür und Tor öffnet. Jede Mannschaft könnte mehr oder weniger zwanglos behaupten, da hätte ein Spiel eigentlich abgebrochen werden müssen – aufgrund von Beleidigungen aus der Kurve oder Ähnlichem.

Und dann sitzen die Sportschiedsrichter in der nächsten Woche zusammen, um darüber zu entscheiden, wie der Schiedsrichter in der Hitze des Gefechts eigentlich hätte reagieren müssen. Das würde nicht nur die Sportgerichte lahmlegen und den sportlichen Wettbewerb verhindern, sondern vor allem auch die Position der Schiedsrichter massiv schwächen.

Denn damit wäre ihre Autorität untergraben, weil ihre Entscheidungen ständig von Sportgerichten überprüft werden würden. Dazu kommt noch, dass man dann wohl auch bei Spielabbruchsentscheidungen nachträglich würde eingreifen dürfen, wenn man sich nicht in Widerspruch zu seinen eigenen Regeln setzen wollte. Das kann aber nun wirklich keiner mehr wollen. Die Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters muss dem Grunde nach unantastbar sein. Würde die Entscheidung so bestehen bleiben, wäre das schlimmer für den Fußball als der Videoschiedsrichter.

Erhöht es Unions Erfolgsaussichten, dass auch die beiden Wettbewerber Kiel und St. Pauli Einspruch eingelegt haben?

Auf jeden Fall erhöht es den Druck und zeigt die Bedeutung des Verfahrens für die Liga – auch wenn sich die Richter am DFB-Bundesgericht dem wohl ohnehin schon bewusst sind. Es gibt eine Rechtsfrage, die es zu beantworten gilt. Die rechtlichen Argumente sind schnell ausgetauscht. Es kann theoretisch sein, dass Pauli und Kiel Argumente vorbringen, die Union nicht gebracht hätte.

Man muss ehrlicherweise sagen: Dieses Verfahren geht die ganze Liga und den gesamten deutschen Fußball etwas an. Denn die Fußballregeln des DFB gelten mehr oder weniger Eins zu Eins in sämtlichen Landesverbänden und damit in allen Spielklassen des deutschen Fußballs. So eine Entscheidung hat also absolute Signalwirkung.

Ähnlich wie bei Schiedsrichterentscheidungen auf dem Rasen geht es auch am Freitag vor Gericht um Auslegung. Welches Urteil erwarten Sie?

Ich hoffe, dass Bochums Einspruch gegen die Spielwertung als unbegründet zurückgewiesen wird. Alles andere fände ich unfair. Entscheidung B, mit der ich auch noch leben könnte, wäre die Ansetzung eines Wiederholungsspiels. Das Spiel sportlich umzuwerten, findet für mein Verständnis aber weder eine Grundlage im Regelwerk noch besteht die Notwendigkeit, eine analoge Regelung zu finden.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Anton Fahl.

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28 Kommentare

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  1. 28.

    Zitat: "Dabei könnte es so einfach sein . . ."

    Aha, und wie hätten Sie es gerne? Sollten dem FCU bspw. die drei regulär erspielten Punkte aus dem zuletzt gewonnenen 4:0 Spiel gegen die TSG Hoffenheim aberkannt werden, so dass den anderen abstiegsbedrohten Vereinen kein Nachteil gegenüber Bochum entsteht? Sie sind mir schon so "Einer", aber keiner Einer, der den Durchblick hat.

  2. 27.

    „ Es ist aber in diesem sektenartigen Verein eigentlich immer so dass nur andere Schuld sind.“

    Das ist vollkommener Humbug.
    Badiert offenbar auf Neid auf den beispielhaften Zusammenhalt zwischennVerein und Fans. Das hat eben nicht jeder aufzuweisen…

  3. 26.

    Die Urteile des DFB werden nicht aus der Lostrommel gezogen, sondern beruhen gleichermaßen auf Rechtsexpertisen, da kann Sportrechtler Paul Lambertz noch so schlaue Interviews geben.

  4. 25.

    "Wir mussten sogar schon ..."
    Äpfel und Birnen... verstehst?

    "Gegenstände aufs Spielfeld zu werfen ist einfach asozial "
    Niemand sagt was anderes. darum geht es aber gar nicht.

    "Hätte der Bochumer Torwart..."
    hätte hätte .... hat er aber nicht. er hat es ja nicht mal (glücklicherweise) wirksam an den Kopf bekommen.

    "lebenbslanges Stadionverbot"
    auf welcher rechtlichen Grundlage? Die maximal mögliche Zeitspanne hat Union gegenüber dem ermittelten Zuschauer ausgesprochen.

    "Nur der VfL !"
    traurig. ich hatte mal Achtung und Respekt für diesen Verein.


  5. 24.

    Ich stimme dir da voll zu. Es ist aber in diesem sektenartigen Verein eigentlich immer so dass nur andere Schuld sind.

  6. 23.

    Zum 1000-ten Mal,dieses Spiel wurde ABGEBROCHEN,und das jetzt diskutierte Spiel,wurde regulär zu Ende gespielt.Die unterschiedliche Schiedsrichterentscheidung ist das entscheidende. Wäre es ins Auge gegangen.Wäre,hätte.Ist es aber nicht.Dit Ding hat nur seine Locke gestreift.

  7. 22.

    Wir mussten sogar schon 3 Minuspunkte schlucken als ein Linienrichter einen leeren Plastik Bierbecher an den Rücken bekommen hat.
    Gegenstände aufs Spielfeld zu werfen ist einfach asozial ! Hätte der Bochumer Torwart das Feuerzeug ins Auge bekommen , was dann ?
    Also Spielwertung 2:0 für Bichum , und asoziale Fans lebenbslanges Stadionverbot aussprechen, damit dieser Dreck ein Ende hat.
    Nur der VfL !

  8. 21.

    „ Ich bin dafür, dass man demnächst neben den "Sternen des Sports" auch noch ne "goldene Himbeere" vergibt.“

    Einspruch, lieber HG.
    Ich wäre für das „goldene Feuerzeug“!

  9. 20.

    "Und er hat nicht mehr am Spiel teilgenommen."
    durch eigene Entscheidung vom Weg eines fairen Sportsmanns abzuweichen und in die Schauspielkunst zu wechseln.
    Eine medizinische Notwendigkeit bestand zu keinem Zeitpunkt, wie die UKB-Ärzte feststellten.
    Ich bin dafür, dass man demnächst neben den "Sternen des Sports" auch noch ne "goldene Himbeere" vergibt.

  10. 19.

    "Und er hat nicht mehr am Spiel teilgenommen."
    durch eigene Entscheidung vom Weg eines fairen Sportsmann abzuweichen und in die Schauspielkunst zu wechseln.
    Eine medizinische Notwendigkeit bestand zu keinem Zeitpunkt, wie die UKB-Ärzte feststellten.
    Ich bin dafür, dass man demnächst neben den "Sternen des Sports" auch noch ne "goldene Himbeere" vergibt.

  11. 18.

    "Mit dieser Sichtweise muss man Ihnen mangelnde Neutralität und Parteilichkeit unterstellen. "
    ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und dem User John_Berlin mangelnde Fähigkeit zum sinnerfassendem Lesen attestieren.
    Bereits im 2. Satz von Herrn Lambrecht steht folgendes: "Wenn der Schiedsrichter die Sicherheit der Spieler oder die Sicherheit der Durchführung eines Spiels als gefährdet ansieht, kann er das Spiel abbrechen."
    Die Voraussetzung zum Spielabbruch ist/war nach Besprechung mit dem Schiriteam vor Ort, nach Rücksprache mit dem Keller, nach Besprechung mit Mannschaftsleitungen, Sicherheitskräften inkl. Polizei, Ordnungsdienst in keiner Weise gegeben. und selbst dann wäre der Abbruch noch immer eine "kann"-Entscheidung.
    Dem Schiri hier einen Fehler zu unterstellen, spricht auf dieser Basis nicht für ausgeprägte Kompetenz.

  12. 17.

    Wieso gab es einen Schiedsrichterfehler?
    Der Sachlage nach gab es für den Schiri keinen Anlass und keine Rechtfertigung zum Spielabbruch.
    Zumal Bochum ja mit dem Nichtabbruch einverstanden war.

    Mit dieser Sichtweise muss man Ihnen mangelnde Neutralität und Parteilichkeit unterstellen.

  13. 15.

    Die Autorität des Schiedsrichters wird ja schon seit mittlerweile einer halben Ewigkeit untergraben, seit Entwicklung der hierzu verfügenden technischen Mittel in Form des Videobeweises. Keine hochrangige Fußballpartie mehr unter 100 Minuten und die Befürchtung, dass eine Partie abgepfiffen wird, doch noch lange nicht zu Ende ist, weil sich im Kölner Keller einschlägige Herren die Partie nochmal im Nachhinein drei und viermal anschauen, um ggf. Korrekturen vorzunehmen, sie ist so abwegig nicht.

    Es bleibt spannend - mehr als die Partien selbst, weil sie unter Vorbehalt stehen, irgendwann incl. des Jubels jeweils am Schluss. ;-

  14. 14.

    Und er hat nicht mehr am Spiel teilgenommen.

  15. 13.

    Weil Bochum durch einen von außen eingetretenen Zustand geschwächt wurde.

  16. 12.

    Wenn Herr Lambertz "hofft, dass die Berufungsaussichten hoch sind", spricht dies durchaus für eine klare Parteilichkeit.
    Den Schiedsrichterfehler (Nichtabbruch) hier höherwertig einzustufen als den vorherigen Eingriff von außen zur Schwächung einer Mannschaft (Ausscheiden eines Spielers sowie Unterzahl) halte ich für fehlbewertet.

  17. 10.

    Gestern das Pokalspiel gesehen?

    Ducksch von Werder Bremen wird von einem Gegenstand getroffen und macht kein Theater. Auch der Verein heute nicht.

    Am Wochenende bei Karlsruhe-Magdeburg wird ein Spieler an der Brust gecheckt und fällt mit Händen vorm Gesicht (!) um.

    Deshalb kann ich Union nur alles Gute wünschen für Freitag. Punktabzug wäre okay, aber warum drei für Bochum?

  18. 9.

    Hi Einer, hier ist auch Einer. Was Sie schreiben würde ich befürworten. Allerdings mit dem Unterschied, dass die Strafe zwar auch ein Punktabzug sein kann, aber auch z.B. ebenso eine Geldstrafe oder anderes. Den Seitenhieb gegen die Unioner hätten Sie sich verkneifen können. Ich bin alter Unioner und fühle mich in der BL bestimmt nicht benachteiligt. Dieses alle über einen Kamm scheren nervt genauso wie in der Politik. Ich bin z.B. auch positiv zu Hertha eingestellt und finde es schade, dass die Truppe nicht aufsteigt. Ihnen alles Gute.