ARD-Politikmagazin "Kontraste" - Woidke nennt Brandanschlag auf Kirche in Spremberg "niederträchtig"
Der Brandenburger Ministerpräsident Woidke hat einen Brandanschlag auf eine Kirche in Spremberg scharf verurteilt. Die Polizei spricht derweil erstmals von einem möglichen rechtsextremen Hintergrund. Von Daniel Donath und Simone Brannahl
In der Nacht auf den 24. Juni 2023 warfen Unbekannte einen Molotowcocktail auf den Giebel des Glockenturms der Sankt Michael-Kirche in Spremberg (Spree-Neiße). Kurz zuvor war dort eine Regenbogenfahne aufgehängt worden. Verletzt wurde dabei niemand, aber die Unsicherheit in der Gemeinde ist seither groß.
Nun hat sich erstmals Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) dazu geäußert. Im Gespräch mit dem ARD-Politikmagazin "Kontraste" nannte er den Angriff auf die Kirche "niederträchtig und verabscheuungswürdig. Alle, die sich mit Engagement und mutig dem Rechtsextremismus entgegenstellen, gilt unsere Unterstützung", so Woidke.
Bischof Stäblein: "Angriff auf Grundwerte unseres Miteinanders"
Die Pfarrgemeinde setzt sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus ein. Pfarrer Lukas Pellio hat das "Unteilbar"-Bündnis in Spremberg mit aufgebaut, das sich gegen Rassismus engagiert. Sein öffentlicher Einsatz für Menschen, die von Rassismus oder Queerfeindlichkeit betroffen sind, macht Pellio schon länger zu einer Zielscheibe der rechten Szene.
Als "abstoßend und kriminell" bezeichnete Bischof Christian Stäblein den Anschlag. "Das ist ein Angriff auf die Grundwerte unseres Miteinanders", so Stäblein, der der zuständige Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz ist.
Für Jette Förster, Pfarrerin der angegriffenen Sankt Michael-Kirche, ist der Brandanschlag ein Angriff auf die Kirche insgesamt. "In der Kirche treffen sich Menschen, die sich für ein solidarisches Spremberg einsetzen und diese Menschen haben jetzt das Gefühl, dass es ein Angriff auf sie ist", so Förster im Interview mit "Kontraste". Bischof Stäblein sagt, er vermute, dass der Anschlag dem demokratiefeindlichen und rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sei.
Staatsschutz schließt rechtsextremen Hintergrund nicht aus
Inzwischen hat der Staatsschutz Ermittlungen wegen des Verdachts auf eine politisch motivierte Straftat aufgenommen. Auf "Kontraste"-Anfrage heißt es aus der Polizeidirektion Cottbus Süd, man könne von einem homophoben Hintergrund der Tat ausgehen.
Auch einen rechtsextremen Hintergrund der Tat schließt die Polizei aufgrund des gesellschaftlichen Engagements des Pfarrers nicht aus. Am Abend vor dem Anschlag hatte die Kirche den Dokumentarfilm "Nelly & Nadine" gezeigt, in dem es um zwei lesbische Frauen geht, die 1944 im KZ Ravensbrück interniert waren.
Die Regenbogenfahne an der Sankt Michael-Kirche in Spremberg war Teil einer Aktion des Christopher Street Day Cottbus (CSD), der damit auf die Belange von queeren Menschen aufmerksam machen will. Dazu hängen die Mitglieder des Vereins derzeit in der Region insgesamt 365 Regenbogenfahnen an öffentlichen Gebäuden auf. "Viele Menschen in der Region haben Angst, eine Regebogenfahne aufzuhängen", sagt CSD-Vorstandsmitglied Christian Müller. Dieser Angriff sei kein Einzelfall.
Woidke: Klare Kante gegen Rechtsextremismus
Direkt nach dem Anschlag, also vor gut zwei Wochen, fragte "Kontraste" bereits bei Ministerpräsident Woidke nach einem Statement zu dem Brandanschlag. Doch damals wollte sich Woidke nicht äußern. Jetzt bewertet er die Tat indes umso deutlicher. "Ob auf der Straße, in Vereinen, Schulen oder Betrieben: In Brandenburg darf es keinen Ort geben, in denen Rechte Ängste schüren und Andersdenkende vertreiben wollen", so Woidke. "Gerade jetzt: Wir brauchen klare Kante gegen Rechtsextremismus. Das ist Heimatschutz für Brandenburg."
Am Mittwoch wurde bekannt, dass zwei Lehrer, die rechtsextremistische Vorfälle an ihrer Schule in Burg öffentlich gemacht haben, die Schule verlassen. Seit ihrem offenen Brief werden sie angefeindet und fühlen sich im Ort nicht mehr sicher.
Bundespolitik schweigt bislang zum Brandanschlag
"Kontraste" fragte vor zwei Wochen auch bei Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nach einer Bewertung des Brandanschlags. Doch aus ihrem Ministerium hieß es: "In diesem Fall sind nun die Ermittlungsbehörden des Landes Brandenburg verantwortlich, alle Hintergründe zu ermitteln. Aktuell äußert sich die Bundesinnenministerin daher noch nicht zu dem Fall.”
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wollte sich auf "Kontraste"-Anfrage nicht zum Brandanschlag äußern. Eine erneute Anfrage an diesem Donnerstag blieb bislang unbeantwortet.
Sendung: Das Erste, 13.07.2023, 21:45 Uhr