Kommentar | Anfeindungen gegen Lehrer - In Burg haben die Rechtsextremisten gewonnen

Do 13.07.23 | 15:34 Uhr | Von Hanno Christ
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Archivbild:Ein Schild mit der Aufschrift «und was lernen wir daraus?» hält am 09.05.2023 ein Kleinkind in seinem Wagen bei der Demonstration «Vielfalt statt Einfalt - Schule ohne Diskriminierung» vor dem Schulamt in Cottbus in seinen Händen.(Quelle:picture alliance/dpa/P.Pleul)
Video: rbb24 | 13.07.2023 | Material: rbb24 Brandenburg aktuell | Bild: picture alliance/dpa/P.Pleul

Nachdem sie Rechtsextremismus an ihrer Schule in Burg im Spreewald angeprangert hatten, bekamen zwei Lehrkräfte viel Unterstützung, wurden aber auch angefeindet. Nun verlassen sie die Schule. Ein verheerendes Signal, kommentiert Hanno Christ.

"Verpisst Euch nach Berlin!" – Die Initiatoren der Hetzkampagne müssen ausreichend Sendungsbewusstsein gehabt haben, um die Lehrerin Laura Nickel und ihren Kollegen Max Teske so an den Pranger zu stellen. An mehreren Orten in Burg kleben Sticker mit den Gesichtern der beiden, darunter die unmissverständliche Aufforderung, sie mögen Brandenburg schleunigst verlassen. Dazu gab es anonyme Instagram-Posts und anonyme Elternbriefe.

Die Macher der Kampagne hatten ausreichend Selbstbewusstsein für derlei Taten, ein Bewusstsein, das offenbar gespeist wurde aus stillem, gesellschaftlichem Rückhalt. Nun steht einmal mehr die Frage im Raum, wieviel von der sogenannten Zivilgesellschaft in Brandenburg wirklich vorhanden ist, von jenem Teil also, der sich offen, breit, beharrlich und unmissverständlich Anfeindungen entgegenstellt - und Opfern von Diskriminierung den Rücken stärkt. Aus Brandenburg wird heute das Signal gesendet, dass es wieder No-Go-Areas für Andersdenkende gibt.

Zermürbt von den Anfeindungen

Die beiden betroffenen Lehrkräfte hatten in einem zunächst anonymen Schreiben ein fremdenfeindliches, rassistisches Klima an ihrer Schule beklagt – und dass sie mit ihren Warnungen davor nichts erreichten. Die letztlich öffentlichen Vorwürfe mündeten in eine Debatte, über Fremdenfeindlichkeit und Rassismus an Schulen, aus mehreren anderen Schulen des Landes gab es ebenfalls Hinweise, dass bei manchen Jugendlichen (und Elternhäusern) etwas im Argen liegen muss.

Die Alarmkette schien – nach vielen Versäumnissen - endlich zu funktionieren: Schulbehörden und Bildungsministerium schalteten sich ein, im Landtag wurde debattiert, der Bildungsminister besuchte - nach längerem Zögern – die Schule in Burg, eine Fachtagung sollte sensibilisieren.

Das Ergebnis Wochen später: Ausgerechnet jene, die einst die Debatte ins Rollen brachten, verlassen nun die Schule, zermürbt von den Anfeindungen gegen sie. Für sie war es offenbar nicht mehr auszuhalten, die zähflüssige Unterstützung zu wenig. Gewonnen haben nun die Rechtsextremisten. Von "Staatsversagen" und "Menschenjagd" ist die Rede.

System kommt an Grenzen

Es wird Zeit, dass sich in Brandenburg, aber auch in anderen Teilen vor allem Ostdeutschlands jene zu Wort melden, denen Demokratie und eine tolerante Gesellschaft am Herzen liegen – und dass es nicht nur Verbände, Vereine und Parteien sind. Brandenburg war zurecht immer stolz auf Aktionsbündnisse und ein Beratungsnetzwerk, mit dem an einer Zivilgesellschaft gezimmert wurde. Preise für Courage wurden ausgelobt.

Auch die beiden Lehrkräfte sollten einen davon erhalten. Ihr Rückzug aus Burg stellt auch ein System infrage, das offenbar an seine Grenzen kommt. Es braucht schnelle und entschiedene Reaktionen im Kleinen vor Ort. Rote Linien, die rasch und unmissverständlich gezogen werden.

Aus Opfern wurde Täter

Wer nun glaubt, dass Burg nur ein Einzelfall und das Problem einer Schule ist, der irrt. Fremdenfeindlichkeit und ein wohlwollender Blick auf Deutschlands Nazi-Vergangenheit treten immer unverstellter zutage. Die AfD ist zur dunklen Galionsfigur einer Stimmung im Land geworden, die Hetze und Fremdenfeindlichkeit zum Normalfall zu machen sucht. Auch AfD-Politiker hatten Stimmung gegen die beiden Lehrkräfte aus Burg gemacht, verurteilten das Vorgehen der beiden, bezeichneten sie als "linksradikal" und als "Denunzianten", weckten Zweifel an deren Darstellung. Es werde gegen die Lausitz gehetzt.

Diese Umkehrung der Erzählung hat funktioniert. Aus Opfern wurden Täter gemacht.

Am Ende müssen sich die Menschen vor Ort fragen, welches Signal sie durch Unterlassen senden und wie sie eine attraktive Region bleiben wollen – gerade auch für Menschen von außerhalb. Das verheerende Zeichen dieser Tage ist: Es gibt offenbar Orte, da möchte man lieber unter sich bleiben. Mit allen Folgen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 13.07.2023, 15:01 Uhr

Beitrag von Hanno Christ

161 Kommentare

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  1. 161.

    Jeder oder Jede Dritte Südbrandenburger/inn trägt damit - Rechtes Gedankengut in sich.
    30 oder 40 Prozent von AfD Anhängern in einer Region, ist einfach viel zu viel und Nicht akzeptabel.
    Die gesamte Region ist eine : No-go-Area

  2. 160.

    Am Ende wird es so aussehen das den angeblichen Volksparteien überhaupt keine andere Wahl bleibt wenn sie weiter an den Fleischtöpfen sitzen wollen, die die sich mehr wie üppig ausstatten, und mit den "Rechten" zusammen regieren müssen. Das hat kein Bürger verschuldet, das ist einfach nur das Ergebnis von einer Politik wo nur in die eigene Tasche gewirtschaftet wird, und dann noch der Hammer, ein Inflationsausgleich für diese Bonzen. Wie viele Bürger wollen die denn noch zur AfD treiben. Außerdem, wenn in der AfD nur Rechtsextreme sitzen, und 50% von denen vorher in der CDU waren, dann wurden wir ja schon unter Kohl und Merkel von Rechtsextremen regiert. Hier unterscheidet man nur an den Namen der Partei wenn es so ist, weil die Köpfe hat es vorher auch schon gegeben, oder nicht??

  3. 159.

    Die Landkreise mit den höchsten AfD Prozentpunkten bekommen die meisten Hilfen - demokratisches Handeln und Wählen ist in Brandenburg absolut nicht gefragt.
    Mit unseren Steuergeldern/Fördermitteln wird nur die AfD in Spreewald-Lausitz gefördert.

  4. 158.

    Dann sollten diese 70% es aber auch zeigen! Nicht duckmäusern. Gerade jetzt.

  5. 157.

    Beim nächsten Wahlgang wahrscheinlich nur noch 60 Prozent der Südbrandenburger ?!

  6. 156.

    Wenn Politik den Bürgern eine Welt malt, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt, und dann noch so schlecht das es jeder spürt das nur gelogen wird muss sich niemand mehr wundern. Wohngeld erhöht, Bürgergeld und sonstiges an angeblichen Verbesserungen. Nur kommen die in der Not kaum bei jemanden an, weil es so gut wie kein Personal auf den Ämtern gibt die das alles umsetzen sollen. Alles darfst du in diesem Land werden, nur nie so krank das du auf fremde Hilfe angewiesen bist. Der Sozialstaat den man uns und der ganzen Welt vorschwindelt den gibt es nirgend wo. Wem wundert es dann wenn andere auch aus der Rolle fallen, das ist das was man auch ohne Geld fertig kriegt.

  7. 155.

    70 Prozent der Südbrandenburger/innen sind keine Anhänger der AfD.

  8. 154.

    Die demokratische Mehrheit ist doch schon lange abgewandert oder ausgestorben.
    Zurück bleiben aufwendig sanierte AfD-Städte und Lausitzer Badeseen für zig Milliarden.

  9. 153.

    Die Brandenburger Landesregierung kann doch nur mit Viel Viel Geld, den Braunen Süden deckeln.
    Es wird in Brandenburg noch soweit kommen, das die vernachlässigten Nördlichen /Westlichen Landesteile auch nicht mehr Demokratisch wählen
    Die Demokratischen Regionen in Brandenburg bekommen einfach kein Geld vom Land- das Geld geht Alles in Richtung Polen, Lausitz, Südbrandenburg, dahin, wo eine starke AfD ist.

  10. 152.

    Wahrscheinlich möchte man, mit den Milliarden an Strukturhilfen, die AfD und ihre Anhängerschaft in Südostbrandenburg, beruhigen umd bestechen.
    Nach dem Motto: Ihr bekommt doch Milliarden für eure Projekte, bleibt aber ruhig und ,,nur,, bei 30 Prozent.
    Hat aber schon vor 90 Jahren, so nicht funktioniert.

  11. 151.

    Im Land Brandenburg ist es einfach so : die Regionen und Gebiete mit der höchsten AfD Quote bekommen auch die höchsten Fördersummen.
    Das ist leider kein Witz, sondern traurige Realität.
    Man könnte in Brandenburg echt meinen, die Stadt, Kommune, oder der Landkreis, bekommen nach der Höhe der AfD Wahlergebnisse ihre Fördergelder.
    Und Burg/Spreewald/Lausitz bekommen richtig fette Happen an Fördermitteln und Strukturgeldern.
    Da bleibt die Frage : Wählt die Westhälfte von Brandenburg einfach falsch - oder ist Demokratie in Brandenburg nicht gefragt ???

  12. 150.

    Solch Dunkelbraune Regionen finanziert doch unser Staat höchst selbst.
    Der Südosten als Fördergebiet Strukturwandel bekommt doch die Höchstförderung von EU, Bund und Land.
    Da spielen ihre paar Kröten Urlaubsgeld doch keine Rolle Fahren Sie hin oder Nicht - das bleibt Beides gleich.
    Die AfD Regionen sind sowieso Strukturwandel-Höchstfördergebiete.
    Der Milliarden BER ist auch nicht so weit entfernt- also die AfD Region Südbrandenburg ist mit Milliarden versorgt - alles gute Fördergebiete

  13. 149.

    Man kann nur hoffen, dass die Politik endlich versteht, dass Rechtsextreme nicht mit Milliarden Euro Fördergeldern zu bekämpfen sind. Denen geht es nicht schlecht, keiner von denen muss hungern, das sind schlicht rechtsextreme Ideologen.

    Fördert endlich vernünftige Regionen und ansonsten nur soziale Projekte.

    Sonst denken andere noch, "oh wir müssen Rechtsextreme wählen, dann bekommen wir auch Fördermilliarden". Klang hier ja schon an...

  14. 148.

    Diese Regionen sollten wir boykottieren, vor allem auch touristisch. Denn, wie es richtig heißt, die Demokratie stirbt nicht am lauten Geschrei der rechten Täter, sondern am Schweigen der demokratischen Mehrheit.

  15. 147.

    Ich war Lehrer und bin ganz selbstverständlich Antifaschist.

    Wenn ich in den Schuldienst zurück wollte wäre das kein Problem. Für Sie etwa?

  16. 146.

    Was wäre Ihre Lösung gewesen?

    Die unproduktive ineffiziente marode Industrie irgendwie am Leben halten, damit jeder mit einem Job beglückt werden kann (bis auf Regimegegner natürlich)

    Ich glaube da hat jemand nicht verstanden warum die DDR bankrott ging. Die DDR hätte wohl erstmal den Weg wie andere Ostblockstaaten gehen müssen....

  17. 145.

    Die AfD hat natürlich keine Verantwortung für den Niedergang im Südosten Brandenburgs - die Menschen wandern von selbst ab - bei Brauner Kohle, Brauner Spree und Braunen Menschen.
    AfD und Nazis haben nie Verantwortung für Irgendwas.

  18. 144.

    denn:
    wenn du denkst, dann denkst du nur du denkst, (aber) das Denken der Gedanken ist gedankenloses denken.
    Was ist das für eine Welt geworden in denen Bildung keinen Wert mehr hat.
    Der Egoismus die Überhand gewinnt.
    Die Menschheit richtet sich selbst.

    Gelernt, haben wir anscheinend nicht, aus der Vergangenheit (2. Weltkrieg - vom Österreicher angeführt & die Deutschen sind blind hinterher). Verleugnet, was geht.
    Wo ist gleich die eigene Nasenspitze?
    Die Lehrer tragen keine Schuld, sie wollten Unterstützung, bekommen haben sie nichts.
    Und nun bekommen die Schüler: NICHTS! => ergo kein Wissen, keinen Unterricht.
    Ist das jetzt besser?

  19. 143.

    In Burg, in Spree-Neiße, im Spreewald, in Cottbus und der Lausitz, haben die Rechten gewonnen und die Region stirbt weiter - UND DAS IST AUCH GUT SO.
    Dann braucht man keine Angst mehr, vor Nazis und AfD-Leuten zu haben.

  20. 142.

    Hä? Klassischer Whataboutismus um den Holocaust zu relativieren. Sowas kommt üblicherweise nur von Rechtsextremen.

    Erstens rechnen Sie mal bitte vor.

    Wenn Sie alle internationalen Strömungen zusammenrechnen, dann doch bitte alle faschistischen rechten ebenfalls.

    Und ja ich finde ihren wiederholte Relativierung des Holocaust verabscheuungswürdig!

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