Abbau von 750 Stellen - Goodyear will Reifenproduktion in Fürstenwalde beenden
Seit mehr als 80 Jahren werden in Fürstenwalde/Spree Gummireifen produziert. Nun will das Unternehmen Goodyear die Reifenproduktion schließen und 750 Arbeitsplätze streichen. Die Gewerkschaft IG BCE plant dagegen einen Protest.
Der Reifenhersteller Goodyear will die Produktion im Werk in Fürstenwalde (Oder-Spree) stilllegen. Das Unternehmen kündigte am Donnerstag Pläne an, die Reifenherstellung an dem Standort schrittweise bis Ende 2027 zu beenden. Nach Angaben eines Sprechers sollen 750 Stellen abgebaut werden.
Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) möchte die Schließungspläne für die Reifenproduktion von Goodyear in Ostbrandenburg nicht hinnehmen. Sie werde Protestaktionen starten und Bündnisse für den Erhalt der Reifenproduktion in Fürstenwalde organisieren, kündigte die Gewerkschaft nach Bekanntwerden der Schließungspläne am Donnerstag an.
Für den 24. November sei ein Aktionstag vor dem Bundesfinanzministerium geplant. Die Landes- und Bundespolitik sei gefordert, um die Industriearbeitsplätze in Fürstenwalde, Fulda und überall in Deutschland zu sichern, forderte die IG BCE.
Unternehmen will möglichst wenige Kündigungen
Das Werk in Fürstenwalde hat den Angaben zufolge derzeit insgesamt etwa 930 Beschäftigte. Rund 200 Mitarbeiter sollen demnach am Standort weiterhin Gummimischungen herstellen, die dann in andere Goodyear- Werke in Europa, im Nahen Osten und Afrika geliefert werden. Die restliche Reifenproduktion soll unter anderem ins Ausland verlagert werden, hieß es aus Mitarbeiterkreisen gegenüber dem rbb.
Wie genau die Produktion zurückgefahren wird, stehe noch nicht fest, sagte ein Unternehmenssprecher dem rbb. Mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft werde dies nun ebenso verhandelt wie der genaue Ablauf des Stellenabbaus. Man wolle das mit möglichst wenig Kündigungen erreichen, etwa mit Abfindungs- und Vorruhestandsregelungen. Auch über mögliche Übernahmen von Mitarbeitern in andere Werke solle verhandelt werden.
Schließen soll nach den Plänen des Unternehmens auch das Werk im hessischen Fulda. Dies ist bis Ende September 2025 vorgesehen. Es sollen dort 1.050 Stellen wegfallen.
Betriebsrat: Auch andere Unternehmen betroffen
Das Unternehmen begründet den Schritt mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten, hohen Personal- und Energiekosten sowie Überkapazitäten am Markt durch Konkurrenz unter anderem aus Asien. "Dies ist eine schwierige, aber notwendige Entscheidung, um Überkapazitäten zu reduzieren und unsere Produktionsstruktur mit der Nachfrage in Einklang zu bringen", teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. Die Marktaussichten in allen Bereich der Reifenindustrie hätten sich in den vergangenen Monaten "deutlich und rapide" verschlechtert, sagte ein Sprecher.
Der Betriebsratsvorsitzende von Goodyear Fürstenwalde, Peter Weiser, sprach in rbb24 Brandenburg aktuell von einem "Schock für die Belegschaft". Er betonte, dass von der Entscheidung nicht nur Mitarbeiter von Goodyear betroffen seien, sondern auch viele weitere in Unternehmen, die am Standort für Goodyear arbeiteten.
Gewerkschaft kritisiert Management
Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) nannte die Pläne hochproblematisch aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen. In einer Mitteilung betonte die Gewerkschaft, Beschäftigte würden in Fürstenwalde teils in zweiter und dritter Generation arbeiten. Nach über 80 Jahren Reifenproduktion werde diese Tradition jäh beendet.
Die Belegschaft sei am Nachmittag zum Schichtwechsel informiert worden, sagten Mitarbeiter dem rbb. "Gerade für Arbeiter mit befristeten Arbeitsverträgen ist das schwer. Die wissen auf einmal gar nicht, wo sie stehen, und für alle anderen ist es nicht viel leichter", sagte ein Reifenwerker zur Stimmung.
Man habe zwar schlechte Nachrichten befürchtet, sagte Rolf Erler, Bezirksleiter Berlin-Mark Brandenburg von der Gewerkschaft IG BCE dem rbb. "Aber dass es so eine drastische Hiobsbotschaft gibt, damit haben wir nicht gerechnet." Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sei informiert worden. Mit ihm soll auf der anstehenden Betriebsversammlung über mögliche Lösungen für das Werk gesprochen werden.
Die IG BCE warf Goodyear vor, "Gewinnmaximierung" zu betreiben und zu wenig für sichere Perspektiven in der Reifenindustrie getan zu haben. "Völlig unverständlich ist zum Beispiel, dass mit der Gigafactory von Tesla in unmittelbarer Nachbarschaft in Grünheide keine strategische Zusammenarbeit aufgebaut wurde."
Bürgermeister Rudolph: Hoffnung auf Nachnutzung des Standorts
Bürgermeister Matthias Rudolph (Bündnis Fürstenwalder Zukunft) äußerte im rbb die Hoffnung, dass wegen Tesla die meisten Mitarbeiter einen neuen Job finden werden. Er hoffe zudem, jemanden für die Nachnutzung des Standorts zu finden. Die Nachfrage nach solchen Standorten sei in den letzten Jahren explodiert. Dennoch sei die Situation dramatisch, so Rudolph. Damit schließe der vorletzte DDR-Traditionsbetrieb der Stadt.
Goodyear ist nach eigenen Angaben eines der größten Reifenunternehmen der Welt. Das Unternehmen beschäftigt rund 74.000 Mitarbeiter weltweit und stellt seine Produkte in 57 Werken in 23 Ländern auf der ganzen Welt her. In Deutschland zählt Goodyear rund 5.000 Mitarbeitende.
Sendung: Antenne Brandenburg, 16.11.2023, 16:30 Uhr