Abbau von 750 Stellen - Goodyear will Reifenproduktion in Fürstenwalde beenden

Fr 17.11.23 | 07:14 Uhr
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Archivbild: Eine Mitarbeiterin im Werk der Goodyear Dunlop Tires Germany GmbH im brandenburgischen Fürstenwalde am 15.04.2010 (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Video: rbb24 Brandenuburg aktuell | 16.11.2023 | Nachrichten | Bild: dpa/Patrick Pleul

Seit mehr als 80 Jahren werden in Fürstenwalde/Spree Gummireifen produziert. Nun will das Unternehmen Goodyear die Reifenproduktion schließen und 750 Arbeitsplätze streichen. Die Gewerkschaft IG BCE plant dagegen einen Protest.

Der Reifenhersteller Goodyear will die Produktion im Werk in Fürstenwalde (Oder-Spree) stilllegen. Das Unternehmen kündigte am Donnerstag Pläne an, die Reifenherstellung an dem Standort schrittweise bis Ende 2027 zu beenden. Nach Angaben eines Sprechers sollen 750 Stellen abgebaut werden.

Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) möchte die Schließungspläne für die Reifenproduktion von Goodyear in Ostbrandenburg nicht hinnehmen. Sie werde Protestaktionen starten und Bündnisse für den Erhalt der Reifenproduktion in Fürstenwalde organisieren, kündigte die Gewerkschaft nach Bekanntwerden der Schließungspläne am Donnerstag an.

Für den 24. November sei ein Aktionstag vor dem Bundesfinanzministerium geplant. Die Landes- und Bundespolitik sei gefordert, um die Industriearbeitsplätze in Fürstenwalde, Fulda und überall in Deutschland zu sichern, forderte die IG BCE.

Unternehmen will möglichst wenige Kündigungen

Das Werk in Fürstenwalde hat den Angaben zufolge derzeit insgesamt etwa 930 Beschäftigte. Rund 200 Mitarbeiter sollen demnach am Standort weiterhin Gummimischungen herstellen, die dann in andere Goodyear- Werke in Europa, im Nahen Osten und Afrika geliefert werden. Die restliche Reifenproduktion soll unter anderem ins Ausland verlagert werden, hieß es aus Mitarbeiterkreisen gegenüber dem rbb.

Wie genau die Produktion zurückgefahren wird, stehe noch nicht fest, sagte ein Unternehmenssprecher dem rbb. Mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft werde dies nun ebenso verhandelt wie der genaue Ablauf des Stellenabbaus. Man wolle das mit möglichst wenig Kündigungen erreichen, etwa mit Abfindungs- und Vorruhestandsregelungen. Auch über mögliche Übernahmen von Mitarbeitern in andere Werke solle verhandelt werden.

Schließen soll nach den Plänen des Unternehmens auch das Werk im hessischen Fulda. Dies ist bis Ende September 2025 vorgesehen. Es sollen dort 1.050 Stellen wegfallen.

Betriebsrat: Auch andere Unternehmen betroffen

Das Unternehmen begründet den Schritt mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten, hohen Personal- und Energiekosten sowie Überkapazitäten am Markt durch Konkurrenz unter anderem aus Asien. "Dies ist eine schwierige, aber notwendige Entscheidung, um Überkapazitäten zu reduzieren und unsere Produktionsstruktur mit der Nachfrage in Einklang zu bringen", teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. Die Marktaussichten in allen Bereich der Reifenindustrie hätten sich in den vergangenen Monaten "deutlich und rapide" verschlechtert, sagte ein Sprecher.

Der Betriebsratsvorsitzende von Goodyear Fürstenwalde, Peter Weiser, sprach in rbb24 Brandenburg aktuell von einem "Schock für die Belegschaft". Er betonte, dass von der Entscheidung nicht nur Mitarbeiter von Goodyear betroffen seien, sondern auch viele weitere in Unternehmen, die am Standort für Goodyear arbeiteten.

Gewerkschaft kritisiert Management

Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) nannte die Pläne hochproblematisch aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen. In einer Mitteilung betonte die Gewerkschaft, Beschäftigte würden in Fürstenwalde teils in zweiter und dritter Generation arbeiten. Nach über 80 Jahren Reifenproduktion werde diese Tradition jäh beendet.

Die Belegschaft sei am Nachmittag zum Schichtwechsel informiert worden, sagten Mitarbeiter dem rbb. "Gerade für Arbeiter mit befristeten Arbeitsverträgen ist das schwer. Die wissen auf einmal gar nicht, wo sie stehen, und für alle anderen ist es nicht viel leichter", sagte ein Reifenwerker zur Stimmung.

Man habe zwar schlechte Nachrichten befürchtet, sagte Rolf Erler, Bezirksleiter Berlin-Mark Brandenburg von der Gewerkschaft IG BCE dem rbb. "Aber dass es so eine drastische Hiobsbotschaft gibt, damit haben wir nicht gerechnet." Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sei informiert worden. Mit ihm soll auf der anstehenden Betriebsversammlung über mögliche Lösungen für das Werk gesprochen werden.

Die IG BCE warf Goodyear vor, "Gewinnmaximierung" zu betreiben und zu wenig für sichere Perspektiven in der Reifenindustrie getan zu haben. "Völlig unverständlich ist zum Beispiel, dass mit der Gigafactory von Tesla in unmittelbarer Nachbarschaft in Grünheide keine strategische Zusammenarbeit aufgebaut wurde."

Bürgermeister Rudolph: Hoffnung auf Nachnutzung des Standorts

Bürgermeister Matthias Rudolph (Bündnis Fürstenwalder Zukunft) äußerte im rbb die Hoffnung, dass wegen Tesla die meisten Mitarbeiter einen neuen Job finden werden. Er hoffe zudem, jemanden für die Nachnutzung des Standorts zu finden. Die Nachfrage nach solchen Standorten sei in den letzten Jahren explodiert. Dennoch sei die Situation dramatisch, so Rudolph. Damit schließe der vorletzte DDR-Traditionsbetrieb der Stadt.

Goodyear ist nach eigenen Angaben eines der größten Reifenunternehmen der Welt. Das Unternehmen beschäftigt rund 74.000 Mitarbeiter weltweit und stellt seine Produkte in 57 Werken in 23 Ländern auf der ganzen Welt her. In Deutschland zählt Goodyear rund 5.000 Mitarbeitende.

Sendung: Antenne Brandenburg, 16.11.2023, 16:30 Uhr

83 Kommentare

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  1. 82.

    Sind das die gleiche 25 % die uns seit Jahr und Tag erzählen, das sie darüber nachdenken ihre Produktion wegen der hohen Steuern ins Ausland zu verlagern? Oder wegen der hohen Lohnkosten.
    Die sind alle noch da-oder auch reumütig wieder zurückgekommen.

    Dieses, mit Verlaub, dumme Gesülze war noch nie glaubhaft und ist es auch heute nicht.
    Oder anders: Soll doch das Unternehmen X seine Gummientenproduktion in die innere Mongolei verlagern und den dortigen Markt bedienen. Dort sollen die Energiekosten ja um einiges niedriger sein als hier.

  2. 81.

    Sie haben recht, ein Berufsabschluss ist die perfekte Grundqualifikation.

    Eine Grundqualifikation, aber nicht perfekte, ist das Studium.

    Warum? Es fehlt an praktischen Arbeitnehmererfahrungen, die regelmäßig auch eine gewisse Weisungsgebundenheit beinhalten.

    Die Praxis formt Charakter.

    Studenten haben es da schwerer und weisen einen Mangel auf.

    Beruf und Studium ist schon toll.

    Und wählen übrigens viele junge und arbeitende Bürger (mit Beruf und/oder Studium).

    Arbeitslose und Künstler wählen und in der Tat objektiv seltener.

  3. 80.

    Gerade die Frischlinge aus der Uni haben so wenig Praxisbezug, dass sie hauptsächlich dafür die Verantwortung tragen, dass Goodyear aufgeben "will".
    Darüber hat ein mir bekannter Mitarbeiter so sehr geschimpft. Das sind Grünschnäbel. Die Leute delegieren, weil sie es selbst nicht hinbekommen, dafür nehmen sie in Kauf, dass sie kaum noch Freizeit haben.
    Wenn es irgendwie abgewendet werden kann, so würde ich mir für die Mitarbeiter einen anderen Werksleiter wünschen, welcher wesentlich bessere und langjährige Praxiserfahrung aufbieten kann und selbst mitarbeitet!

  4. 79.

    Günstige Autos und Reifen aus Asien kaufen und dann wundern, wenn der eigene Arbwitsplatz wegfällt.. .mich wundert gar nichts..

  5. 78.

    Man muß nicht unbedingt einen Berufsabschluss haben um vernünftige politische Entscheidungen treffen zu können. Auch akademisch gebildete Personen ( Andi Scheuer/Alexander Dobrind u.s.w.) treffen Entscheidungen die dem Steuerzahler dann teuer zu tehen kommen. Im übrigen ist es in einer Dreierkoalition aüßertst schwierig immer zu vernünftigen Entscheidungen zu kommen, da jede Partei auch ihre potentiellen Wähler im Blick haben muß. So läuft das halt in einer Demokratie. Es gibt halt auch nichts besseres.

  6. 77.

    Tesla und viele andere Arbeitgeber in Ostbrandenburg, suchen immer noch, dringend Arbeitskräfte - einfach mal flexibel sein und 20 Kilometer fahren !!!
    Oder selbst mal, ein Unternehmen oder einen Betrieb eröffnen - dann weiß man selbst auch wie schwer, Unternehmertum ist.

  7. 76.

    „Was soll der Ausgang einer Landratswahl im Landkreis Dahme-Spreewald mit der Entscheidung zur Stilllegung eines Industrieunternehmens im Landkreis Oder-Spree zu tun haben“

    Danke für die Klarstellung.

    Auch mit AfD wäre es also so gekommen.

    Es macht also wirtschaftlich keinen Unterschied für die Wirtschaft, ob die AfD oder andere im Landkreis regieren.

    Warum behaupten aber immer alle das Gegenteil ?

    Märchen also, die Angst vor der AfD schüren sollen.

    In Sonneberg ist es nach der Wahl sehr ruhig geworden.

    Geben Sie mir objektiv recht?

  8. 75.

    Was soll der Ausgang einer Landratswahl im Landkreis Dahme-Spreewald mit der Entscheidung zur Stilllegung eines Industrieunternehmens im Landkreis Oder-Spree zu tun haben, welches diese eindeutig und ausdrücklich mit globalen Marktbedingungen begründet?
    Hier wird aber wieder mal ein Unsinn konstruiert und verbreitet.
    Kann man nur hoffen das Suchmaschinen rbb Kommentare ignorieren.
    Nicht das das noch jemand ausserhalb des Sendegebietes mitbekommt und denkt Brandenburger sind so.

  9. 74.

    Das Unternehmen begründet die Werksschließung mit hohen Personal- und Energiekosten PLUS wirtschaftlichen Schwierigkeiten sowie Überkapazitäten am Markt durch Konkurrenz unter anderem aus Asien. Sie haben einzig auf die Energiewende fokussiert und dieser die Schuld am Rückzug von Goodyear gegeben. Das ist Stammtischhuberei, Mike. Ich habe auch nicht verlangt, Goodyear Produkte zu boykottieren, wie zu unterstellen scheinen, sondern die Firma mal unter die Lupe zu nehmen und dabei mw. zu erkennen, dass diese für ihre Absatzschwierigkeiten auch eine Eigenverantwortung trägt. Und zum Thema Lohnerhöhungen könnten Sia ja mal einen konstruktiven Gegenvorschlag machen, Mike.

  10. 73.

    Na klar wäre Goodyear bei einer Machtübernahme durch Rechtsaußen geblieben, die Toleranzpartei AgD macht Deutschland schließlich so viel attraktiver für weltweit tätige Unternehmen. Vielleicht denken Sie ja besonders an die Toleranz der AgD gegenüber Umweltsünden.

  11. 72.

    Wenn die AfD mit Herrn Kotre gewonnen hätte, wäre Goodyear geblieben. Da bin ich mir sicher.

  12. 71.

    Ein Satz Reifen macht noch lange keinen Hersteller mies.
    Vielleicht ist das Set irgendwo heruntergefallen oder ein Container stand drauf...
    Momentan geht dermaßen viel Material in die Produktionsstätten von Fahrradherstellern...
    Ich an ihrer Stelle hätte den Reifen umgehend zurückgeschickt.

  13. 70.

    Nix mit billigem Atomstrom, sondern staatl. subventioniert. Laut der europäischen Statistikbehörde Eurostat entspricht der hiesige Industriestrompreis ziemlich genau dem Durchschnitt der EU. In Ländern wie Dänemark, Italien oder Belgien (46% Atomstrom) ist er zum Teil erheblich höher. In Polen, Portugal oder Frankreich ist der Preis niedriger. Insbesondere Frankreich spielt eine Sonderrolle. Denn dort muss der Staatskonzern EDF eine erhebliche Menge an Strom zu regulierten Preisen abgeben - wovon viele Industriebetriebe profitieren.

  14. 69.

    Der Weg zur Deindustrisaliesierung ist steinig und schwer, aber die ruhmreichen Drei beschreiten ihn mit allen Konsequenzen.
    Noch reicht der Ertrag der verkündeten Energiewende nicht für alle.
    Und, die Verkehrswende, die durch Dieselverbot eingeleitet wurde, zündet die nächste Stufe, Reifen werden für die ewig Gestrigen auch bald unerschwinglich.
    Deutschland wird zur grünen Insel.
    Ist das nicht schön?

  15. 68.

    Die durchschnittliche Bauzeit eines AKW beträgt mittlerweile 10 Jahre. Natürlich würde dies in Deutschland Jahrzehnte dauern, da gebe ich Ihnen Recht.

  16. 67.

    Genau, werte Berlinerin, die Grünen sind schuld an allen Problemen der internationalen Wirtschaft! Ich glaube, die haben auch die Mauer gebaut und den Klimawandel erfunden, damit Menschen wie Sie einen Sündenbock haben.

  17. 66.

    Leider hat die Qualität von Schwalbe Reifen in den letzten Jahren sehr nachgelassen. Ich hatte mir vor ca. 20 Jahren einen Satz "Marathon Plus" gekauft. Vor etwa 2 Jahren einen neuen Satz, weil das Profil abgefahren war, aber äußerlich noch gut waren. Die neuen Reifen haben bereits nach 1 Jahr Flankenrisse und der sieht aus als ob er die letzten 10 Jahre in der Sonne gelegen hätte.

  18. 65.

    Tesla rüstet seine Autos ab Werk mit Michelin Reifen aus… wie viele andere E-Auto Hersteller auch.
    Scheint wohl wichtigere Sachen zu geben als nebenan ein Reifenwerk zu haben.

  19. 64.

    Sie haben Recht, da steht doch tatsächlich unter anderem "hohe Personal- und Energiekosten". Natürlich wird durch die allgemeine Kostenentwicklung aufgrund der Energiewende, ein Anspruch der Arbeitnehmer auf eine dementsprechende Lohnerhöhung folgen.
    Und weshalb sollte ich mich jetzt extra mit den Machenschaften von "Goodyear" auseinandersetzen? Täte ich dies jedes Mal, dann dürfte ich wohl gar kein Produkt mehr kaufen.
    Eigentlich geht es aber hier auch in erster Linie um die Arbeitsplätze!

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