Interview l Kündigungen nach Gorillas-Streik - "Die Zusage des Gorillas-CEO könnte man durchaus als Selbstverpflichtung ansehen"

In Berlin wurde Mitarbeitern des Lieferdienstes Gorillas fristlos gekündigt, nachdem sie für bessere Arbeitsbedingungen protestiert haben. rbbl24 hat Florian Rödl vom Institut für Arbeitsrecht der FU Berlin gefragt, ob solche Kündigungen rechtens sind.
rbb|24: Herr Rödl, in Berlin hat das Lieferservice-Start-up Gorillas Mitarbeiter entlassen, die im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen in einen Streik getreten sind. Sind solche Kündigungen überhaupt rechtens?
Florian Rödl: Nach deutschem Arbeitskampfrecht sind Streiks nur zulässig, wenn die Gewerkschaft dazu aufgerufen hat. Diese Regelung ist auch ganz sinnvoll so. Normalerweise ruft eine Gewerkschaft ihre Mitglieder und alle anderen Beschäftigten auf, ihre Arbeit niederzulegen. Der Hintergrund ist, dass der Arbeitgeber wissen muss, wie er einen Streik beendet, nämlich durch Abschluss eines Tarifvertrags. Dafür braucht er einen Tarifvertragspartner.

Wenn ganz konkrete Forderungen gestellt werden, steht es dem Arbeitgeber doch frei, darauf einzugehen. Warum ist das keine Option?
Das könnte der Arbeitgeber natürlich tun. Wenn man allerdings fragt, unter welchen Voraussetzungen darf ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsvertrag verletzen, dann ist das eben nur ein gewerkschaftlicher Streikaufruf. Nur ein gewerkschaftlich geführter Streik und ein gewerkschaftlich ausgehandelter Tarifvertrag sichern am Ende auch die Stabilität und die Durchsetzung der ausgehandelten Arbeitsbedingungen und auch ihre Qualität.
Das deutsche Arbeitsrecht sieht es so, dass untarifierte Arbeitsverträge eigentlich nicht existieren sollen. Trotzdem sind auf Arbeitnehmerseite allein die Gewerkschaften dafür zuständig. Und wer diese Vertretung für sich haben will, der muss sich deshalb auch zu einem Gewerkschaftsbeitritt durchringen.
Andererseits ist es erlaubt, unzumutbare Arbeitsaufträge zu verweigern. Wäre die Aktion nicht auch damit zu rechtfertigen?
Ja und nein. Wenn sich herausstellt, dass es wirklich nur ein wilder Streik ist, dann ist das eine Verletzung der Arbeitsverpflichtung. Da wird man wohl auch sagen müssen, die Leute tun das vorsätzlich. Damit stören sie den Arbeitsfrieden und das dürfen sie nur, wenn die Gewerkschaft dazu aufruft. Auf den ersten Blick könnte damit auch eine Kündigung gerechtfertigt werden.
Ich bin aber der Auffassung, dass der Arbeitgeber trotzdem abmahnen muss: 'Kommt jetzt sofort zurück zur Arbeit, sonst schmeiße ich euch raus.' Eine Abmahnung muss immer dann vor einer Kündigung erfolgen, wenn der Arbeitnehmer sein Verhalten abstellen kann. Und das wäre hier definitiv der Fall.
Wenn das geschehen ist, dann ist auch die außerordentliche Kündigung rechtmäßig. Es sei denn, die Arbeitsanweisungen, die die Mitarbeiter erhalten, sind durch die Bank als unzumutbar zu bezeichnen. Dann können sich die Beschäftigten sehr wohl auf den Standpunkt stellen: 'Solange wir keine zumutbare Anweisungen erhalten, arbeiten wir nicht.'
Der CEO von Gorillas, Kagan Sümer, hat noch im Juli beteuert, niemanden wegen der Teilnahme an einem Streik zu entlassen. Wie ist das zu bewerten?
Das ist ein sehr interessanter Punkt. Das könnte man aus meiner Sicht durchaus als eine Selbstverpflichtung ansehen, die sagt: 'Wenn ihr streikt, mache ich eins nicht, nämlich kündigen.' Das hebt die Hürde für Kündigungen natürlich höher. Rechtlich wäre die Frage: Durften die Mitarbeiter diese Äußerung als rechtsverbindlichen vorbeugenden Kündigungsverzicht verstehen auch für den Fall eines wilden Streiks? Das hängt ab von Umständen, die ich so ad hoc nicht beurteilen kann. Ganz sicher allerdings wird man angesichts dieser Äußerung eine Abmahnung verlangen müssen. Denn zumindest hat der CEO damit für die Beschäftigten verunklart, welche Folgen eine Arbeitsniederlegung haben könnte.
Gibt es rechtlich denn noch irgendwelche Möglichkeiten, die Aktion der Gorillas-Mitarbeiter zu legalisieren und die Kündigungen unwirksam zu machen?
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit 1955, dass ein wilder Streik nachträglich von einer Gewerkschaft, wie zum Beispiel Verdi, übernommen werden kann. Dann wird er rückwirkend rechtmäßig und das muss dann auch zur Folge haben, dass die ausgesprochenen Kündigungen ebenso rückwirkend unwirksam werden. Angenommen, die Gorillas-Mitarbeiter würden jetzt alle eintreten bei Verdi, und Verdi sagt, sie übernehmen jetzt den Streik, dann ist die Sache erledigt.
Was können gekündigte Gorillas-Mitarbeiter jetzt machen, um gegen ihre Kündigungen vorzugehen?
Wenn sie dagegen vorgehen wollen, dann müssten sie binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage erheben. Am besten würde man das über eine anwaltliche Vertretung tun, oder - wenn man sich das nicht leisten kann - müsste man in eine Gewerkschaft eintreten. Dann übernimmt diese die Vertretung.
Herr Rödl, vielen Dank für das Gesrpäch!
Das Interview führte Roberto Jurkschat, rbbl24
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