Wasserstoff für die Wärmewende - Vattenfall rechnet mit steigenden Preisen bei der Fernwärme
Der Energiekonzern Vattenfall will in Berlin Milliardenbeträge in den Netzausbau stecken. Der Kurswechsel klappt allerdings nur mit Wasserstoff, den derzeit niemand liefern kann. Von Johannes Frewel
Ob Heizen, warmes Wasser oder die Klimaanlage: eines Tages soll dabei kein klimaschädliches Treibhausgas CO2 mehr entstehen. Nicht nur Immobilieneigentümer, auch große Energiekonzerne müssen viel Geld in die Hand nehmen und ihr Geschäftsmodell für die Wärmewende zurechtzurren. Auf Verbraucher kommen höhere Rechnungen zu. Den Aufschlag kann bisher aber niemand beziffern.
Bald sollen nur noch Heizungen eingebaut werden, die wenigstens teilweise mit erneuerbaren Energien betrieben werden können. Oft könnte es auf eine Wärmepumpe hinauslaufen. Als Alternative erlaubt der Gesetzgeber Fernwärme da, wo sie verfügbar ist. Doch wie klimafreundlich ist die heute?
95 Prozent der Berliner Fernwärme aus Erdgas und Kohle
Mit 1,4 Millionen angeschlossenen Haushalten hat Vattenfall in Berlin quasi das Monopol bei Fernwärme. "Wir versorgen heute die Berlinerinnen und Berliner zu 77 Prozent auf der Grundlage von Erdgas mit Fernwärme", rechnet Christian Feuerherd, Chef von Vattenfall Wärme in Berlin vor. "Wir haben noch 18 Prozent Steinkohle im System". Insgesamt etwa 95 Prozent der Fernwärme kommen also aus Gas und Kohle. Der große Rest etwa aus Abwärme der Müllverbrennung, bei der auch das klimaschädliche CO2 entsteht.
Damit sich das ändert, will Vattenfall bis 2030 schrittweise aus der Kohle aussteigen und auch den Erdgasanteil bis 2040 auf null reduzieren. Angepeilt wird, dass 2030 mindestens 40 Prozent der Fernwärme nicht mehr durch die Verbrennung von Kohle und Gas entsteht. Mehr Energie soll aus Müllverbrennung, Biomasse und durch Wärmepumpen kommen. Doch das reicht nicht: Etwa die Hälfte der Fernwärme-Energie soll Wasserstoff beisteuern.
Schrumpfender Wärmemarkt und steigende Kosten
Den wachsenden Milliardeninvestitionen steht allerdings ein Wärmemarkt gegenüber, der zunehmend schrumpft. Je mehr Häuser energetisch saniert werden, umso weniger Heizenergie kann Vattenfall verkaufen. Deutlich steigende Kosten müssen also auf geringere Wärmemengen umgelegt werden. Das bedeutet höhere Kosten für Fernwärmekunden.
Daran ändert zunächst auch nichts, das Vattenfall hofft, die Politik könnte mit einem Abschlusszwang für zusätzliche Kunden sorgen. "Das lässt sich heute seriös nicht beantworten, wie viel das in Euro und Cent je Megawattstunde ausmacht", betont Feuerherd, "die Wärme wird sicher nicht billiger werden."
Ein weiteres Problem: Für die schrittweise Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff ab 2035 gibt es noch keine Anbieter. Erst recht keine, die das Gas langfristig liefern könnten. Es soll mit Hilfe von Strom aus Wasser entstehen.
Fernwärme konkurriert mit Stahlkochern um Wasserstoff
Vattenfall hofft in Berlin deshalb auf Rückenwind der Bundesregierung für Wasserstoff. Sie könnte über die Bundesnetzagentur die benötigten riesigen Wasserstoffmengen ausschrieben. Ob Vattenfall fürs Heizen etwas davonbekommen würde, ist jedoch offen. Es gibt Industriebranchen wie etwa Stahlwerke, die keine andere Möglichkeit als den knappen Wasserstoff haben, ihre Produktion zu dekarbonisieren.
Bis 2028 müssen die Kommunen festlegen, wo Fernwärme ausgebaut wird und wo nicht. Wie das geschehen könnte, da hat die Branche klare Vorstellungen. Aus Effizienzgründen sollten ganze Straßenzüge komplett an Fernwärme angeschlossen werden, hofft man bei Vattenfall. Auch dort, wo Eigentümer bis dahin vielleicht schon längst eine neue Heizung etwa mit einer Wärmepumpe eingebaut haben.
Sendung: rbb24 Inforadio, 03.07.2023, 15:35 Uhr