Larkin Poe in Berlin - "Es fühlt sich einfach cool an, mit einer E-Gitarre auf der Bühne zu stehen"
Rebecca und Meghan Lowell, besser bekannt als Larkin Poe, haben mit starken Gitarren-Riffs und rauchigem Sound Karriere gemacht. Einfach war es nicht, sich in der männerdominierten Szene durchzusetzen. Nun kommen sie erneut nach Berlin. Von Anja Caspary
Es ist auch heute noch eine Seltenheit, eine Frau auf der Bühne Leadgitarre oder überhaupt Gitarre spielen zu sehen. Als ich 1986 die Bangles im Loft sah, war das ein erhebender Moment. Auf dem Nachhauseweg fühlte ich mich noch besser als nach einem Bud-Spencer-Film - ähnlich stark und unbesiegbar, aber endlich mit dem richtigen Gendervorbild.
Blick zurück: Als Joan Jett in den 70ern in schwarzer Lederkombi mit ihrer Gibson Melody Maker vorne am Bühnenrand "I love Rock'n'Roll" bellte, schrie das überwiegend männliche Publikum "Ausziehen, ausziehen" zurück. Oder warf Bierdosen nach ihr, weil es eine Frau am musikalischen Phallussymbol der Männlichkeit nicht ertragen wollte.
Der Weg war für Jetts "Rocktöchter" Larkin Poe, die jetzt Anfang 30 sind, nicht ganz so steinig, aber auch nicht rosig. "Am Anfang unserer Karriere waren wir ein Novelty-Act, eine Art Jahrmarktsattraktion. Wir mussten uns immer wieder anhören: Och ist das süß, da spielen zwei Mädchen Gitarre!", sagt Rebecca Lowell.
"Es macht einen ungeheuer selbstbewusst"
Zum Glück hatten die Südstaatenschwestern aus Atlanta, Georgia, schon damals ein dickes Fell. Bereits als Teenager traten sie - damals noch zu dritt - mit Banjo und Fiddle auf und spielten Bluegrass. In der US-amerikanischen Live-Countryszene waren die drei "Lowell Sisters" keine Unbekannten. Mit der Volljährigkeit stieg die älteste Schwester aus, die anderen beiden legten die Klampfen beiseite. Als Fans von Black Sabbath und den Allman Brothers wollten sie Roots und Rock verbinden und stöpselten 2010 die E-Gitarren ein: "Es fühlt sich einfach cool an, mit einer E- Gitarre auf der Bühne zu stehen, es macht einen ungeheuer selbstbewusst".
"Die Leute haben leider Klischees im Kopf"
Mit dem Genrewechsel kamen aber auch die Vorurteile. So ganz straflos bricht man nicht in eine Männerdomäne ein. Aber Rebecca und Meghan ließen sich nicht beirren und gingen auf Tour. Von den Käffern auf dem Land zogen sie ganz langsam größere Kreise. Zuerst nur in den USA, dann zunehmend auch in Europa. Seit 18 Jahren sind Larkin Poe mittlerweile auf Tour, nur Corona konnte sie für ein Jahr zur Pause zwingen. Durch das Livegeschäft hätten sie sich "beweisen" können, sagt Meghan Lowell. "Die Leute haben leider Klischees im Kopf, aber mit der Zeit haben sie bemerkt, dass wir nicht nur hübsche Frauen sind, die Gitarren halten können. Wir sind wettbewerbsfähige Musiker und Songschreiber, völlig unabhängig vom Geschlecht."
Die Veränderung in der Rezeption ist spürbar: "Manchmal waren wir die einzigen Frauen auf Festivals, jetzt gibt es mehr weibliche Acts und mehr Frauen, die Gitarren spielen. Man kann schon fast von einer 'new wave of female rock' sprechen, wenn sogar Musikerinnen wie Taylor Swift zur E-Gitarre greifen. Wir haben den Eindruck, dass die Tage der singenden Divas à la Ariana Grande vorbei sind. Natürlich bewundern wir gute Sängerinnen wie sie, aber dass es jetzt Bands wie Boy Genius gibt, also zunehmend Frauen mit ihren Instrumenten bekannt werden, das ist toll."
Keine sexistischen Trolle
2015 spielten Larkin Poe die Songs ihres Debütalbums "Kin" zum ersten Mal in Berlin. An dem Abend im Postbahnhof waren überwiegend Männer im Publikum, die meisten mindestens doppelt so alt wie die Schwestern. Man sei hier wegen der virtuosen Slide-Guitar-Technik von Meghan und den Riffs von Rebecca - nicht weil die jungen Musikerinnen so gut aussehen, erzählten die Umstehenden. Besonders gut kam übrigens die Coverversion des alten Bluesrockklassikers "Black Betty" an. Als ich die kleine Milieustudie acht Jahre später zum Besten gebe, lacht Rebecca und lobt: "Kommunikation ist doch alles! Gut dass du damals die Frage gestellt hast, anstatt davon auszugehen, dass unser Publikum nur aus sexistischen Trollen besteht. So funktioniert der Abbau von Vorurteilen auf beiden Seiten."
"Dass wir eine Vorbildfunktion haben, macht uns sprachlos"
Sieben Alben haben die in Nashville lebenden Schwestern veröffentlicht. Am 5. Oktober kam die neue EP "An Acoustic Companion" heraus. Ihr Markenzeichen ist handgemachter traditioneller Blues- und Rootsrock mit wunderschönen Harmoniegesängen. Das könnten vielleicht nur Schwestern, erklären die Ur-Ur-Ur-Enkelinnen eines Historikers namens Larkin Poe, der ein entfernter Cousin von Edgar Allen Poe war. "Dass wir verwandt sind, macht es so einfach zu harmonieren. Wir sind miteinander aufgewachsen, sprechen denselben Dialekt, haben denselben Sprachduktus, wir müssen das nicht üben, wir harmonieren instinktiv."
Wer ihnen zuhört, kann das nur bestätigen. Denn die beiden sprechen gleichzeitig, ohne sich zu unterbrechen, die eine beendet den Satz der anderen, es ist frappierend, wie verbunden sie miteinander sind. Auch die Frage nach den schönsten Momenten ihrer Karriere beantworten sie gemeinsam: "Es sind die Momente, wenn uns junge Frauen nach den Konzerten ansprechen und erzählen, sie hätten unseretwegen angefangen, Gitarre zu spielen. Oder die Eltern, die uns Videolinks von ihren Töchtern schicken, die unsere Songs nachspielen. Dass wir eine solche Vorbildfunktion haben, macht uns ganz sprachlos. Das ist sehr bewegend."
Am 1. November 2023 um 20 Uhr spielen Larkin Poe im Huxleys Neue Welt in Berlin.