Datenanalyse | Kleingärten in Berlin - Der große Run auf das kleine Stück Grün
Wer in Berlin einen Kleingarten pachten möchte, braucht Geduld. Bis zu zwölf Jahre beträgt die Wartezeit. Und nicht alle Anlagen sind sicher: Mit dem Kleingartenentwicklungsplan sollen zwar viele Parzellen geschützt werden - aber nicht alle. Von Götz Gringmuth-Dallmer
Es sind schon ein wenig Weitsicht und Geduld notwendig, bevor die ersten Tomaten im eigenen Kleingarten geerntet werden können. Denn die Berliner Kleingartenverbände werden derzeit mit Anfragen für Parzellen überrannt.
Im Kleingarten-Bezirksverband Wedding beispielsweise kann es bis zu zwölf Jahre dauern, bis man eine Parzelle angeboten bekommt: Hier bewerben sich derzeit 5.000 Menschen für einen der 1.954 Kleingärten, die aber alle verpachtet sind. In Charlottenburg dauert es mindestens zehn Jahre.
Sechs bis sieben Jahre beträgt die Wartezeit für einen der etwa 3.700 Kleingärten beim Bezirksverband Spandau. In Weißensee warten 1.300 Menschen auf einen Schrebergarten - 600 weiteren wurde die Aufnahme auf die Warteliste für das kommende Jahr in Aussicht gestellt. Einige Verbände nehmen zur Zeit überhaupt keine Bewerber mehr auf.
Laut einer Umfrage unter den Bezirksverbänden der Kleingärtner in Berlin gibt es im Moment mehr als 30.000 schriftlich vorliegende Interessensbekundungen für eine der etwa 70.000 Parzellen in Berlin. Die Wartezeit beträgt zwischen zwei und zwölf Jahren, je nach Lage und gewünschter Ausstattung.
Bei diesen Zahlen kann nicht festgestellt werden, wie viele Menschen bei mehreren Verbänden ihr Interesse hinterlegt haben. rbbI24 hat 17 von 18 Bezirksverbänden angefragt, 14 haben geantwortet. Diese verwalten knapp drei Viertel der Kleingärten in Berlin. Der Bezirksverband der Gartenfreunde Köpenick e.V. war während der Recherche weder per Mail noch telefonisch erreichbar.
50 Prozent mehr Anmeldungen durch Corona
Vier bis fünf Jahre müssen Bewerberinnen und Bewerber auf einen Kleingarten in Pankow warten. Mit Stand der vergangenen Woche standen 1.728 Menschen auf der zentralen Warteliste für eine der 5.400 Parzellen des Bezirksverbandes.
Viola Kleinau ist die Vorsitzende der Gartenfreunde Pankow. Da Interessenten 50 Euro Anmeldegebühr bezahlen müssen, die bei der Pacht einer Parzelle verrechnet wird, glaubt sie nach eigener Aussage nicht, dass es sehr viele Mehrfachanmeldungen bei den Bezirksverbänden gibt. Sie berichtet, dass der Run auf Kleingärten in den Jahren 2012 bis 2014 begonnen habe. "Und durch Corona haben wir nochmal etwa 50 Prozent mehr Anmeldungen."
Kleingartenentwicklung nach Plan oder per Gesetz?
Kleingärten sind nicht nur bei den Bürgerinnen und Bürgern beliebt - die Flächen sind auch umkämpft, da die Stadt Platz für Kitas, Schulen oder Wohnungen benötigt. Im August hat der Senat – gegen Einwände der Bezirke - den neuen Kleingartenentwicklungsplan (KEP) verabschiedet. Darin ist festgelegt, welche Kleingartenanlagen dauerhaft gesichert sein sollen und welche in den kommenden Jahren Bauprojekten weichen könnten. Diesen Plan muss jetzt noch das Abgeordnetenhaus beschließen.
Parallel dazu arbeiten die Regierungsfraktionen derzeit an einem Gesetz, um Kleingärten zu schützen – das befindet sich derzeit im Stadium des Entwurfs. Im Moment werden die Stellungnahmen der einzelnen Senatsverwaltungen dazu eingeholt. Sollte es tatsächlich zum Gesetz werden, wäre das ein stärkerer Schutz als der Kleingartenentwicklungsplan.
In Berlin gibt es 877 Kleingartenanlagen (KGA) mit 70.953 Parzellen auf rund 2.900 Hektar. Davon sind 57.848 Parzellen, etwa 82 Prozent, dauerhaft gesichert oder sollen erhalten bleiben.
Für weitere 6.934 Parzellen in 150 Kleingartenanlagen wird der bislang nur bis Ende 2020 geltende Bestandsschutz bis 2030 verlängert.
Unterteilt in sieben Kategorien
Insgesamt geben im KEP sieben Kategorien darüber Auskunft, welche Bestandsaussichten die einzelnen Kleingartenanlagen haben. Zur der ersten Kategorie "dauerhaft gesicherte Kleingärten" gehören 48.104 Parzellen Kleingartenflächen, die durch einen Bebauungsplan als Dauerkleingärten festgesetzt sind. Der Bestand ist also gesichert. [1]
Zur Kategorie 2, "Dauerhaft zu erhaltende Kleingärten mit Handlungsbedarf", gehören 9.744 Parzellen. Für diese gibt es zwar teilweise einen Bebauungsplan, der ist aber oftmals schon mehr als 30 Jahre alt und wird so nicht mehr verfolgt. Deshalb drohen laut KEP auch keine Gefahren für die Anlagen. Jedoch müssen aus rechtlichen Gründen die Bebauungspläne geändert werden. [2]
Zumindest bis 2030 gesichert ist der Bestand der Kleingärten der Kategorie 3, im KEP bezeichnet als "Kleingärten mit langfristiger Nutzungsperspektive". Für diese 6.934 Parzellen sieht der Flächennutzungsplan langfristig eine andere Nutzung vor, wie zum Beispiel den Bau von Wohngebieten, Schulen oder auch Spielplätzen. [3]
Für 454 Parzellen in der Kategorie 4 endet 2020 die Schutzfrist. Sie sollen in den nächsten zehn Jahren für Infrastrukturprojekte genutzt werden. [4]
2.672 Kleingärten gehören privaten Eigentümern. Diese Parzellen dürfen laut Flächennutzungsplan bebaut werden. [5]
Weitere 2.589 Parzellen sind Eigentum der Bahn und können für sogenannte "Bahnbetriebszwecke" genutzt werden. Das bedeutet aber nicht, dass alle in absehbarer Zeit gefährdet sind. [6]
In die letzte Kategorie gehören 454 Grundstücke, die historisch gewachsen nicht mehr dem Bundeskleingartengesetz entsprechen und zukünftig als Erholunganlagen verpachtet oder sogar als Einfamilienhausgebiete umgewandelt werden sollen. [7]
Hinweis zur Tabelle
In der nachfolgenden Tabelle können Sie sehen, welche Kleingartenanlage zu welcher Kategorie gehört. Einfach den Namen in den Suchschlitz eingeben. Hinweis: Wir verwenden die Namen, die im Kleingartenentwicklungsplan hinterlegt sind.
Hinweis zu den Karten
In den folgenden Karten werden die KGA gezeigt der Kategorien [3] bis [5] angezeigt, welche nicht dauerhaft geschützt sind. Aus technischen Gründen kann es vorkommen, dass eine KGA nicht genau an der Stelle zu sehen ist, wo sich sich eigentlich befindet. Wir bitten das zu entschuldigen. Quelle der Daten: KEP
Gemessen an der Größe der Stadt nutzt die Mehrheit der Kleingärtnerinnen und Kleingärtner laut KEP in Berlin eine Parzelle in der Nähe der eigenen Wohnung. Ein Drittel wohnt fußläufig (34,6 Prozent) und muss weniger als zwei Kilometer zum Garten zurücklegen, weitere 23,8 Prozent zwei bis vier Kilometer. Gut ein Viertel (26,3 Prozent) wohnt mehr als sechs Kilometer von der eigenen Scholle entfernt.
Viola Kleinau von den Gartenfreunden Pankow berichtet, dass nicht nur der Wohn- sondern auch der Arbeitsort für die Wahl des Standortes der Bewerber eine Rolle spiele. "Manche wollen nach der Arbeit nochmal in den Garten, da ist die Nähe zum Arbeitsort entscheidender als die Nähe zur Wohnung", so Kleinau.
In Pankow gibt es die meisten Parzellen (10.167), in Friedrichshain-Kreuzberg nur 228. Alle anderen Bezirke liegen irgendwo dazwischen (siehe Karte).
Die Berliner Durchschnittsparzelle misst laut Kleingartenentwicklungsplan rund 409 Quadratmeter. Die kleinsten Parzellen liegen im Bezirk mit den wenigsten Kleingärten. In Friedrichshain-Kreuzberg ist eine Parzelle druchschnittlich 308 Quadtratmeter groß. Die größten Parzellen gibt es wiederum in Marzahn-Hellersdorf, hier werden durchschnittlich 478 Quadratmeter gemessen.
In dieser Brutto-Parzellengröße sind anteilig sämtliche Gemeinschaftsflächen wie Wegeflächen, Parkplätze, Gemeinschaftsanlagen und Flächen für das Begleit- oder Rahmengrün enthalten.
Und Brandenburg?
Da es für Brandenburg keine allumfassende Datenbasis zu Kleingärten gibt, hier zumindest noch ein paar Fakten: Im Landesverband der Gartenfreunde Brandenburg sind etwa 62.000 Kleingärtner organisiert, das Durchschnittsalter der Pächter liegt bei 62 Jahren, weicht nach Angaben des Verbandsvorsitzenden Fred Schenk jedoch regional stark ab. Zum Landesverband gehören 1.239 Kleingartenanlagen, jedoch weist der Verband darauf hin, dass nicht alle Kleingärtnervereine und Kleingartenanlagen in Brandenburg auch im Landesverband organisiert sind.
Der Kreisverband der Landeshauptstadt Potsdam verwaltet 125 Kleingartenanlagen mit insgesamt 6.202 Pazellen. In Potsdam müssen Interessierte nach Angaben des Verbandes mit einer Wartezeit für eine Parzelle von ein bis zwei Jahren rechnen.
Wie groß das Interesse für einen Kleingarten auch in Brandenburg ist, kann man in einer Facebook-Gruppe [Kleingartenverkauf in Berlin und Brandenburg] zu diesem Thema beobachten. Anfang September wurde dort ein Kleingarten in Nauen angeboten. Die Ablösesumme lag bei einer Verhandlungsbasis von 15.000 Euro. Keine Stunde später bot jemand 20.000 Euro. Auf Grundlage der Beschreibung und der Fotos.