Invasive Arten - Ist dieses Tier eine Gefahr oder eine Bereicherung für die Natur?

Mo 06.11.23 | 10:52 Uhr | Von Andreas Heins
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Ein amerikanischer Flusskrebs (Quelle: dpa)
Kamberkrebs, ursprünglich in Nordamerika beheimatet | Bild: dpa

Arten sterben aus, entstehen neu und wandern in andere Lebensräume. So ist das, seit es Leben auf der Erde gibt. Auch der Mensch bringt, absichtlich oder unabsichtlich, neue Arten in andere Regionen. Welche Folgen hat das? Von Andreas Heins

Der Krumme See bei Wichmannsdorf in der Uckermark war ein Paradies für den selten gewordenen Edelkrebs. Es wurde sogar überlegt, Exemplare zu entnehmen und sie in anderen Seen wieder anzusiedeln. Als aber 2015 nordamerikanische Kamberkrebse in den Reusen auftauchten, wurde schnell klar: Das ist das Ende für den Edelkrebs im Krummen See.

Die wenigen Edelkrebse, die noch gefangen wurden, starben innerhalb kürzester Zeit. Somit ist eine der ehemals größten Krebspopulationen in Brandenburg quasi ausgelöscht. Der nordamerikanische Neuankömmling war nicht direkt daran schuld. Der Kamberkrebs brachte jedoch etwas mit – die Krebspest. Die Pilzerkrankung ist für einheimische Krebsarten tödlich, der Kamberkrebs und andere eingebürgerte amerikanische Krebsarten kommen hingegen relativ gut mit ihr zurecht.

So schädlich sind invasive Tiere und Pflanzen für heimische Populationen

Nur ein kleiner Teil schädlich für Natur und Mensch

Eingeschleppte, fremde Tiere und Pflanzen sind nicht nur ein lokales Problem. Weltweit gelten mehr als 3.500 von ihnen als schädlich für die Umwelt oder den Menschen - entweder direkt als Überträger von Krankheiten oder indirekt durch Schäden für die Wirtschaft. Die meisten dieser Arten verursachen Schäden in Gebieten, in denen indigene Völker und andere Gemeinschaften in großer Abhängigkeit von der Natur leben. Auch Inseln sind stark von ihnen betroffen.

Aber nicht alle Arten, die neu bei uns ankommen, bereiten Probleme. In Deutschland entstehen die größten Verluste bei der heimischen Artenvielfalt durch den Verlust offener Landschaften und abwechslungsreicher Flächen. Nur ein kleiner Teil der eingeführten Arten hat negative Auswirkungen auf unsere Natur oder unser Wohlergehen. Diese werden als invasive Arten bezeichnet.

Die EU-Kommission führt eine Liste. Aufgeführt sind auf dieser "Unionsliste" nur Arten, die potenziell oder nachweislich eine Gefährdung darstellen. Für die Arten auf dieser Liste gibt es offizielle Vorgaben für Maßnahmen und rechtliche Konsequenzen, wenn mit ihnen gehandelt wird oder sie weiterverbreitet werden.

Berlin - ein regionaler Hotspot für eingeführte Arten

Berlin ist ein regionaler Hotspot für eingeführte Arten. Durch Handel, Transport und Verkehr gibt es viele Möglichkeiten für blinde Passagiere – ein Problem, das alle großen Städte betrifft. Auf den ehemaligen Bahntrassen, wie beispielsweise dem Südgelände, finden sich einige mehr oder weniger exotische Tiere und vor allem Pflanzen. "Die meisten Neuankömmlinge in Berlin und Brandenburg sind aber völlig unproblematisch", sagt der Ökologe Ingo Kowarik. Er hat sich jahrelang mit der Problematik invasiver Arten beschäftigt und ist Mitbegründer des Netzwerks zu biologischen Invasionen in Europa – Neobiota.

"Es gibt etwa zwei Handvoll Arten, bei denen man auf der Hut sein muss. Vor allem Pilze, die Baumkrankheiten verursachen oder einige Insekten. Letztendlich ist auch das Coronavirus eine invasive Art. Bei den meisten muss man erstmal nichts tun, sondern, besonders in den Städten, nur beobachten."

INFOBOX

Invasive Arten sind Pflanzen und Tiere, die ins Freiland gelangt sind und sich dort ohne weitere menschliche Unterstützung fortpflanzen und sich stark ausbreiten. Sie gefährden das Vorkommen und die Lebensräume heimischer Arten, z.B. durch Konkurrenz oder Krankheiten.

Gartenpflanzen zählen nicht dazu, solange sie nicht in der freien Natur vermehren. Allerdings ist der Zierpflanzenanbau immer noch ein wichtiger Einfuhrweg für fremde Arten.

Die EU hat 88 Arten als invasiv aufgelistet. In Berlin und Brandenburg gibt es davon derzeit jeweils 18 invasive Arten, deutschlandweit mindestens 46.

Ein Beispiel - der chinesische Götterbaum

Ein Beispiel ist der chinesische Götterbaum, der seit 1780 als Zierpflanze in Deutschland kultiviert wird. Er steht auf der europäischen Liste der gefährlichen invasiven Arten, da er in warmen Gebieten andere seltene Arten verdrängen kann. Seine Samen verbreiten sich leicht über Wind und Wasser und er ist sehr trockenresistent. Das macht ihn zur Gefahr für gefährdete trockene Ökosysteme wie Magerrasen (nährstoffarmes Grünland). Halten sich die Vorkommen außerhalb Berlins noch in Grenzen, so könnte er sich im Zuge steigender Temperaturen weiter ausbreiten.

Die Tigermücke und die kürzlich in Berlin neu entdeckte Asiatische Hornisse hält Ingo Kowarik zurzeit aber für harmlos. Die Übertragung des Denguefiebers und des West-Nil-Virus durch die Tigermücke wurde zumindest in Deutschland nicht nachgewiesen, auch hat die Mücke einen Lebensraum erobert, der bisher nicht von einheimischen Mücken besiedelt war. Die Mücke brütet in Wasseransammlungen, die einheimischen Arten viel zu klein sind.

Die Asiatische Hornisse unterscheidet sich in ihrem Verhalten nicht wesentlich von dem ihrer stark geschützten einheimischen Verwandten. Die Angst vor der Bienenkillerin beruht zumeist auf einer Verwechselung mit der Asiatischen Riesenhornisse, die in den USA große Verluste in der Imkerei verursacht. Auch der Berliner Landesverband des NABU schreibt "Zwar bringt Vespa velutina aller Voraussicht nach keine essentielle Bedrohung für die europäische Imkerei , die genauen Auswirkungen auf die heimische Tier- und Pflanzenwelt sind jedoch noch nicht abzusehen."

Einerseits haben wir Verantwortung für unsere alte Natur, […] andererseits leben wir in einer Zeit des Wandels. Wir brauchen auch neue Arten […] in Zeiten sich ändernder Umweltbedingungen.

Ingo Kowarik, Ökologe

"Man muss beobachten, wo solche Arten Probleme machen, in Naturschutzgebiete einwandern und dann gezielt eingreifen", so Ingo Kowarik. Manche neu eingeführten Arten haben auch positive Eigenschaften.

So sind Robinien und Götterbäume tolerant gegenüber Hitze und Trockenheit und eine attraktive Futterquelle für Insekten wie Honigbienen. Das mache sie nützlich in den Zeiten des Klimawandels, aber auch problematisch, wenn sie in wertvolle Trockenbiotope wie Magerrasen oder die Oderhänge einwachsen. "Man muss beide Aspekte im Auge behalten. Einerseits haben wir Verantwortung für unsere alte Natur, die Wälder, Moore, die alte Kulturlandschaft, andererseits leben wir in einer Zeit des Wandels. Wir brauchen auch neue Arten, um fit zu bleiben in Zeiten sich ändernder Umweltbedingungen."

Besser keine fremden Arten in die Natur entlassen

Hat sich erstmal eine neue Art fest etabliert, dann ist es fast unmöglich sie wieder loszuwerden. Besonders der Nutzen großangelegter Aktionen mit Tierfallen oder das großflächige Ausbringen von Pestiziden oder Herbiziden ist umstritten. Es besteht immer die Gefahr, dass diesen Maßnahmen auch einheimische - eventuell gefährdete - Arten zum Opfer fallen. So bleibt meist nur die Prävention: Keine fremden Arten in die Natur entlassen und erste Vorkommen solcher, die sich in anderen Regionen bereits als problematisch erwiesen haben, bekämpfen.

Oft werden Tiere auch bewusst ausgesetzt, sei es aus wirtschaftlichen Gründen oder aus falsch verstandener Tierliebe. So sind wohl die Kamberkrebse in den Krummen See gelangt. Auch der Ochsenfrosch wurde zuerst ausgesetzt und bedroht jetzt einheimische Amphibien, Vögel und Kleinsäuger. Gartenabfälle werden im Wald, am Wegesrand und an Ufern entsorgt. Besonders an Flussläufen ist es problematisch, fremde Arten freizulassen.

Das Wasser kann die fremden Arten über eine große Fläche verbreiten. Ingo Kowarik appelliert: "Das geschieht manchmal mit dem positiven Gefühl, ich möchte jetzt keine Lebewesen entsorgen, ich gebe ihnen noch eine Chance, vielleicht bereichere ich damit die Natur. Aber damit kann man Schlimmes anrichten, das sollte man unterlassen und auch jeden, den man dabei beobachtet darüber aufklären".

Beitrag von Andreas Heins

19 Kommentare

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  1. 19.

    Menschen wie Wossi würden sofort wimmern, wenn zu hart gegen invasive Arten vorgegangen werden würde. Dabei ist das Verwaltungsrecht relativ eindeutig. Es müsste sogar eingeschritten werden.

  2. 18.

    „Gibt es einen Zusammenhang zwischen immer mehr invasive Arten und dem Nichtstun a la „ die Natur macht das schon“?“

    Nein, der alleinige Grund für den Artenaustausch ist das „Tun“, passiv durch den globalen Waren- und Reiseverkehr, aktiv durch gezielte Aussetzung bzw. Anpflanzung.

  3. 17.

    Gibt es einen Zusammenhang zwischen immer mehr invasive Arten und dem Nichtstun a la „ die Natur macht das schon“? Der Mensch ist Bestandteil der Natur und zum Schaffen da. Auch wenn es politische Richtungen gibt, die das Gegenteil als Lebensziel gewählt haben. Auf Kosten wessen?

  4. 16.

    Das sind grundsätzlich zwei verschiedene Dinge.
    Die Lokalität verliert sich ersteinmal nicht durch den Klimawandel. Dazu wären erhebliche Umbauprozesse, wie beispielsweise eine Eiszeit, notwendig.
    Aber natürlich beeinflusst das Klima den jeweiligen Evolutionsprozess und dieser wiederum das Klima.

  5. 15.

    Sie sind also der Meinung unsere Ge wässer sehendes Auge verlanden zu lassen.Sind nicht schon genug Teiche und Seen verschwunden ?
    Zum anderen ,sie werden weder die Versteppug noch die Invasion nicht Heimischer Arten abwenden können.

  6. 14.

    Gut, wenn der Klimawandel mit Nichtbeachtung invasiver und dem fehlenden Schutz der heimischen Arten einhergeht, dann kann ich ja getrost weitermachen, als würden mich Klima und Natur nichts angehen? Einerseits wird zum Schutz des Klimas und der heimischen Tier und Pflanzenarten, besonders dem Schutz vor dem Insektensterben aufgerufen, andererseits nimmt man Invasives einfach hin? Damit kann ich mich schwer abfinden und empfinde dies als doppelzüngig.

  7. 13.

    Diese Seite ermöglicht jedem einen Kommentar zum Artikel zu hinterlassen. Das werden Sie schon aushalten müssen, auch wenn er nicht Ihrer Vorstellung entspricht.
    Des Weiteren will ich nicht weiter darauf eingehen, wessen Erfolg es ist dass die asiatische Wespe bei uns ist…
    Einen schönen Tag noch.

  8. 12.

    Es gibt nun einmal eine Klimaveränderung.
    Da gehören Krabben aus China genauso dazu wie das schwarze Eichhörnchen , die Schwarzmeer Grundel oder auch die Tigermücke.
    Leider sind Politiker etwas schwerfällig und d....
    Unsere Gewässer werden immer mehr verkrautet , aber der Graskarpfen musste ausgerottet werden.
    Lieber Gott lass Hirn regnen .
    Leider beschäftigt sich der RBB selten mit unserer Zukunft.
    Keine Fragen an die Entscheidungsträger.
    Sehr sehr Schade.

  9. 11.

    Na, auf der den Quatsch muss man jetzt nicht eingehen, wenn man weiß, welches einheimische und welches fremde-invasive Arten sind. Da stellt sich keine Philosophie gegen Biologie, Evolution oder das Warum, weshalb und wie lange bestimmte Arten wo heimisch sind und ab wann sie als heimisch gelten.

  10. 10.

    Sehr geehrter Herr Wagner, wir haben den Text korrigiert. Das ist die Haltung des Berliner Nabus

  11. 9.

    Die Aussagen zur Vespa velutina stimmen nicht. Der Nabu schätzt sie als sehr gefährlich ein. Ich habe gerade am Wochenende einen Vortrag vom Nabu gehört, in dem dargestellt wird wie schnell die Ausbreitung und der Anstieg der Population zunimmt. Gefahren bestehen nicht nur für die Imkerei sondern für alle Insekten, die Landwirtschaft ( Wein- und Obstanbau) und auch für dem Menschen bei einem Hornissenstich.

  12. 8.

    Ja und nu?
    Der Mensch ist nebenbei auch der Hauptfeind anderer Menschen.
    Schon mal drüber nachgedacht, daß die meisten Opfer auf allerlei Kriege und kriegsähnliche Zustände verursacht werden?
    Die Imker sind bezüglich der asiatischen Wespen anderer Meinung. Manche haben damit schon Erfahrung sammeln können.

  13. 7.

    Was impliziert, dass die Menschheit ihrerseits kein Teil der Natur ist. Woher kommt diese Erkenntnis?

  14. 6.

    Ich sehe es eher im natürlichen Kontext. Da wir selbst ein Ergebnis der Evolution sind, könnten wir der Reset inform des Terminators an einem millionen Jahre alten Entwicklungsstrangs sein.
    So wie die Dinos ihr System mit oder ohne Meteroideneinschlag kollabiert hätten/haben und damit Platz für einen völlig neuen Entwicklungsstrang gemacht haben.

  15. 5.

    „Genau, was für eine Frage?! “
    War jetzt nicht die Suche nach der Frage zu ihrer Antwort sondern dem Sinn nach, was für eine Frage der gestellten Frage.
    Ist doch quasi eine Binsenweisheit, dass einheimische, seit Jahrtausenden an ihr Umfeld angepasste, Lebensformen natürlich als Ergebnis der Evolution ersteinmal optimal sind.

  16. 4.

    Die einzige Gefahr für die Natur ist die Menscheit.

  17. 2.

    Genau, was für eine Frage?!
    Weil das menschengemachte Einschleppen in den Zeitskalen und Mengen überhaupt nicht mit den natürlichen Prozessen der Kontinentaldrift vergleichbar ist.
    Defacto ist es signifikant der menschengemachte Warenverkehr, der die natürlichen Meeresbarrieren stetig überwindet. Zugvögel oder Meeressäuger sind in diesem Zusammenhang völlig irrelevant.

  18. 1.

    Wenn einheimische Arten verdrängt werden, ist die Antwort doch klar, oder?

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