Giftige Alge in der Oder - Forscher entschlüsseln Erbgut der Oder-Goldalge und entdecken Gift-Quelle

Mo 22.07.24 | 16:26 Uhr
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Kulturen der Brackwasseralge Prymnesium parvum aus der Oder. | © Katrin Preuss/IGB
Audio: Antenne Brandenburg | 22.07.2024 | O-Ton: Heiner Kuhl | Bild: © Katrin Preuss/IGB

Sie war mitverantwortlich für das massenhafte Fischsterben vor zwei Jahren in der Oder, nun haben Forscher das Erbgut der giftigen Goldalge entschlüsselt. Das könnte in Zukunft bei bevorstehenden Naturkatastrophen helfen.

Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) haben das Erbgut der giftigen Goldalge aus dem Grenzfluss Oder vollständig entschlüsselt. Dabei haben sie wichtige Informationen über einzelne Gene gewonnen. Dies könnte künftig helfen, eine sprunghafte Vermehrung der Goldalge "Prymnesium parvum" und eine Naturkatastrophe wie im Jahr 2022 zumindest einzudämmen.

"Wir haben die Gene identifiziert, die das Gift produzieren", sagte IGB-Wissenschaftler Heiner Kuhl dem rbb am Montag. In der Praxis könnten ihm zufolge quantitative PCR-Tests entwickelt werden, um die Menge der Gift produzierenden Gene und damit die Giftigkeit der Alge zu messen. Bisher sei es schwierig gewesen, das Toxin im Wasser nachzuweisen. Kuhl ist Erstautor der Studie zum Erbgut der Giftalge, deren Ergebnisse Mitte Juli in der Fachzeitschrift "Current Biology"“ veröffentlicht wurden [cell.com].

Man könnte nun eher gegen eine Katastrophe agieren

Im Sommer 2022 war es in der Oder zu einem massenhaften Fischsterben gekommen. Hoher Salzgehalt, Niedrigwasser, hohe Temperaturen und das Gift der Goldalge waren aus Expertensicht wesentliche Ursachen für den Tod vieler Fische, Muscheln und anderer Tiere im Fluss. Laut Angaben des IGB verendeten etwa 1.000 Tonnen Fisch in der Oder. Die Hitze und der hohe Salzgehalt boten günstige Bedingungen für die Verbreitung der toxischen Alge. Laut dem Brandenburger Umweltministerium stammten etwa 90 Prozent der Salzlasten aus Polen.

Durch die neuen Tests könne man nun bei Bedarf früher Alarm schlagen, so der IGB-Wissenschaftler Kuhl. Bei den bisherigen Messungen werde zu spät festgestellt, dass die Giftkonzentration bereits zu hoch sei. "Mit dieser Methode können wir schon vorher ein Ansteigen vermessen und erkennen, 'jetzt wird es gefährlich'", sagte Kuhl weiter. Man könnte dadurch etwa zehn Tage Zeit für möglichen Vorsichtsmaßnahmen gewinnen. "Man könnte entsprechende Maßnahmen treffen, wie beispielsweise ein Einleitverbot von Industriegewässern."

Stammbaum der Alge identifiziert

Die Sequenzierung des Genoms ist Teil des sogenannten Oder-So-Projekts, das eine Überwachung der Oder, insbesondere im Hinblick auf die Giftalge, umfasst. Im Rahmen des vom IGB durchgeführten Projekts könnten künftig Wissenschaftler an den verschiedenen Messstellen Proben entnehmen und die Gene untersuchen, so Kuhl.

Die Wissenschaftler haben zudem in der Studie den "Stammbaum" der Alge identifiziert. In der Oder finde sich ein Stamm des sogenannten Typs B, der typisch für den Ostseeraum sei. "Es ist relativ klar, dass der Oder-Stamm aus dem baltischen Raum eingebracht wurde", sagte Kuhl. Er könne aber nicht sagen, ob etwa Vögel oder der Schiffsverkehr dafür verantwortlich sind. Typ B sei eine typische Brachwasseralge, die bei mittlerem Salzgehalt sehr gut wächst.

Erst im vergangenen Mai wurde die giftige Goldalge erneut im polnischen Teil der Oder gefunden. Laut Angaben des polnischen Umweltministeriums wurde sie aus dem Gleiwitzer Kanal in den Fluss eingespült. Im Kanal wurden viele tote Fische entdeckt. Damals galt der geringe Wasserstand der Oder als Risikofaktor. Laut aktuellen Daten des Landesamtes für Umwelt liegt der Wasserpegel in Frankfurt (Oder) bei etwa 155 Zentimeter und damit 30 Zentimeter unter dem durchschnittlichen Juli-Messwert des vergangenen Jahrzehnts.

Sendung: Antenne Brandenburg, 22.07.2024, 14:20 Uhr

Mit Material von Sabine Tzitschke

18 Kommentare

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  1. 18.

    Was alles in der Ostsee schlummert, an Umweltgiften. Laut Bundesumweltamt lagern dort 1,6 Millionen Tonnen konventioneller Waffen und 5000 Tonnen chemische Kampfstoffe. Binnenmeere haben wenig Wasseraustausch, ein weiteres Problem. Dazu Überdüngung durch Landwirtschaft. Die Ostsee ist das am stärksten verschmutzte Meer der Welt.

  2. 17.

    Ich hatte auch nch etwas in dieser Sache geschrieben. Aber es es wurde nicht veröffentlicht! Wo die Säge klemmt, weiß ich nicht, aber ich mahnte vor allem die Grünen-Politiker, die es nun auf ein Führungspöstchen im EU-Parlament geschafft haben, Fr. Lemke da nicht weiter allein die Mahnerin Ds zu sein!
    Die Oder mündet in die Ostsee! Nur mal so aus der "Sicht eines Nebenmeeres" mit nicht optimaler Anbindung an Großgewässer gesagt.
    Ansonsten, stimme ich Ihren Ausführungen zu.

  3. 16.

    Man könnte es auch in einem Satz erklären. Wir Menschen verseuchen Gewässer und wollen damit nicht wirklich aufhören.
    Zu hoher Salzgehalt und Wärme und Niedrigwasser. Man muss nur den unnatürlich erhöhten Salzgehalt der Oder dezimieren, das herauszufinden dauert keine Jahre, die Umsetzung ist ebenso einfach, man muss nur wollen. Wir Menschen bestimmen, wie viel Chlorid-Salz in die Oder gelangt.
    Wollt doch endlich mal.

  4. 15.

    Wow, wissen Sie, ob es z.B. Bakterienstämme gibt, die nur das Wachstum der Goldalge hemmen und für andere Organismen ungefährlich sind? So etwa das Prinzip wie in einer Biokläranlage oder besser?
    Ich rechne nicht damit, dass Bergwerke oder Industrie urplötzlich zu Schäden, die sie verursachen, stehen oder Abhilfe schaffen wollen.
    Als Diogenes sagte" Alles ist im Fluss", meinte er sicher nicht das, was jetzt in der Oder oder früher in Saale, Havel und Elbe rumschwapperte.
    Selbst wenn Verursacher ihre Abwässer reinigen und kühlen müssten, würde der Bau solcher Anlagen Jahre dauern, mal abgesehen von der Zeit, die mit juristischem Hickhack vorher verplempert wird. Also Wissenschaft, her mit dem Antidot!
    Und danke für die Klärung mit den Bild.

  5. 14.

    Sehr geehrter Herr Kusber, vielen Dank für den Hinweis. Wir haben das Bild geändert.

    Mit freundlichen Grüßen

  6. 13.

    Betrifft: Giftige Alge in der Oder: Bitte ein korrektes Bild einstellen. Die abgebildeten Tabellaria (Bacillariophyceae) und Synura (Chrysophyceae) sind ungiftig und nicht aus der Strom-Oder. Abbildungen von Prymnesium parvum N.Carter (Prymnesiophyceae) finden Sie z.B. auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Prymnesium_parvum

  7. 12.

    Also mich stören schon die Begriffflichkeiten die benutzt werden.
    ´ Das könnte in Zukunft bei bevorstehenden Naturkatastrophen helfen.´ - Das war keine Naturkatastrophe, das war eine Umweltkatastrophe! Die so oder so vom Menschen verursacht worden ist und als Exampel für zukünftige Ereignisse, auch im Zusammenhang mit dem Klimawandel, nicht nur bei der Oder, dienen sollte.
    Als wenn ein Gen Test helfen würde! Sollte es mal 1-2 Monate wenig regnen und heiss werden, müssten die polnischen Berkwerke, chemischen Industrien und auch einige Städte/Dörfer ihre Abwässer komplett auffangen.
    Denkt jemand wirklich, das das passieren wird!?
    Euer Optimismus ist erfrischend ...

  8. 11.

    Ja,gute Frage,weil alles vertuscht wird,und am Ende es nur an den Algen liegt,ein Auge das andere nicht ausmacht,alle wissen wo der hohe Salzgehalt herkommt,ich wohne in lebus,wo eine 25cm Welle angekommen war,kein Regen,30Grad,absolutes Niedrigwasser,es ist aus Polen eingeleitet wurden,deshalb sind die Fische verendet,so ist es und die Politker greifen nicht ein und labern nur herum,woidke war in lebus,aber warum eigentlich,nix ist passiert,nochmal der Verusacher des Fischsterben liegt in Polen,wo das zeugs in die Oder eingeleitet ist.

  9. 10.

    "Frage 7: Sollte ein Alkoholiker aufhören zu trinken, wenn er sich eine neue Leber kaufen kann?"
    und dann ... dünsten oder braten, mit oder ohne Zwiebel, Apfelscheiben dazu, Kartoffelpü ...
    Mit kaufen ist es nicht getan. Der Verzehr von "Bregen" macht allerdings auch nicht schlauer.

  10. 9.

    Geil habe ich nicht schon damals den Verursacher benannt. Einfach logisch denken Hintergrund analysieren. Dafür benötige ich kein Gutachten.Gegenmassnahme Auflagen an den Verursacher Braunkohlekraftwerk festlegen Schadensersatz einfordern.

  11. 8.

    Interessanter Ansatz. Und wie Sie sehen, hat man(die Wossenschaft)hier schon Einiges geliefert.
    Dennoch muss in diesem Zuleitkanal, der offensichtl. dann doch keine Betonrinne ist, wie zunächst anzunehmen war, sondern, falls das dazu veröffentl. Foto korrekt war, eben ein Kanal in der Landschaft, einiges an wasserwirtschaftl MN erfolgen. Kann man aus der Ferne natürlich nicht "so dahersagen", aber es gibt schon eine Palette von MN, die vor allem Geld kosten u. die preiswerte/ähm, billige Kohle oder die Endprodukte des Zellstoffwerkes kostenmäß.schon(!)belasten. Aber auch m.d.'Problematik Nutz(ungs)fluss' muss aufgeräumt werden, sollte die Oder nicht zu Kloake werden. Das muss in jedem Fall verhindert werden. Um so wichtiger ist es auch, an der Oder in dt. Veranwortung weitere Schutz-MN durchzusetzen, die ströumungsberuhigend einerseits als auch mögliche Wechsel/Verschiebungen des Stromstriches fördern. Also aus der Vielzahl MN, das Geeignetste tun! Immer wieder tote Fische,geht nicht!

  12. 7.

    "Brachwasser, "Industriegewässer", ...

  13. 6.

    Frage 10: Warum wird dem bekannten Verursacher in Polen nicht der Prozess gemacht? Ein Verbrechen an Mensch und Tier gehört vor Gericht.

  14. 5.

    Es gibt in Polen viele junge Leute, die sich für Umwelt- und auch Gewässerschutz interessieren. Die wollen auch nicht daran die Schuld tragen, dass der Dreck aus ihrem Land kommt, die wissen auch, dass es für sie selbst bedrohlich werden kann. Nur das Wissen um Verursacher und Schuldzuweisungen ändern das Problem nicht. Es wird durch jahrelange Diskussionen mit Polen nicht behoben. Deshalb mögen sich Biologen damit befassen. Wenn sich das Gift irgendwie nutzen ließe und die Alge mit einigermaßen überschaubarem Aufwand "abgefischt" werden kann, wäre es toll. Das Wasser wird immer knapper und es wird viel Geld investiert, um auf dem Mars welches zu suchen. Bis dort die erste Tyskie-Brauerei öffnet, wird noch lange dauern, deshalb sind Mittel für die Forschung wichtig und zwar jetzt, nicht nur auf dem Mars, sondern auch mitten in Europa. Ich setze nicht auf die Vernunft der Chefetagen von Industriebetrieben, sondern auf die Wissenschaft.

  15. 4.

    Frage 6: Könnte man auch die Ursachen des Wachstums bekämpfen?
    Frage 7: Sollte ein Alkoholiker aufhören zu trinken, wenn er sich eine neue Leber kaufen kann?

  16. 3.

    Woher die begünstigenden Wachstumsbedingungen dieser invasiven Algenart kommen, ist bekannt: Aus Polen! Interessiert dort nur niemanden, weils dort nicht so strenge Umweltauflagen für die chemische und Bergbau-Industrie gibt wie in Deutschland.

  17. 2.

    Frage 5: Kann man aus der Goldalge Blattgold herstellen und sie somit aus der Oder verbannen?
    Nee, im Ernst, welche Bedingungen fördern das Wachstum dieser Alge, wenn sie aus dem Gleiwitzer Kanal in den Fluss eingespült wurde und wie sieht die Wasserqualität dort aus?
    Nach dem Fischesterben hieß es ja, dass auf polnischer Seite Chemikalien von der Papierindustrie in den Fluss abgeleitet wurden.

  18. 1.

    Frage 1: Lässt sich das Gift der Goldalge für andere Zwecke nutzen, z.B. pharmazeutische?
    Frage 2: Gibt es gegen die Goldalge Wachstumshemmer, die weder dem Gewässer noch anderen darin lebenden Pflanzen und Tieren schaden?
    Frage 3: Ist es mit Gentechnik möglich das Erbgut so verändern, dass Goldalge kein oder wesentlich weniger Gift produziert?
    Frage 4: Wenn Goldalge nicht in die Oder gehört, welche Maßnahmen wären nötig, um sie wieder loszuwerden?
    Immerhin handelt es sich bei der Oder um einen Fluss mitten in Europa und natürlich auch um ein Ökosystem, eine Wasserstraße und Trinkwasserlieferant. Etwas wissenschaftliche Forschung in der Sache würde beiden Anrainern helfen.

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