Parteitag der Berliner Linken - Die zweite Reihe übernimmt
Die Berliner Linke steht vor einem Umbruch: Die bisherige Landeschefin geht, beim Parteitag am Wochenende soll erstmals eine Doppelspitze gewählt werden. Prominenz steht nicht zur Wahl, sondern die Jungen aus der zweiten Reihe. Von Sebastian Schöbel
Die Namen Franziska Brychcy und Maximilian Schirmer hat außerhalb der Berliner Politik-Blase vermutlich noch kaum jemand gehört. Dennoch wollen die beiden nun als Duo den wichtigen Berliner Landesverband ihrer Partei führen. "Es stimmt, dass wir nicht in der ersten Reihe standen", sagt Brychcy. "Es ist ein Generationswechsel, wir nehmen die Aufgabe an."
Die 38-Jährige wurde in Meißen geboren, hat fünf Kinder, sie hat in Paris und Berlin studiert, lebt seit über zehn Jahren in Steglitz-Zehlendorf und sitzt seit 2016 für die Linke im Abgeordnetenhaus. Dort macht sie vor allem Bildungspolitik. Maximilian Schirmer, mit dem sie gemeinsam antritt, kommt aus Pankow, ist dort Fraktionsvorsitzender der Linken und Anfang 30 - ungefähr so alt wie Klaus Lederer, als der 2007 zum ersten Landeschef der damals neu gegründeten Berliner Linkspartei wurde.
In den Parteivorstand drängen auch etablierte Linke
Die Partei neu sortieren, personell verjüngen und mit der Zivilgesellschaft vernetzen sei jetzt das Ziel, sagt Brychcy. "Wir müssen wirklich mit den Menschen reden, Politik wirklich von unten machen, mit den Bürgerinitiativen vor Ort. Das ist für alle Parteien angezeigt die wollen, dass Politikverdrossenheit abnimmt."
12,2 Prozent der Zweitstimmen bekam die Linke bei der Wiederholungswahl - nochmal weniger als 2021 und 2016. Ein Negativtrend, den man wieder umdrehen will - vor allem als lauteste Gegenstimme zur CDU-geführten Regierung - und ihrer Juniorpartnerin SPD. "Die SPD hat sich da ein stückweit verkauft", sagt Brychcy und lacht. "Das müssen sie aushalten, dass die Linke Druck macht und zum Beispiel an der Vergesellschaftung dranbleiben werden."
In den Parteivorstand, als Stellvertreterin, drängen auch etablierte Linke, wie Katalin Gennburg. Schon drei Mal gewann sie ihren Wahlkreis in Treptow-Köpenick direkt, eine linke Hochburg im nun fast komplett CDU-schwarzen Gürtel der Außenbezirke. Gennburg galt schon in der rot-grün-roten Koalition als unbequem, rieb sich häufiger an der SPD-geführten Stadtentwicklungsverwaltung. Egal ob beim Hochhausbau am Alexanderplatz, Eigentumswohnungen bei landeseigenen Neubauprojekten oder den Signa-Plänen für Karstadt am Herrmannplatz: Gennburg suchte immer die Konfrontation mit der SPD.
Hoffen auf Enteignung
Die immer tiefer werdende Spaltung der Stadt, vor allem in Arm und Reich, bleibe das Hauptthema ihrer Partei, so Gennburg - und das politisch erfolgreichste. "Wir erleben, dass sich gesellschaftliche Debatten wahnsinnig radikalisieren, und auch die Linke hat sich in der Regierungsbeteiligung radikalisiert."
So habe zuvor noch keine Partei aus einer Regierung heraus den Enteignungs-Volksentscheid unterstützt, so Gennburg. Man habe an der Seite städtischer Bewegungen linke Projekte an den Koalitionspartnern vorbei durchgesetzt. "Das ist eine historische Erfahrung, mit der wir auch bundesweit punkten wollen."
Zunächst aber gilt es, in Berlin das Ruder herumzureißen. Ob das gelingt, wird auch von der neuen Parteispitze abhängen, die - anders als manche in der Partei gehofft hatten - ohne die Prominenz von Ex-Senatorin Katja Kipping auskommen muss, sondern aller Voraussicht aus Franziska Brychcy und Maximilian Schirmer bestehen wird.
An den Erfolg des Volksentscheids und die Enteignung der Immobilienkonzerne hängt die Berliner Linke nun ihre politische Hoffnung - auch für die Wahl 2026.
Sendung: rbb24 Abendschau, 13.05.2023, 19.30 Uhr