Schreiben der Innenverwaltung - Online-Handel mit Terminen für Landesamt für Einwanderung blüht

Mo 27.11.23 | 15:44 Uhr
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Symbolbild: Bildschirmaufnahme der LEA-Terminvereinbarung-Seite (Quelle: rbb)
Audio: rbb24 Inforadio | 27.11.2023 | Franziska Hoppen | Bild: rbb

Wegen der langen Wartezeiten für Termine beim Landesamt für Einwanderung (LEA) beobachtet der Berliner Senat einen zunehmenden Online-Handel. Das geht aus einem Schreiben der Innenverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage des Grünen-Abgeordneten Jian Omar hervor.

Bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln gibt es derzeit durchschnittlich Rückstände von vier Monaten im Schriftverfahren und Wartezeiten auf reguläre Termine von bis zu sechs Monaten, teilt die Innenverwaltung mit. Dabei haben es die Antragsteller oft eilig: Wer keinen gültigen Aufenthaltstitel hat, macht sich strafbar und kann ausgewiesen werden oder den Job verlieren, denn eine Anstellung wird dann illegal.

Kostenpflichtige Online-Bots "helfen" bei der Buchung

Der Termin-Stau könnte jedoch nicht nur auf die steigende Zahl von Anträgen bei gleichzeitig wenig Personal zurückzuführen sein, sondern auch auf Doppelbuchungen von Terminen. Diesen Rückschluss lässt das Schreiben der Innenverwaltung zu. Demnach gebe es mehrere private Online-Anbieter und Startups, die es Antragstellern mit Hilfe von Bots ermöglichen, kostenpflichtig Termine beim LEA zu blockieren.

Bei der Plattform "Appointments Berlin" kostet dieser Service zum Beispiel 50 Euro. Dabei ist es auch möglich, mehrere Termine zu buchen und - sobald ein zeitlich passenderer Termin frei wird - diesen ebenfalls zu buchen ohne den alten absagen zu müssen.

Senat kann nicht gegen den Handel vorgehen

Der Innenverwaltung sei dieser Umstand bekannt, schreibt sie in ihrer Antwort. Vorgehen könne der Senat gegen den Handel privater Online-Anbieter mit Terminen nicht. Es gebe "keine rechtliche und aktuell auch keine technische Handhabe, derartige Angebote und Terminbuchungen durch diese Anbieter gänzlich auszuschließen."

Der zentrale IT-Dienstleister des Landes Berlin (ITDZ) arbeite daran, mit Bot-Unterstützung arbeitende Terminbuchungen zu verhindern. Um den Terminblockierungen entgegenzuwirken, würden Kunden gebeten, einen nicht mehr benötigten Termin zu löschen.

Omar: "Antwort zeugt von einer regelrechten Kapitulation"

Der migrationspolitische Sprecher der Grünen, Jian Omar, kritisiert: "Die Antwort zeugt von einer regelrechten Kapitulation und ist skandalös. Das ist fatal und in dieser Form nicht hinnehmbar."

Omar fordert neben dem geplanten Personalaufwuchs, der mehr freie Termine ermöglichen soll, auch eine Entschlackung der Bürokratie, um Personal und Antragsteller zu entlasten.

Sendung: rbb24 Abendschau, 27.11.2023, 19:30 Uhr

19 Kommentare

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  1. 19.

    "Daher wäre ich vorsichtig mit der Unterstellung, dass die Behörden nichts gegen den derzeitigen Zustand unternehmen wollen."

    Ja, hätte...wollte...könnte. Das Versagen hat Namen. Spranger, Geisel und Henkel.

  2. 18.

    Anscheinend ist es für das IDTZ sehr kompliziert eine Captcha Abfrage und/oder ein 2-Faktor-Autorisierung per Mail/SMS oder Rückruf auf die Terminvergabeseite einzubauen. Das würde den Bots das Wasser abgraben

  3. 17.

    Zumindest könnte man mal die Staatsanwaltschaft wegen des Anfangsverdachts der Nötigung und Erpressung auf die "Dienstleister" ansetzen. Wer kostenlose Termine maschinell sperrt, um sie anschließend zu verkaufen, weil manuell keine Termine buchbar sind, handelt aus meiner Sicht betrügerisch und erpresserisch.

  4. 16.

    Vielleicht funktioniert es nicht nur beim LEA so, vielleicht auch mit Terminen bei den Bürgerämtern und es gibt dehalb keine freien Termine über Monate hinaus. Wer weiß? Ich bin gespannt, was unser Senat nun dagegen unternimmt. Die CDU hat doch immer großspurig getönt, dass sie alles besser kann. Den Beweis soll sie nun antreten. Besondern in puncto Verwaltungsreform, Digitalisierung und Bekämpfung der Kriminalität. Diese online-Praktiken gehören ja wohl auch ins Thema!

  5. 15.

    Vielleicht sollte aufgrund des digitalen Versagens zu manueller Bearbeitung zurückgekehrt werden. Kriminelle Machenschaften dieser Art wären weitestgehend ausgeschlossen. Wieder wie vor 20 Jahren eine Wartenummer ziehen und gut is....Parallel könnte ein funktionierendes, digitales System aufgebaut werden (was wahrscheinlich hierzulande auch 20 Jahre dauert). Nur mal so ein Gedankengang...Ironie aus. Denn mit Papier kann Deutschlands Bürokratie umgehen.

  6. 14.

    Stimme Ihnen vollkommen zu. Alle wissen es und niemand unternimmt dennoch etwas dagegen. Versagen auf ganzer Linie.

  7. 13.

    Obwohl die online-Händler bekannt sind, kann gegen sie nicht vorgegangen werden? Keine Sperrung, nix? Was für ein Armutszeugnis! Dieser Handel ist kriminell, also könnte das BKA aktiv werden. Der Standort der genutzen IDs und damit der Personen sollte doch wohl zu ermitteln sein. ich frage mich immer häufiger, was treiben die in ihren Behörden bloß, nur Kaffetrinken und Smalltalk? Echt jetzt, (trotz) der wenigen vorhanden technischen Möglichkeiten stellen sich unsere Behörden in puncto Sicherheit immer wieder ein Zeugnis über Versagen aus.

  8. 12.

    Einfache Lösung:
    1) Terminbuchung nur mit Namen, der Name ist bei Erscheinen nachzuweisen.
    2) Abgleich vor Bestätigung, ob für diesen Namen bereits eine Buchung vorliegt, wenn ja, dann Abweisung.
    3) Nichterscheinen wird mit einer Kostenpauschale in Höhe der verlorenen Arbeitszeit belegt. Dies ist bei der Buchung zu bestätigen.
    4) Bei Umgehungsversuchen des Systems wird die anfragende IP-Adresse dauerhaft für Buchungsanfragen gesperrt.
    Problem gelöst, Terminhandel zumindest soweit erschwert, dass es sich nicht mehr lohnt.

  9. 11.

    "Alle denken da wären nur Asylbewerber, die man warten lassen kann."
    Stimmt, denn das warten lassen ist so schön praktisch, weil dadurch das Bild vom 'sozialschmarotzenden' Asylbewerber aufrechterhalten und von großen Teilen der Politik als Feindbild genutzt werden kann, um vom eigenen Versagen in der Sozialpolitik, in der Wohnungspolitik etc. pp. abzulenken.

    Meine Meinung: Eine funktionierende Behörde hat alle Menschen gleich zu behandeln, egal, aus welchem Staat jemand kommt oder welche Qualifikationen er hat. Ich möchte z.B. auch nicht, dass bei Terminen beim Bürgeramt "Fachkräfte" bevorzugt werden. Faktisch ist das natürlich heute leider schon der Fall, denn wer mit flexiblen Arbeitszeiten im Home Office sitzt, kann deutlich einfacher kurzfristig frei gewordene Behördentermine nutzen als jemand, der täglich zu festen Zeiten im Betrieb ackert.

  10. 10.

    Der Abgeordnete kann den Zustand nennen, wie er mag. Das ist kein Expertenurteil, sondern nur seine persönliche Meinung.
    Da die Verwaltung selbst unter dem Chaos leidet, prüft sie gewiss, ob sie die privaten Anbietern einschränken kann. Die rechtlichen Hintergründe können wahrscheinlich die meisten Kommentator*innen nicht ausreichend gut einschätzen. Ich schließe mich ein. Daher wäre ich vorsichtig mit der Unterstellung, dass die Behörden nichts gegen den derzeitigen Zustand unternehmen wollen.

  11. 9.

    Genau! Da die Deutschen ja digital nix gebacken kriegen, werden Informatiker:innen aus dem Ausland angeworben, damit die ein Buchungssystem für das LEA programmieren. Klappt aber nicht, weil die Informatiker:innen keinen Termin beim LEA bekommen, weil…
    Grüße vom Hauptmann aus Köpenick

  12. 8.

    Alle denken da wären nur Asylbewerber, die man warten lassen kann. Aber in Fakt müssen alle Ausländer da hin für Aufenthaltstitel, egal aus den USA oder Afghanistan.

    Neulich musste ein Kollege aus einem asiatischen Industrieland gekündigt werden, gerade aus dem Grund. Die rechtliche Rahmenbedingung ließ es nicht anders zu, obwohl der Mitarbeiter qualifiziert war und dringend gebraucht wurde.

    Zuletzt wird aus Not bereits die Terminbestätigung als Fiktionsbescheinigung gehandhabt, sprich solange man einen Termin in Zukunft vorweisen kann, darf man sich in Deutschland legal aufhalten. Da fragt sich einer, warum da so ein blühender Markt für Termine entsteht.

    Der besagte Kollege hat zuletzt einen Anwalt beauftragt, der dann gegen die Behörde vorgeht - ja es gibt spezialisierte Anwälte dafür.

  13. 7.

    Wieso kann der Senat nicht gegen die beliebige Weitergabe von Terminen durch private Anbieter vorgehen?
    Bei Terminen bei Bürgeramt und Zulassungsstelle muss man bei Reservierung den vollen Namen des "Kunden" angeben, der auch nachträglich nicht geändert werden kann ... weitergeben klappt also nicht.
    Warum geht das nicht auch bei LEA-Terminen?

  14. 6.

    War das nicht auch schon so ähnlich das Problem bei Einführung des Onlineterminservice bei den Bürgerämtern vor ewigen Jahren? Mann, Berlin, krieg mal Deine Verwaltung auf die Reihe. Und wieso kann man das Geschäft mit Terminen nicht unterbinden, wenn die direkt das Geschehen beeinflussen? Dann ändert das System oder die Regeln, bis es funktioniert. Jede/r soll nur direkt den benötigten Termin buchen können. - Und ja, Ausländerbehörde ist mitunter ein besonders krasser Fall für die Betroffenen, wenn man da keinen Termin bekommt. Bei der KfZ-Zulassung siehts aber auch nicht besser aus, oder beim Bürgeramt. Staatlich-hoheitlichee Reputation leidet schon, wenn Gesetze vorgegeben werden, deren Einhaltung dem Bürger dann erschwert wird, aber der Bürger im dümmsten Fall die Konsequenzen zu tragen hat.

  15. 5.

    Antwort auf "Jan" vom Montag, 27.11.2023 | 16:18 Uhr
    "Toll da haben wir nun Korruption öffentlich in unseren Ämtern. " Welchen Artikel haben Sie gelesen?? Keinen??

  16. 4.

    Was hat Korruption denn damit zu tun, dass eine Plattform von einem privaten Betreiber sich auf der Webseite des Landes Termine bucht und diese dann blockiert? Ddas Geld erhalten NICHT die Landesbediensteten, sondern der private Betreiber.

  17. 3.

    "Es gebe "keine rechtliche und aktuell auch keine technische Handhabe, derartige Angebote und Terminbuchungen durch diese Anbieter gänzlich auszuschließen."

    Der besagte Anbieter besitzt nicht mal ein Impressum, wo ist das Problem die illegale Seite vom Netz zu nehmen? Und wieder mal versagt Sprangers Behörde voll umfänglich.

    "Die Antwort zeugt von einer regelrechten Kapitulation und ist skandalös. Das ist fatal und in dieser Form nicht hinnehmbar."

    Dem ist nichts hinzuzufügen.

  18. 2.

    Toll da haben wir nun Korruption öffentlich in unseren Ämtern. Geld für einen Termin zahlen müssen, welcher eigentlich kein Geld kostet... da fehlen mir die Worte... das System sollte dringend abgeschaltet werden

  19. 1.

    Der Senat kann vielleicht nicht gegen die Bots vorgehen, aber wenn es nicht so extrem schwer wäre dort Termin zu bekommen, würde ich dieses Geschäftsmodell auch nicht lohnen.

    Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass man das nicht so programmieren kann, dass die Termine grundsätzlich nur nach Antragstellung überhaupt angezeigt werden.

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