Geplante Schulgesetzänderung - Ein Jahr länger Schulpflicht in Berlin

Mo 08.04.24 | 19:19 Uhr
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Symbolbild: Jugendliche sitzen in einem Klassenzimmer im Oberstufenzentrum vor der Tafel. (Quelle: dpa/Trutschel)
Video: rbb24 Abendschau | 08.04.2024 | Agnes Sundermeyer | Bild: dpa/Trutschel

Im August soll sich das Schulgesetz ändern. Bildungssenatorin Günther-Wünsch will ein so genanntes Kita-Chancenjahr einführen, die Aufnahmeregeln für die 7. Klasse am Gymnasium umgestalten und den Religionsunterricht aufwerten. Von Kirsten Buchmann

  • Berliner Bildungssenatorin stellt Pläne für Schulgesetznovelle vor
  • Wer nach der 10. Klasse keinen Ausbildungsplatz hat, muss weiter zur Schule
  • Oberstufenzentren sollen diese Schüler versammeln
  • AGH muss noch zustimmen, Pläne sollen ab Sommer umgesetzt werden

Bildung so früh wie möglich, schon vor der Einschulung - das will Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) erreichen. Sie will deshalb Vorschul-Kinder, die noch keine Kita besuchen, aber laut einem Sprachtest Defizite haben, stärker fördern. Das soll künftig sieben statt fünf Stunden pro Werktag geschehen, mindestens ein Jahr lang vor der Einschulung.

Die Senatorin setzt darauf, dass die Eltern mitziehen und ihre Kinder zur Sprachförderung in die Kita bringen. Sie signalisiert allerdings zugleich: "Wenn es da Grenzen gibt, sind wir auch gewillt, mit Ordnungsgeldern zu arbeiten, um die Kinder der frühkindlichen Bildung zuzuführen."

Notendurchschnitt bis 2,3 fürs Gymnasium

Strengere Zugangsregeln plant die Senatorin für das Gymnasium. Eine Gymnasialempfehlung sollen demnach nur Schülerinnen und Schüler erhalten, die in Deutsch, Mathematik und der ersten Fremdsprache im zweiten Halbjahr der fünften Klasse und im ersten Halbjahr der sechsten Klasse im Durchschnitt nicht schlechter als 2,3 liegen. Ansonsten müssen sie, um auf das Gymnasium zu kommen, einen Probeunterricht bestehen.

Der Religionsunterricht soll laut Katharina Günther-Wünsch aufgewertet werden. Wenn Religions- beziehungsweise Weltanschauungsgemeinschaften ihren Unterricht anbieten wollen und Nachfrage besteht, müssen die Schulen ihnen diese Möglichkeit geben.

Elftes Pflichtschuljahr

Neu einführen will Günther-Wünsch für Jugendliche, die ansonsten nach der zehnten Klasse keine Arbeits- oder Ausbildungsperspektive haben und auch nicht beispielsweise ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren, ein elftes Pflichtschuljahr.

Dieses solle flexibel gestaltet werden, sagt die Senatorin. Wenn sich zum Beispiel während des elften Pflichtschuljahres feste Kooperationen von Schülern mit Betrieben ergäben, "kann man flexibel aus dem System abbiegen." Gleichzeitig gelte: "Wer innerhalb des elften Pflichtschuljahres zum Beispiel in einer dualen Ausbildung einen Abbruch hat, wird in das elfte Pflichtschuljahr eingespeist."

Die Schulpflicht werde um ein weiteres Jahr verlängert, "aber nicht über das 18. Lebensjahr hinaus." Die Einführung des elften Pflichtschuljahres soll im kommenden Schuljahr beginnen.

Kritik an weiterem Jahr Schule

Aus Sicht von Marianne Burkert-Eulitz von den oppositionellen Grünen ist die vorgesehene Änderung allerdings mit der heißen Nadel gestrickt. Sie kritisiert unter anderem, dass die Schulpflicht durch ein zusätzliches Jahr an einem Oberstufenzentrum ausgedehnt werden solle. Schließlich gehe es um Jugendliche, die schon eine Schuldistanz hätten, so Burkert-Eulitz. "Dann zu sagen: Du musst jetzt noch ein Schuljahr dranhängen, an einem OSZ, also wieder einem schulischen Kontext, ist sehr schwierig."

Eine offene Frage lautet, woher die Lehrer für das elfte Pflichtjahr kommen sollen. Schließlich geht es laut Berechnungen der Bildungsverwaltung um rund 3.000 Jugendliche. Ausgebildete Lehrkräfte sind allerdings nach wie vor knapp.

Der Senat hat die geplante Schulgesetzänderung zur Kenntnis genommen und zunächst an den Rat der Bürgermeister weitergeleitet. Vorgesehen ist, dass vor der Sommerpause das Berliner Abgeordnetenhaus darüber entscheidet.

Umgesetzt werden sollen die Regelungen damit grundsätzlich zum 1. August dieses Jahres. Für verschiedene Änderungen ist allerdings ein späterer Startzeitpunkt geplant. So sollen etwa die neuen Zugangsregeln zum Gymnasium erst für Schülerinnen und Schüler vollständig gelten, die 2025/26 in der sechsten Klasse sind.

Sendung: rbb24 Abendschau, 08.04.24, 19:30 Uhr

91 Kommentare

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  1. 90.

    Ich mache mir da wenig Illusionen. Das 11. Schuljahr zur Pflicht zu machen, wird in erster Linie dazu dienen, die vorhandenen Maßnahmen an den OSZ zu füllen. Somit gibt es eine Handhabe etwas Druck aufzubauen. Ob es in der Masse hilft? Vielleicht. Besser als zu Hause rumzusitzen allemal.
    Die Gefahr sehe ich eher darin, dass dann so mancher noch weniger Lust hat, sich direkt nach der 10. Klasse eine Ausbildung zu suchen, wenn er oder sie noch ein Jahr abhängen kann.

  2. 89.

    Was sich mir hier nun absolut nicht erschließt:
    Welche Überwachungsbehoerde kümmert sich eigentlich um die Feststellung der Inaktivität nach dem Schulabschluss?

  3. 88.

    Die cDU macht halt dort weiter wo sie mit ihrer "Verkehrspolitik" der 1950er Jahre begonnen hat. Wer cDU wählt wählt den Mief der 1950er Jahre.

  4. 87.

    Sie beharren immer wieder auf diesem verlorenen Jahr. Noch einmal: Nur Schüler, die keinen Ausbildungsplatz haben, sollen ein Jahr länger in der Schule bleiben. Was würden diese sonst tun ohne Lehrstelle? Rumlungern und auf blöde Ideen kommen. So behalten sie wenigstens ein bisschen Struktur im Leben. Außerdem wird diese Generation länger arbeiten, als es mal üblich war. Es ist noch nicht so lange her, da gingen Frauen mit 60 und Männer mit 65 in Rente. Wie auch immer, es ist auf jeden Fall besser, ein Schuljahr mehr zu machen, als die Schule ohne Perspektive zu verlassen. Besser wäre natürlich, alle könnten nach der 10. Klasse einen beruflichen Weg einschlagen.

  5. 86.

    Da bin ich aber gespannt, wie das praktisch aussehen soll? Viel zu viel Schüler und viel zu wenig Lehrer.

  6. 85.

    Also um den Weiterbestand von Menschheit und Städten brauchen Sie sich keine Sorgen machen. Die Menschheit stellt eine sehr anpassungsfähige Art dar, die sich an die geänderten Umweltbedingungen anpassen kann. Dank effektiver Brandbekämpfung sind Großfeuer für Städte keine existentielle Bedrohung, genauso wenig Überschwemmungen. Vernichtet werden Natur und Landschaft. Was PV- und WK-Anlagen, Industrie-und Gewerbeansiedlungen sowie sich immer weiter ausdehnende Baugebiete übrig lassen, wird unter dem Einfluß des Klimawandels untergehen. Die Meere werden durch Verschmutzung und Erwärmung irreparabel geschädigt, die Wälder werden verschwinden. Zahlreiche Tier- und Pflanzenarten werden aussterben. Z.B. Ratten und Fliegen bleiben uns aber erhalten.

  7. 84.

    Uta:
    "Antwort auf [Pete] vom 08.04.2024 um 22:15
    Falsch! Heutzutage brauchen die Kids Unterricht über die verschiedenen Religionen."

    Ja, Unterricht über die Religionen und Weltanschauungen (Religions- und Weltanschauungskunde), aber keinen Unterricht von religiösen Sekten (konfessioneller Religionsunterricht) - auch nicht von den beiden großen christlichen Sekten!

    Säkulare Aufklärung: JA!
    Religiöse Indoktrination: Nein!

  8. 83.

    Stimmt, und machen wir uns nix vor, das betrifft doch überwiegend das gleiche Klientel, die vom Staat leben (wollen).
    Wenn man sich keine Ziele setzt im Leben kann man auch nichts erreichen. Der Weg ist das Ziel!!!

  9. 82.

    "Falsch! Heutzutage brauchen die Kids Unterricht über die verschiedenen Religionen."
    Ja, in Geschichte. Zum Teil in Kunst und Musik. Menschenrechte und Menschenwerte in Ethik oder ähnlichem.
    Ansonsten ist das, was die Religionen treiben, Sache der Religionen. Warum genau sich nun Sunniten und Schiiten nicht mögen oder Protestanten und Katholiken oder russische und ukrainische Orthodoxe, warum es Sikhs gibt und was genau Jesiden machen - nichts könnte mir gleichgültiger sein als all diese Religionen mit all ihren Göttern, von denen jeder der einzig wahre sein soll. Und das sollte Schulstoff sein? Danke schön...

  10. 81.

    Wollen Sie verstehen, dass es mir um das Verlorene geht? Von dem was Sie schreiben habe ich gar kein Wort geschrieben: Weder ALLE noch Unverschuldete sind gemeint. Es geht um diejenigen, und da passt der Artikel, die unter ihren Möglichkeiten bleiben. Weil es Leute gibt, die das tolerieren, keine Gespräche führen um den Entscheidungsprozess zu fördern, weil sie zu bequem sind? Das kostet viel, sehr viel. Rechnen Sie nach.
    Und, wenn man schneller ist, gewinnen Alle. Das stärkt die Solidargemeinschaft.

  11. 80.

    Wollen Sie verstehen, dass es mir um das Verlorene geht? Von dem was Sie schreiben habe ich gar kein Wort geschrieben: Weder ALLE noch Unverschuldete sind gemeint. Es geht um diejenigen, und da passt der Artikel, die unter ihren Möglichkeiten bleiben. Weil es Leute gibt, die das tolerieren, keine Gespräche führen um den Entscheidungsprozess zu fördern, weil sie zu bequem sind? Das kostet viel, sehr viel. Rechnen Sie nach.
    Und, wenn man schneller ist, gewinnen Alle. Das stärkt die Solidargemeinschaft.

  12. 79.

    Entweder können oder wollen Sie den Artikel sowie die diversen Erklärungen hier im Kommentarbereich nicht verstehen:
    Das (neue) zusätzliche Schuljahr betrifft diejenigen Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, der nicht ruft „hier bin ich“(entweder weil sie sich nicht darum bemüht haben, oder die schulischen Leistungen dafür - noch - nicht ausreichend waren, also Zeit verschenkt wird/wurde).
    Das ganze Leben mussten die Kinder tragend, liegend, fahrend erfahren, nun, als Erwachsene müssen sie weiterhin beschäftigt werden? Von denen die schaffen, arbeiten, einzahlen?
    Das Rentenkonto ist so wichtig, dass die Entscheidungen und Gespräche dazu so rechtzeitig geführt werden müssen, dass der Prozess der Entscheidung rechtzeitig ohne Verlust getroffen werden können.

  13. 78.

    > es ist unsolidarisch, wenn man ständig UNTER seinen Möglichkeiten bleibt ...<
    Wo genau leben Sie? Also offenbar nicht hier in D und nicht mitten im Kapitalismus in seiner gegenwärtigen harten Ausprägung. Bitte einmal umschauen in der Realität und in der Welt.
    Solidarität ist als Wort zur leeren Hülse verkommen und in gesellschaftlichen Zusammenhängen völlig unangebracht - und schon gar völlig unangebracht als hochmoralischer Vorwurf von oben herab an junge Menschen, die dabei sind, unter schwierigen gesellschaftlichen Bedingungen ihren Lebensweg suchen zu müssen. Es gibt Lebensbereiche, die sich der ökonomischen Verwertungslogik entziehen (sollten). Und es gibt den zwischenmenschlichen Bereich, in dem Solidarität gelebt werden könnte. Aber noch einmal, das Menschenbild einer Gesellschaft bekommen Sie nicht völlig losgelöst von deren materiellen Existenzbedingungen. Was den Jugendlichen jahrelang im Schul-/Bildungssystem systematisch vorenthalten wird zeitigt dann eben Auswirkungen.

  14. 77.

    Entweder können oder wollen Sie den Artikel sowie die diversen Erklärungen hier im Kommentarbereich nicht verstehen:
    Das (neue) zusätzliche Schuljahr betrifft diejenigen Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, der nicht ruft „hier bin ich“(entweder weil sie sich nicht darum bemüht haben, oder die schulischen Leistungen dafür - noch - nicht ausreichend waren, also Zeit verschenkt wird/wurde).
    Das ganze Leben mussten die Kinder tragend, liegend, fahrend erfahren, nun, als Erwachsene müssen sie weiterhin beschäftigt werden? Von denen die schaffen, arbeiten, einzahlen?
    Das Rentenkonto ist so wichtig, dass die Entscheidungen und Gespräche dazu so rechtzeitig geführt werden müssen, dass der Prozess der Entscheidung rechtzeitig ohne Verlust getroffen werden können.

  15. 76.

    Sie wissen zu wenig von mir, um so etwas „Freches“ schreiben zu dürfen.
    Ihre weitere Wortwahl: Selbstbestimmt, Lebensfreude, Respekt, Anerkennung u.ä. setzen Sie ein, um ernste, sehr ernste vermeidbare Verzögerungen im Leben zu entschuldigen oder zu rechtfertigen. Die gleichen Worte richten sich gegen Ihre Ansicht und gelten auch genau für das Gegenteil: Mindestens ein Jahr früher fertig zu sein/werden. Denken Sie mal darüber (!) auch nach. Manches ist vermeidbar, wenn es nicht „Laufen gelassen wird“! Und darum werbe ich. Es richtig zu machen. Und rechtzeitig. Nicht vonalleine, irgendwann, es wird schon... usw.usf.

  16. 75.

    "Schuldistanz" - habe ich gestern schon in der Abendschau gehört.
    Vorher nie, trotz meiner 55.
    Ist es eventuell schon genau so alt wie "Verweiler" oder "Bildungsfern"?
    Für wen macht man solche Worte?

  17. 74.

    "Schuldistanz" - habe ich gestern schon in der Abendschau gehört.
    Vorher nie, trotz meiner 55.
    Ist es eventuell schon genau so alt wie "Verweiler" oder "Bildungsfern"?
    Für wen macht man solche Worte?

  18. 73.

    Eine komplett sinnlose Idee. Vielleicht mal dran arbeiten das die 10 Jahre vorher vernünftig klappen! Da bringt dann Nummer 11 auch nichts mehr, was 10 Jahre verloren geht, holt man nicht in einem wieder auf. Ausfälle, nicht lehren könnende Quereinsteiger, Lehrinhalte gefühlt aus der Steinzeit…da müsste man alle Resourcen ansetzen, nicht erst alles versäumen und dann versuchen aufzuholen. Das klappt auch nur sehr begrenzt. Und natürlich sind die Eltern auch mehr in der Pflicht.

  19. 72.

    Die Schulgesetzänderung muss die SPD dann auch zustimmen, richtig?

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