Besuch in Märkisch-Oderland -
In Märkisch-Oderland benutzen bereits Hunderte Geflüchtete eine vom Landkreis ausgegebene Bezahlkarte. An Bargeld bekommen sie maximal 50 Euro. Ministerpräsident Woidke will das Modell schnell im ganzen Land implementieren.
Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat sich für eine breiter angelegte Nutzung der Bezahlkarte für Geflüchtete im Bundesland ausgesprochen. "Wenn es zu lange dauern sollte, dann werden andere Landkreise dem Beispiel des Landkreises Märkisch-Oderland folgen. Da gibt es Gespräche", sagte er am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.
Woidke besuchte am Mittwochnachmittag eine Außenstelle des Sozialamts Diedersdorf in Märkisch-Oderland. In diesem Landkreis was bereits im Mai eine Bezahlkarte eingeführt worden. Asylbewerber erhalten verfügbare Geldmittel dadurch weitgehend digital, Bargeld wird nur bis maximal 50 Euro ausgezahlt. "Nach allem, was ich gehört habe, sind das positive Erfahrungen", fasste Woidke seinen Eindruck aus Märkisch-Oderland gegenüber dem rbb zusammen.
Der Ministerpräsident hatte sich im Mai mit dem Landkreistag und dem Städte- und Gemeindebund auf die flächendeckende Einführung einer Bezahlkarte in Brandenburg bis Herbst geeinigt. "Wir haben die Einführung der Bezahlkarte – und auch ich persönlich – vorangetrieben, weil wir erstens Missbrauch von Geld aus dem deutschen Sozialsystem verhindern müssen und zweitens dazu beitragen wollen, dass Menschen, die zu uns kommen, möglichst schnell in Beschäftigung kommen", sagte Woidke dem rbb am Mittwoch.
Hunderte Bezahlkarten in Märkisch-Oderland ausgegeben
Der Landkreis Märkisch-Oderland hatte Anfang Mai als erster Kreis in Brandenburg die Bezahlkarte eingeführt. Vonseiten der Kreisverwaltung hieß es damals, man wolle nicht auf ein bundes- und landesweites Verfahren warten.
Landrat Gernot Schmidt (SPD) zeigt sich jetzt mit der Einführung zufrieden: "Die Bezahlkarte ist von den Betroffenen gut angenommen worden", sagte der SPD-Politiker dem rbb am Mittwoch. Anfängliche Schwierigkeiten seien seiner Ansicht nach behoben worden. Bislang seien in Märkisch-Oderland 770 Bezahlkarten ausgegeben worden.
Mit der Karte als Alternative zu Bargeld soll unter anderem verhindert werden, dass Migranten Geld an Schlepper oder Familie und Freunde im Ausland überweisen. Geflüchtete können damit maximal 50 Euro Bargeld pro Monat abheben, der Rest der Sozialleistungen kann nur direkt mit der Karte ausgegeben werden. In den ersten 18 Monaten erhalten Asylbewerber in Deutschland 410 Euro pro Monat, um ihr Leben zu bestreiten. Wenn sie in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind es 369 Euro.
Keine Anpassung nach Gerichtsurteil aus Hamburg
Vor wenigen Tagen hatte das Hamburger Sozialgericht in einem Einzelfall entschieden, dass 50 Euro Bargeld pro Monat für eine schwangere Frau zu wenig seien. Die Bezahlkarte an sich sei nicht zu beanstanden. Das Gericht forderte aber Einzelfallprüfungen, wie der NDR berichtete.
Der Brandenburger Landkreistag sieht nach dem Urteil keinen Grund zum Umsteuern. "Wir bleiben bei den Kriterien, die wir festgelegt haben", sagte Holger Obermann, Erster Beigeordneter des Landkreistages, der Deutschen Presse-Agentur.
Der Bundestag hatte im April die gesetzliche Grundlage für die Einführung der Bezahlkarte beschlossen. Demnach dürfen die Kommunen selbst entscheiden, wie viel Bargeld die Karteninhaber pro Monat abheben können. 14 Bundesländer wollen mitmachen, darunter Brandenburg und Berlin. Vor zwei Wochen wurde bekannt, dass noch keine Entscheidung für einen Kartendienstleister gefallen ist. Im Ausschreibungsverfahren hatte es Einsprüche von Unternehmen gegeben. Ursprünglich war geplant, die Karten ab Herbst abzugeben.
Landrat Schmidt glaubt, dass die Landkreise und Städte die Bezahlkarte für Geflüchtete besser managen können als übergeordnete Behörden. "Das ist eine kommunale Aufgabe. Landes- und Bundesbehörden haben nicht die Nähe zu der Aufgabe, haben auch nicht die Fachexpertise. Deswegen verwundert es mich nicht, dass es woanders stockt", sagte er dem rbb. Das System aus Märkisch-Oderland könnte beispielhaft für andere Kreise sein, sagte der SPD-Politiker. Schmidt sei im Kontakt mit anderen Landräten aus benachbarten Kreisen wie Oder-Spree oder Barnim, die an der Bezahlkarte Interesse gezeigt hätten.
Flüchtlingsrat und Sozialministerin kritisieren festgelegte Bargeldbeträge
Der Brandenburger Flüchtlingsrat kritisierte die Obergrenze für Bargeld bereits im Mai als "lebensfremd". Mit maximal 50 Euro für Erwachsene seien beispielsweise Bezahlungen von erschwinglichen Lebensmitteln auf dem Markt nicht möglich. "Der extrem limitierte Zugang zu nur 50 Euro bedeutet eine massive Einschränkung der eigenständigen Lebensführung von geflüchteten Menschen", sagte eine Sprecherin.
Auch die brandenburgische Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) hatte sich gegen die festgelegten Bargeldbeträge positioniert. Sie seien "der falsche Weg" und würden Geflüchtete von der sozialen und kulturellen Teilhabe ausschließen, sagte sie im Mai. Nonnemacher wollte Geflüchteten deshalb den gesetzlich festgelegten Betrag für den sogenannten notwendigen persönlichen Bedarf als Bargeld zur Verfügung stellen, 184 Euro für Erwachsene und 137 Euro für Kinder.
Sendung: Antenne Brandenburg, 31.07.2024, 15:30 Uhr