Ärztemangel auf dem Land - Hausarzt dringend gesucht

Do 29.08.24 | 15:14 Uhr | Von Heike Schüler und Marie-Thérèse Harasim
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Symbolbild:Ein Arzt untersucht den Blutdruck einer Patientin.(Quelle:picture alliance/dpa-Zentralbild/B.Wüstneck)
Audio: rbb24 Antenne Brandenburg | 29.08.2024 | Gindorf, Matthias | Bild: picture alliance/dpa-Zentralbild/B.Wüstneck

300 Hausarztpraxen sind in Brandenburg aktuell unbesetzt. Das trifft vor allem junge und zugezogene Menschen. Im Havelland versucht man, mit Stipendien und Zuschüssen neue Ärzte anzuwerben. Von Heike Schüler und Marie-Thérèse Harasim

Francine Heimann hat Glück. Vor fünf Monaten fand sie eine neue Hausarztpraxis in Rathenow. Die junge Lehrerin hat richtig darum gekämpft. Den Stichtag zur Anmeldung hatte sie fett im Kalender eingetragen. "Man hat sofort zu der Uhrzeit angerufen und probiert, probiert, probiert", erzählt sie. "Es gab wirklich welche, die haben 20 Mal angerufen, bis man überhaupt durch kam."

Kämpfen für einen neuen Arzt ist in Rathenow keine Seltenheit: Zurzeit sind elf Hausarztpraxen vakant, das ist ein Drittel der dortigen Hausarztpraxen. Im ganzen Land sind laut Kassenärztlicher Vereinigung Brandenburg (KVBB) 300 Hausarztpraxen nicht besetzt und es werden in den nächsten Jahren noch mehr: Altersbedingt werden bis zu 600 Kassensitze unbesetzt sein, so die KVBB.

Statistisch gesehen kommen in Brandenburg so viele Menschen auf einen Arzt wie in keinem anderen Bundesland, das geht aus Daten des Statistischen Bundesamts und der Bundesärztekammer hervor. 246 Menschen kamen hier im Jahr 2023 auf einen Arzt. Zum Vergleich: Beim Spitzenreiter Hamburg sind es nur 127 Einwohner pro Arzt. Problematisch ist der Mangel insbesondere für Zugezogene und junge Erwachsene, die nicht mehr zum Kinderarzt gehen dürfen.

Mit Stipendien gegen Facharztmangel

Anne Hackmann ist die begehrte neue Hausärztin in Rathenow. Seit März verstärkt sie die Praxis von Hauke Czyborra. Wenn der 61-Jährige irgendwann in den Ruhestand geht, soll sie die Praxis übernehmen.

Seitdem im Dezember 2023 feststand, dass sie kommen würde, sei der Andrang schon recht groß gewesen, erzählt die 34-Jährige. Rund 100 Patienten nahm sie auf. Inzwischen hat auch sie Aufnahmestopp.

Gleichzeitig macht sie ihre Facharztausbildung zur Allgemeinmedizinerin. Deshalb bekommt sie vom Landkreis Havelland ein Stipendium in Höhe von 23.000 Euro. Außerdem wird sie von der KVB gefördert.

Um gegen den Mangel vorzugehen, zahlt der Landkreis Havelland Ärzten, die eine neue Praxis gründen bis zu 20.000 Euro. Außerdem gibt es Stipendien, für die sich Ärzte bewerben können, wenn sie eine Weiterbildung zum Facharzt machen wollen. Für bis zu 30 Monate zahlt der Landkreis bis zu 1.000 Euro im Monat.

Es sei in jedem Fall ein Anreiz, sagt Landrat Roger Lewandowski (CDU). "Im letzten Jahr haben wir dadurch fünf zusätzliche Ansiedlungen in den Landkreis bekommen."

KVB-Vorstandsmitglied Holger Rostek befürwortet die Initiative des Landkreises Havelland, wie er sagt: "Jede Möglichkeit, Ärzte in die ländlichen Regionen zu kriegen, unterstützen wir und ist der richtige Weg."

Dass es immer schwerer sei, Ärzte für den ländlichen Raum zu begeistern, liege jedoch nicht nur am Geld. Es hapere auch an der Infrastruktur. "Unsere jungen Ärzte, die sich niederlassen, haben eine Familie, die haben einen Partner, der berufstätig ist". sagt Rostek. "Für die fällt es schwer, sich in diesen ländlichen Regionen zurechtzufinden, Kitaplätze zu finden. Der Partner braucht einen Arbeitsplatz."

Anne Hackmann hat schon vorher in Rathenow gearbeitet. Sie musste also nicht erst von der Gegend begeistert werden. Zuvor war sie acht Jahre in der Orthopädie/Unfallchirurgie der Havelland-Kliniken in Rathenow. "24-Stunden-Dienste sind schwer mit der Familie zu vereinbaren". Der neue Job ist also auch für sie ein Gewinn.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 28.08.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Heike Schüler und Marie-Thérèse Harasim

1 Kommentar

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  1. 1.

    Auch in Berlin ist die Nachbesetzung von Hausarztpraxen schwierig, die Gründe ähneln sich. Berufstätige Partner, Kinder, Bedürfnis nach Work-Life-Balance. Plus Abrechnungswahnsinn und wirtschaftlichem Druck.
    Da ist man, Schichtdiensten zum Trotz, als Klinikmediziner besser dran. Gehalt kommt pünktlich und abgesehen von der reinen Arbeit kein Bürokratie-Stress drumrum. Auch keine Hausbesuche.
    Schade finde ich trotzdem, dass das Modell des "klassischen Hausarztes", der alles für seine Patienten gibt und zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar ist, ausstirbt...

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