Kontamination durch Löschschaum - Landesumwelt will neues Gutachten für schadstoffbelastetes Reifenlager Altlandsberg
Ein neues Detailgutachten soll über die Schadstoffbelastung eines illegalen Reifenlagers in Altlandsberg aufklären. Anwohner sind offenbar um die Qualität des Trinkwassers in der Gemeinde besorgt. Von Felicitas Montag
Seit Jahren führt ein illegales Reifenlager in Altlandsberg (Märkisch-Oderland) zu Unmut in der Gemeinde. Durch einen Brand und dessen Löschung ist der Boden auf dem Gelände belastet. Das geht aus einem Gutachten vom Mai 2022 hervor, das dem rbb vorliegt.
Es wurde im Auftrag des Landkreises Märkischisch-Oderland erstellt, "um die potenziellen Gefahren, die von der Liegenschaft ausgehen, zu klären", sagte Gregor Beyer, Leiter des Amtes für Umwelt und Landwirtschaft im Landkreis.
Jetzt soll nach dem Willen des Landesumweltamts (LfU) ein weiteres Gutachten die Deponie auf weitere Schadstoffe untersuchen. Das geht aus der Antwort des Umweltministeriums auf eine kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Péter Vida (BVB/Freie Wähler) hervor [bvb-fw-fraktion.de]. Demnach sieht das LfU "die Notwendigkeit der Durchführung einer Detailuntersuchung einschließlich einer abschließenden Gefährdungsabschätzung als gegeben an." Grundlage dafür sei die novellierte Bundes-Bodenschutzordnung, die seit dem 01. August 2023 in Kraft ist.
Kaum abbaubar und gesundheitsgefährend
Große Aufmerksamkeit erlangte die Deponie 2008, als drei Jugendliche ein großes Feuer auf dem Gelände verursachten. 18 Stunden brauchte die Feuerwehr damals, um den Brand zu löschen. Laut dem Gutachten belegen die Boden- und Grundwasseruntersuchungen eine Kontamination der Brandfläche durch per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC). Die Gutachter ziehen als Ursache die beim Feuerwehreinsatz verwendeten Löschmittel in Betracht.
PFC sind künstlich hergestellte Stoffe, die aufgrund ihrer Langlebigkeit als Ewigkeits-Chemikalien gelten. Sie lassen sich in der Natur kaum abbauen, können sich in der Nahrungskette anreichern und gesundheitsschädlich sein. PFC umfassen rund 10.000 verschiedene Stoffe. Dazu gehört auch Perfluoroctansulfonsäure (PFOS), die bis 2006 häufig in Feuerlöschschaum vorhanden war. 2006 wurde der Stoff von der EU verboten. Ausgenommen waren zunächst Schäume, die vor dem 27.12.2006 in den Verkehr gebracht wurden. Diese Löschmittel waren noch bis zum 27.06.2011 zulässig.
Das bedeutet, dass auch der beim Brand 2008 in Altlandsberg verwendete Löschschaum zum Zeitpunkt des Einsatzes zulässig war. Der Einsatz blieb nicht ohne Folgen: "Durch den Einsatz von PFC-haltigen Löschschäumen sowie durch Niederschläge hervorgerufene Lösungsvorgänge aus dem Brandschaden heraus, ist der Boden geschädigt", so das Urteil der Gutachter. Doch welche Folgen hat die Schadstoffbelastung für den Menschen?
Geringes Gefahrenpotenzial für Menschen
Im Gutachten von 2022 heißt es dazu: "Das Gefahrenpotenzial für die Hauptschutzgüter menschliche Gesundheit (auf dem Direktpfad) und Grundwasser (zur Trinkwassergewinnung) ist als vergleichsweise niedrig einzuschätzen." Trotzdem verweisen die Gutachter auf einen dringlichen Handlungsbedarf, "verbunden mit der Einleitung von Gefahrenabwehrmaßnahmen".
Um die Schadstoffeinträge in den Boden und das Grundwasser zu senken, empfehlen die Gutachter außerdem eine Quellsanierung durch Rückbau der Abfälle. Im Anschluss daran sollte ein Monitoring erfolgen, um die Grundwasserbelastung zu dokumentieren, so die Gutachter.
Des Weiteren heißt es: "Eine Nutzung des Grundwassers aus dem obersten Grundwasserleiter im direkten Abstrom der Brandschadenfläche zur Gartenbewässerung (Pflanzen zur Nahrungsgewinnung) oder als Trinkwasser ist zu untersagen. Im direkten Abstrom der Brandschadenfläche existiert aktuell keine Wohn- oder Gartenbebauung (bis 250 Meter)."
Daraus resultiere gegenwärtig kein direkter Handlungsbedarf, schrieb Landrat Gernot Schmidt (SPD) in einem Antwortschreiben an die grüne Kreistagsfraktion im August 2022 [gruene-mol.de].
Vorwurf der Untätigkeit
Bei der Fraktion der BVB/Freie Wähler löste diese Aussage Unmut aus. Sie wirft dem Landrat Gernot Schmidt (SPD) Beschwichtigung und Untätigkeit vor. Der Altlandsberger Stadtverordnete Mirko Prinz (BVB/Freie Wähler) kritisiert, dass die Handlungsempfehlungen vom Landkreis nicht umgesetzt worden seien: "Es wird wahrscheinlich im Hintergrund an Akten gearbeitet, aber die eigentliche Umsetzung fehlt."
Der Landtagsabgeordnete Péter Vida (BVB/Freie Wähler) hingegen bezweifelt nach eigenen Angaben, dass im angegebenen 250-Meter Radius keine Menschen wohnen. Die Anwohner seien um ihre Gesundheit besorgt, heißt es in einer öffentlichen Stellungnahme [bvb-fw-fraktion.de]. Auf rbb-Nachfrage spricht er von schätzungsweise 20 Wohnhäusern. "Die Behörden müssen die Anwohner im Umkreis des verseuchten Altfreifenlagers schnellstmöglich und offiziell über die mögliche Schadstoffbelastung des Grundwassers informieren", so Vida.
Landkreis reagiert auf Kritik
Laut Gregor Beyer vom Amt für Landwirtschaft und Umwelt wurde mit dem Gutachten transparent umgegangen. Bereits im vergangenen Jahr habe der Landrat nach einer Anfrage der Grünen-Fraktion über die Ergebnisse des Gutachtens informiert. Zudem biete das Umweltinformationsgesetz die Möglichkeit, einen Antrag auf Akteneinsicht zu stellen, wovon der Stadtverordnete Mirko Prinz kürzlich Gebrauch gemacht habe. "Dass wir das natürlich nicht auf dem Marktplatz verteilen, hängt mit datenschutzrechtlichen Aspekten zusammen", so Beyer.
Auch den Vorwurf, dass sich innerhalb des 250-Meter-Radius mehrere Wohngebäude befinden sollen, ist für Beyer nicht nachvollziehbar, wie er sagt. Er spricht von lediglich einem Wohnhaus und verweist bei seiner Argumentation auf eine Karte, die sein Amt auf Basis des Gutachtens erstellt habe. Darauf sei nur ein Haus innerhalb des 250-Meter-Radius ersichtlich. Dieses Gebäude sei an das öffentliche Wassernetz angeschlossen und falle damit aus der Betrachtung heraus.
Bislang unbekannte Grundstücke sollen untersucht werden
Aber: "Es gibt vier weitere Wochenendgrundstücke, von denen wir auch kürzlich erst erfahren haben, dass dort sowohl illegale Sickergruben als auch illegale Brauchwasserbrunnen liegen, und damit beschäftigen wir uns momentan", sagt Beyer weiter." Ein erster Versuch, dort eine Wasserprobe zu nehmen, ist leider letzte Woche gescheitert. Der Vorgang soll noch diese Woche nachgeholt werden."
Weitere Wohngebäude befänden sich hinter dem 250-Meter-Radius, sagt Beyer weiter. Diese seien aber ebenfalls an das öffentliche Wassernetz angeschlossen. Zudem gebe es auch einige reine Brauchwasserbrunnen, aber keine Trinkwasserbrunnen, von denen laut Gutachten derzeit keine Gefahr ausgehe. Trotzdem führe das Amt derzeit ein Wassermonitoring durch, um die "Aussagen des Gutachtens in einer langfristigen Begutachtung zu verdichten." Dabei werden sich an den Vorgaben der neuen Bundes-Bodenschutzordnung orientiert.
"Das Beste wäre, man würde die Stoffe da wegbekommen"
Beyer betont, dass der Landkreis dafür verantwortlich sei, dass von dem schadstoffbelastenten Reifenlager keine Gefahr für die Bevölkerung ausgehe. Dieser Aufgabe komme seine Behörde auch nach. "Das Beste wäre es, man würde diese Stoffe da wegbekommen. Das ist als Priorität auch vom Gutachter, völlig unzweifelhaft", so Beyer.
Für die Räumung des illegalen Reifenlagers sei allerdings der Eigentümer - in diesem Fall der Nachlassverwalter, da die Eigentümer bereits verstorben seien - verantwortlich. Der Nachlassverwalter sei auch für die Absicherung des Geländes zuständig, sagt Beyer. Das Gelände sei derzeit mit einem Zaun abgesperrt. Allerdings gebe es dort bereits einige offene Stellen, sodass der Zaun zukünftig erneuert werden solle.
Wer die mögliche Räumung des Reifenlagers letztlich finanziert, sei derzeit auch noch nicht geklärt, so Beyer. Dafür sei laut Gutachten mit rund zwei Millionen Euro zu rechnen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 15.08.2023, 17:30 Uhr