Dekarbonisierung - Ab 2029 soll E-Kerosin bei Cemex in Rüderdorf produziert werden

Di 15.10.24 | 16:16 Uhr
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Symbolbild:Blick in die Mischanlage auf dem Gelände das Zementwerk der Cemex AG.(Quelle:picture alliance/dpa/M.Kappeler)
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Audio: Antenne Brandenburg | 14.10.2024 | Martin Krauss | Bild: picture alliance/dpa/M.Kappeler

Zusammen mit Enertrag und Sasol will der Zementkonzern Cemex klimafreundliches E-Kerosin herstellen und dabei CO2 aus der Zementproduktion nutzen. Für das Projekt sollen drei Windräder und ein Solarpark gebaut werden. Von Corinna Cerutti

Bis 2050 strebt die Europäische Union Klimaneutralität in allen Wirtschaftssektoren an. Das geht nicht ohne Mitwirken der Industrie. Der Zementhersteller Cemex in Rüdersdorf (Märkisch-Oderland) verfolgt deshalb das Ziel, ab 2029 synthetischen Treibstoff in Brandenburg zu produzieren — in Zusammenarbeit mit dem Chemiekonzern Sansol und Enertrag, einem Unternehmen, das auf erneuerbare Energien spezialisiert ist.

"Concrete Chemicals" nennt sich das Projekt, dass vor zwei Jahren ins Leben gerufen wurde und bei dem die Produktion von E-Kerosin aufgebaut werden soll. Details dazu wurden am Dienstag bei einem Pressetermin bekannt gegeben. So solle überschüssiges CO2 aus dem Zementwerk in Rüdersdorf genutzt und mit Wasserstoff kombiniert werden, sagte Cemex-Vorstandsmitglied Alexandra Decker dem rbb. "Das ist ein Vorhaben, bei dem wir hier am Standort CO2 abscheiden und dann als Grundstoff verarbeiten. So können wir einen Beitrag leisten, den Flugverkehr zu dekarbonisieren."

Um die notwendige Energie für die Wasserstoffproduktion bereitzustellen, sollen vor Ort Windkraftanlagen und ein Solarpark entstehen.

Werk in Rüdersdorf wird künftig mit erneuerbaren Energien betrieben

Die Zementindustrie ist einer der Hauptverursacher von CO2-Emissionen weltweit. Im Cemex-Werk in Rüdersdorf werden mit jeder Tonne Zement 380 Kilogramm CO2 in die Luft geblasen. Ginge das so weiter, wäre Cemex Rüdersdorf mit seinen 440 Beschäftigten wohl in ein paar Jahren am Ende, sagte Decker weiter. "Die Dekarbonisierung dieses Standortes und der gesamten Zementindustrie ist essenziell. In der EU wird es schon Mitte der 2030er Jahre keine kostenlosen Zertifikate mehr geben und wir vermuten, dass wir Ende der 2030er Jahre überhaupt kein CO2 mehr emittieren können".

Daher soll das Werk in Rüdersdorf künftig vollständig mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Wasserstoff spielt dabei als Energieträger eine immer größere Rolle. Dabei soll CO2 zusammen mit grünem Wasserstoff durch das Fischer-Tropsch-Verfahren zu E-Kerosin umgewandelt werden. Der grüne Wasserstoff wird zuvor durch Elektrolyse aus Wind- und Solarenergie erzeugt, die Enertrag bereitstellt.

Rund 15 Prozent des benötigten Wasserstoffs soll in Rüdersdorf produziert werden. Der Rest soll über eine Pipeline geliefert werden, unter anderem aus der Uckermark. Das hergestellte E-Kerosin könnte auch am Flughafen BER eingesetzt werden. Die Kosten für das Projekt belaufen sich auf mehrere Hundert Millionen Euro.

Nur CO2 aus nachwachsenden Brennstoffen

Das verwendete CO2 stammt nicht aus fossilen Quellen wie etwa bei der Verarbeitung von Kalkstein für Zement. Hierfür muss Cemex andere Lösungen finden. Stattdessen wird sogenanntes "biogenes" Kohlenstoffdioxid verwendet. Es entsteht bei der Verbrennung von nachwachsenden Brennstoffen wie Pflanzen, Holz, Papier oder Klärschlamm, die zum Beispiel für die Öfen im Zementwerk genutzt werden.

Biogenes Kohlenstoffdioxid gilt als klimaneutral, da es aus Brennstoffen stammt, die wieder nachwachsen und dabei CO2 aufnehmen. Für Cemex bedeute das, dass dieses CO2 nicht ausgeglichen werden muss, sagt Decker: "Mit biogenem CO2 haben wir die Chance, eine Kohlenstoffkreislaufwirtschaft zu entwickeln. Das ist für uns auch ein Geschäftsmodell." Die Flugindustrie soll das E-Kerosin von dem Joint Venture aus Cemex, Enertrag und Sasol beziehen.

Das Projekt ist in Brandenburg nicht das erste seiner Art. In Jänschwalde in der Lausitz soll bis 2027 eine Anlage zur Produktion von grünem Wasserstoff und nachhaltigem Flugzeugtreibstoff entstehen.

Herstellung von grünem Wasserstoff sehr energieintensiv

Trotz des Projekts bleibt ein Grundproblem bestehen: Die größte Menge CO2 entsteht durch den Grundstoff des Zements, den Kalkstein. Bei dessen Verarbeitung wird etwa die Hälfte des eingeschlossenen CO2 freigesetzt. Dieser Prozess ist unvermeidbar. Außerdem ist die Herstellung von grünem Wasserstoff sehr energieintensiv. Nur rund 40 Prozent der Energie, die im Wasserstoff gespeichert wird, kann später tatsächlich genutzt werden.

Enertrag-Vorstandsmitglied Tobias Bischof-Niemz betonte gegenüber dem rbb, dass der Energiebedarf jedoch aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden könne. Im Rahmen des Projekts plant Enertrag nach eigenen Angaben, am Standort Rüdersdorf drei neue große Windkraftanlagen und ein Solarfeld mit 100 Megawatt Leistung zu errichten. "Dieser Strom wird direkt in Rüdersdorf genutzt, sowohl für das Zementwerk als auch für die Wasserstoffproduktion", sagte Bischof-Niemz.

E-Kerosin hat weiterhin klimaschädliche Auswirkungen

E-Kerosin gilt als vielversprechender Weg, um den Flug- und Schiffsverkehr klimafreundlicher zu gestalten. Es hat jedoch auch weiterhin klimaschädliche Auswirkungen, wie die Bildung von Kondensstreifen und Ozon. Daher ist es nicht vollständig klimaneutral, sondern lediglich CO2-neutral. Langfristig wird die Nutzung von E-Kerosin den Flugverkehr teurer machen. Ob sich diese Technologie durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.

Die Umstellung auf ein klimaneutrales Werk betrifft nicht nur die Klimabilanz. Für Alexandra Decker geht es auch um die Zukunft des Standorts. "Das Projekt sichert das Werk in Rüdersdorf und stärkt den Industriestandort Brandenburg", so Decker. Dadurch sollen 440 Industriearbeitsplätze erhalten bleiben. Zudem wird es in Zukunft einen hohen Bedarf an Fachkräften wie Ingenieuren geben.

Die Projektpartner haben einen Förderantrag im Rahmen des Programms "Dekarbonisierung in der Industrie" beim Bundesumweltministerium eingereicht. Aktuell wartet das Konsortium auf die Bewilligung. Der Bescheid wird in den nächsten Wochen erwartet.

Sendung: Antenne Brandenburg, 14.10.2024, 16:10 Uhr

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1 Kommentar

  1. 1.

    Und dann wird das Kerosin verbrannt. Wo ist hier die nachhaltige Minderung der Emission?

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