Ausstellung in der Akademie der Künste - Die Reparatur-Revolution

Sa 14.10.23 | 08:15 Uhr | Von Marie Kaiser
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Ausstellung "The Great Repair" in der Akademie der Künste: Verbindungsgang durch den Gräsergarten der AdK vom japanischen Architekturbüro "Atelier Bow-Wow" (Quelle: rbb/Marie Kaiser)
Audio: rbb24 Inforadio | 14.10.2023 | Nachrichten | Bild: rbb/Marie Kaiser

In 40 Arbeiten aus Kunst und Architektur will die Ausstellung "The Great Repair" in der Akademie der Künste eine Revolution des Bauens anstiften. Doch es geht nicht darum, das Alte wegzufegen, sondern darum, das Alte neu zu erfinden. Von Marie Kaiser

Ein ungewöhnliches Empfangskomitee steht direkt am Eingang zur Ausstellung "The Great Repair" parat: mehrere Reinigungswagen mit Wischmopp, Besen und Mülleimer. Das sind keine Kunstwerke, sondern die Utensilien, mit denen die Reinigungskräfte der Akademie der Künste ihre Care-Arbeit am Gebäude verrichten. Oft nachts im Verborgenen.

Auf den Bildern der Fotokünstlerin Zara Pfeifer sind nur die Hände dieser Menschen mit Staubwedeln oder Lappen zu sehen. Gleich zu Beginn der Ausstellung werden die gewürdigt, die tagtäglich dafür sorgen, dass sich die Besucher:innen im Museum wohlfühlen und das Gebäude instandgehalten wird.

Bauen ist für 40 Prozent der weltweiten Treibhausgase verantwortlich

Die Ausstellung "The Great Repair" setzt im Alltag an und fordert ein gesamtgesellschaftliches Umdenken. Eine ungewöhnliche Art der Revolution, die nicht das Alte wegfegen und alles neu erfinden will. "Mit dem Bestand arbeiten" heißt dann auch das erste Kapitel dieser Ausstellung.

Der Architekturtheoretiker und einer der Kuratoren der Ausstellung Anh-Linh Ngo drückt es so aus: "Wir müssen das, was da ist, besser pflegen und reparieren und so dafür sorgen, dass wir es möglichst lange nutzen können. Wir müssen davon wegkommen, Gebäude abzureißen und durch scheinbar nachhaltige Neubauten zu ersetzen."

Wir müssen das, was da ist, besser pflegen und reparieren und [...] davon wegkommen, Gebäude abzureißen und durch scheinbar nachhaltige Neubauten zu ersetzen.

Anh-Linh Ngo, Architekturtheoretiker und Kurator

Das ist die Botschaft dieser Ausstellung, an der die Architekturzeitschrift Arch+ gemeinsam mit der Akademie der Künste, dem Architektur-Departement der ETH Zürich (Eidgenössische Technische Hochschule) und der Faculté des Sciences Humaines an der Universität Luxemburg insgesamt zwei Jahre lang gearbeitet hat. "Bauen ist für fast 40 Prozent der weltweiten Treibhausgase verantwortlich. Dafür, dass Ressourcen verbraucht und Flächen versiegelt werden", so Anh-Linh Ngo.

Kosmetikbehandlung für Betonbauten

Wir erfahren, wie sogenannte Betonkosmetik dafür sorgen kann, dass Gebäude länger genutzt werden können. An einer Wand sind Materialproben von verschiedenen Berliner Gebäuden ausgestellt. Sie sind nur ein kleiner Ausschnitt aus dem rund 12.000 Materialproben umfassenden Archiv des Berliner Büros Brenne Architekten, das die Akademie der Künste kürzlich in seine Obhut übernommen hat. Die Idee dahinter: zu zeigen, wie die Materialien, aus denen die Gebäude bestehen, am besten instandgehalten werden können. Dazu müssen sie jedoch genau erforscht werden.

Infobox

Ausstellung The Great Repair

Akademie der Künste

14. Oktober 2023 - 14. Januar 2024

geöffnet immer dienstags bis sonntags

Hanseatenweg 10
10557 Berlin

Autos stapeln, um Wohnraum zu gewinnen

Auch das Gebäude der Akademie der Künste selbst, wird für die Ausstellung verändert. Das japanische Architekturbüro "Atelier Bow-Wow" hat aus altem Ausstellungsmaterial einen Verbindungsgang durch den Gräsergarten in der Mitte der Akademie der Künste gebaut. Einen farbenfrohen und überdachten "Solar Garden" mit Gräsern, Blumen und Lichterketten, der neue Durchgänge im Gebäude ermöglicht und ins letzte Kapitel dieser sehr ambitionierten Ausstellung führt.

In "Reparatur praktizieren" wird an konkreten Beispielen gezeigt, wie sich unsere Stadt verändern könnte, wenn wir mit dem Vorhandenen arbeiten, anstatt auf der grünen Wiese neu zu bauen. Ein Stadtplan von Berlin führt uns im Zentrum die geballten Parkflächen der Hauptstadt vor Augen. Das Projekt "After Parking" zeigt, dass diese Parkplätze zusammengerechnet mit 9,49 Quadratkilometern in etwa der Fläche der historischen Mitte Berlins entsprechen.

Wir müssen mit dem Versiegeln natürlicher Flächen aufhören

"Das sind riesige bereits versiegelte Flächen, die man entweder renaturieren oder mit Wohnungen entwickeln könnte", findet Architekt Florian Hertweck, der das Projekt von Studierenden in Luxemburg begleitet hat. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um eine Randbebauung des Tempelhofer Felds, einer natürlichen Fläche im Herzen der Stadt, ist das ein interessanter Denkanstoß.

"Wir sollten unbedingt mit dem Versiegeln natürlicher Böden aufhören, denn wir haben hier ein unfassbares Reservoir von bereits versiegelten Flächen zur Verfügung, sozusagen das Erbe des fossilen Zeitalters. Man könnte sich zum Beispiel vorstellen, dass man ein Drittel dieser Flächen mit Parkingsilos bebaut, in denen Autos übereinander gestapelt werden. Dann könnte man die anderen zwei Drittel der Fläche umgestalten", so Florian Hertweck.

"Die Narben sichtbar lassen"

Doch nicht alles kann und darf repariert werden, auch dieses Problem spricht diese vielschichtige Ausstellung an. Im Kapitel "Die Narben sichtbar lassen" ist eine Videoarbeit über das Akademische Dramatheater in Mariupol in der Ukraine zu sehen, das im März 2022 bei einem russischen Bombenangriff zerstört wurde. In diesem Theater lebten teilweise bis zu 2.000 Menschen, improvisierten eine Suppenküche, eine Krankenstation und einen Kindergarten.

Im Video versuchen die Menschen, die vor der Zerstörung in diesem Theater Zuflucht gefunden haben, durch kollektive Erinnerung eine Art digitales Modell des Theaters nachzubauen. Um die Erinnerung an diesen Ort wachzuhalten - und als Spurensicherung. Denn das Modell könnte auch als Beweismittel für ein Kriegsverbrechen vor internationalen Gerichten genutzt werden.

Christian Heller, einer der künstlerischen Leiter von "The Great Repair" erklärt, warum diese Arbeit des Kiewer Forschungskollektivs "Center for Spatial Technologies" für die Ausstellung so wichtig ist: "Einige Zeit später, nachdem die russischen Besatzer in Mariupol eingefallen sind, wurde das gesamte Theater abgetragen, um diese Kriegsverbrechen zu übertünchen. Wir wollen hier zeigen, wie wichtig es ist, solche Zerstörungen sichtbar zu machen, damit wir nicht vergessen, was passiert ist, damit sich solche Sachen hoffentlich in Zukunft nicht wiederholen."

Sendung: rbb24 Inforadio, 13.10.2023, 14:55 Uhr

Beitrag von Marie Kaiser

7 Kommentare

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  1. 6.

    Was ewig hält, bringt uns kein Geld.
    Deshalb gehen Haushaltsgeräte nach einer festgelegten Anzahl von Betriebsstunden kaputt meist eine Woche nach Ablauf der Garantie, nicht einfach so, sondern geplant. Ersatzteile sind so teuer, dass es sich nicht lohnt eine Reparatur machen zu lassen, wenn es mit Ersatzteil, Anfahrt und Lohn auch zum Preis einer neuen Waschmaschine führt. Habe Schuhe zur Reparatur gebracht, fast 20€ dafür geblecht und am nächsten Tag fiel die neue Sohle wieder ab. Pfusch. Daraus lernt auch ein Alter mit schmaler Rente dass es Produkte sind, die für eine Wegwerfgesellschaft geschaffen wurden, für die Reparatur out und unbezahlbar ist. Wenn ein Reißverschluss teurer ist als eine neue Jacke oder Hose, tja...schwere Entscheidung. :-((

  2. 5.

    Das wurde allerdings aus der Not heraus entweder weiter genutzt oder umgebaut. Heutzutage, auch die "Alten" kaufen neu, auch wenn es nichts taugt, und dann hinterher jammern.

  3. 4.

    Der Spruch "Baue auf und reiße nieder, so hast Du Arbeit immer wieder" ist aber auch schon etwas älter oder?
    Ich würde den ohne es genau zu wissen den 70ern oder 80ern zuordnen.

  4. 3.

    Ab und zu wäre es richtig hilfreich, die Alten zu fragen, dann müsste man das Rad nicht dauernd neu erfinden.
    Weiterverwenden oder Teile von Geräten zweckentfremdet zu verwenden, ist nicht neu. Dass es jetzt Recycling oder Upcycling geschimpft wird, macht daraus keine neue Erfindung, regt höchstens zum Nachdenken über das eigene Wegwerfverhalten an. Immerhin.

  5. 2.

    „ Wir müssen das, was da ist, besser pflegen und reparieren und so dafür sorgen, dass wir es möglichst lange nutzen können. “
    Ich lach mich tot, die blöden Alten, die für den Klimawandel „verantwortlich“ sein sollen, haben ihr Leben lang so gelebt!

  6. 1.

    Man muss das Alte gar nicht neu erfinden, man muss es nur machen. Genau dazu sind die Pseudointellektuellen nicht in der Lage, warum sie sich dem „Neuerfinden“ verschreiben, das dummerweise noch nie zu etwas Vernünftigen, weil Praktikablen, geführt hat. Das Einzige, was bleibt, ist, dass sie gegenleistungslos auf Kosten anderer Leute leben.

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