Fotografen und Instagram - Gefangen in der Kachel

Mo 03.03.25 | 14:24 Uhr
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Eine Rauchsäule steigt am Horizont über dem Mittelmehr auf. (Quelle: Michel Kekulé)
Bild: Michel Kekulé

Viele Fotografen müssen soziale Medien wie etwa Instagram nutzen, um an Aufträge zu kommen. Das macht sie abhängig von den Plattformen. Ein Dilemma, jetzt wo Tech-Milliardäre politischen Einfluss ausüben. Von Nathalie Daiber und Lukas Haas

Ein Foto vom blauen Mittelmeer – eigentlich ein Motiv, das zum Träumen anregt -, wäre da nicht im Hintergrund eine schwarze Rauchsäule. Daneben weitere Fotos: verängstigte Menschen im Wasser, Geflüchtete eingehüllt in Rettungsdecken.

Der angehende Fotograf Michel Kekulé hat sie gemacht, als er vor zwei Jahren ein Seenotrettungsboot im Mittelmeer begleitet hat. Die Bilder werden in Berlin gerade in der Ausstellung "Meet me halfway" im Rahmen des European month of Photography (EMOP) [emop-berlin.eu] gezeigt. "Sie sind vor allem eine Anklage gegen die Abschottungspolitik Europas", sagt Michel Kekulé.

Er versteht sich als ein politischer Fotograf. Das bringt ihn in eine zwiespältige Situation: Als junger Fotograf ist er von der Social-Media-Plattform Instagram abhängig, um sich zu vermarkten und Auftraggeber zu gewinnen. Gleichzeitig besorgt ihn die politische Entwicklung der Plattform und ihres Chefs Mark Zuckerberg. Das Dilemma trifft auch etablierte Fotografen: Selbst sie sind mittlerweile von Instagram abhängig - und kämpfen mit Desinformation.

Instagram für Fotografen kaum mehr wegzudenken

Michel Kekulé steht am Anfang seiner Karriere, er besucht die renommierte Ostkreuzschule. Noch finanziert er sich auch über einen Nebenjob. Um ausschließlich von seiner Fotografie leben zu können, muss er sich in einem umkämpften Markt durchsetzen: Gut zahlende Auftraggeber sind rar – gute Fotografen gibt es viele. Instagram sei für ihn mittlerweile einer der wichtigsten Vermarktungswege geworden, sagt Kekulé. "Da sind eigentlich alle aus der Industrie." Man könne sich auf der Plattform vernetzen und seine Projekte zeigen. "Und das alles relativ barrierearm, denn es kostet ja nichts", sagt Kekulé.

Wie abhängig viele Fotografen und Künstler mittlerweile sind, zeigt eine Studie aus Großbritannien: 20 Prozent ihres Einkommens generieren Künstlerinnen und Künstler laut der britischen Design and Artists Copyright Society (DACS) mittlerweile über soziale Medien, allen voran Instagram. Die Zahlen seien in etwa auch auf Deutschland übertragbar, sagt Barbara Engels, Digitalökonomin am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.

Die Pandemie als Beschleuniger

“Ein Kipppunkt in der Entwicklung ist die Covid-Pandemie gewesen”, sagt sie. Es habe keine Präsenzveranstaltungen mehr gegeben. Dadurch hätten sich viele Fotografinnen und deren Auftraggeber ins Digitale orientiert. Und so sei eine größere Abhängigkeit entstanden.

Eine Änderung des Algorithmus bedeute inzwischen oft direkte Einnahmeverluste, sagt Barbara Engels. "Wenn Instagram den Content von Künstlerinnen nicht mehr so hoch rankt, dann spüren das Künstler:innen ziemlich bald im Portemonnaie", sagt sie. "Und das ist eine absolute Gefahr."

Auch Michel Kekulé sieht das Problem. "Ich unterliege natürlich auch der Willkür von jemandem, der Algorithmen schreibt, der irgendwie auch politische Inhalte mittlerweile einschränkt", sagt er. Im Februar 2024 hatte Instagram angekündigt, politische Inhalte nicht mehr zu empfehlen, wenn man den entsprechenden Accounts nicht ohnehin folgt. Wer solche Inhalte trotzdem vorgeschlagen bekommen möchte, muss das explizit in den Einstellungen aktivieren.

Kleine Schritte gegen Desinformation

"Wir werden mit Präsident Trump zusammenarbeiten, um Regierungen auf der ganzen Welt davon abzuhalten, amerikanische Unternehmen zu verfolgen und Inhalte einzuschränken", verlautbarte Zuckerberg in einer Videobotschaft. Gemeint sind Einschränkungen, die Fake News, Hassrede und Gewaltverherrlichung verhindern können. Damit haben viele Fotografen ein moralisches Problem.

"Ich finde das fürchterlich", sagt Maurice Weiss über die Abhängigkeit. Er sei aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen auf der Plattform zu bleiben, aber er wolle dort den vielen Inhalten etwas entgegensetzen. "Ich verorte alle meine Bilder und wende stur die klassischen Handwerksmethoden an, die wir als Journalisten gelernt haben", sagt er. Dadurch, dass er die Bilder in einen Kontext setze, könne er zumindest im Kleinen dazu beitragen, Desinformation zu verhindern. Trotzdem: "Sobald die Leute die Plattform verlassen, bin ich der Erste, der raus ist."

Die Hoffnung liegt im Analogen

Die Kuratorin und Künstlerische Leiterin des EMOP, Maren Lübke-Tidow, beobachtet, dass mehr und mehr Künstler darüber diskutieren, sich zurückziehen. Sie als Kuratorin nutzt die Plattform aber kaum noch für ihre Arbeit. "Da gehe ich wirklich selbst in Ausstellungen und lasse mich überwältigen von einem Original", sagt Lübke-Tidow. Die direkte Auseinandersetzung gebe ihr viel mehr als die Selbstvermarktung in den Sozialen Medien.

Und vielleicht ist das ja ein Hoffnungsschimmer für die Fotografen: Wenn Ausstellungen in der Industrie wieder wichtiger werden, bekommen die Fotografen auf diesem Weg mehr Aufmerksamkeit und gewinnen an Unabhängigkeit.

Sendung: Radio3, 28.02.2025, 09:10 Uhr

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1 Kommentar

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  1. 1.

    Insta ist leider nur ein Teilbereich des Angriffs auf Fotografen. Adobe hat bereits festgelegt, dass Fotografie ersetzbar seien soll. „Skip the photoshoot“ zeigt das Ziel der Reise an, an deren Ende eine frei erfundene Realität steht, ganz ohne Fotografen.