Rudel in der Döberitzer Heide - "Die Wölfe wollen gar nicht in die Stadt"
In der Döberitzer Heide lebt ein Wolfsrudel, nur wenige Kilometer von der Berliner Stadtgrenze entfernt. Einige Anwohner fragen sich, wie sie mit der Rückkehr der Wölfe umgehen sollen. Von Sylvia Tiegs
- Etwa 2006 siedelten sich die ersten Wölfe wieder im Süden Brandenburgs an
- Zuletzt lebten laut dem "Wolfs-Monitoring" der Länder fast 50 Rudel in der Mark
- Wegen der Wiederansiedlung der Wölfe bangen Schäfer um ihre Tiere
Peter Nitschke schaut begeistert durchs Fernglas. Der Leiter von "Sielmanns Naturlandschaft" in der Döberitzer Heide im Havelland erblickt Wisente, Rotwild mit Nachwuchs und Przewalski-Pferde. Die Tiere grasen alle friedlich in der sogenannten Wildniskernzone, einer Naturlandschaft auf rund 1.860 Hektar.
Und wo sind die Döberitzer Wölfe? "Das wüsste ich auch gerne!", sagt Nitschke und lacht. Wenn man den Wolf suche, finde man ihn nicht. "Der weiß sich schon ganz gut zu verstecken." Aber dass es ein Wolfsrudel in der Döberitzer Heide gibt, ist sicher. Vor knapp zwei Jahren haben sich die Tiere hier niedergelassen.
"Wir wissen von sieben erwachsenen Tieren - das Elternpaar und die Jungen aus dem vorherigen Jahr", sagt Peter Nitschke. Die Welpen von diesem Jahr hat er noch nicht gesehen. Er schätzt aber, dass das Rudel aktuell aus zehn bis maximal 15 Tieren bestehe. Genauer kann er es nicht sagen: Die Döberitzer Heide ist kein abgeriegelter Zoo, die Wölfe sind nicht markiert und haben auch keine Peilsender. Alles, was sie bei Sielmanns Naturlandschaft über das Wolfsrudel wissen, stammt von den Aufnahmen der vielen Wildtierkameras, und von Meldungen durch Wanderer.
Kürzlich ist es einem Besucherpaar tatsächlich gelungen, Videos vom Rudel zu machen. Peter Nitschke hat die Aufnahmen gesehen und schwärmt: "Ganz tolle Bilder! Ich konnte tatsächlich sieben Wölfe hintereinander über die 'Wüste', den früheren Truppenübungsplatz, ziehen sehen."
Anhand der Aufnahmen können die Experten das Elternpaar und die Jungtiere gut auseinanderhalten. Namen aber haben sie "ihren" Wölfen nicht gegeben: "Man sollte die Tiere nicht vermenschlichen", sagt Peter Nitschke.
Verständnis für Sorgen
Dem Leiter der Naturlandschaft in der Döberitzer Heide ist vollkommen bewusst, dass nicht jeder froh über die Rückkehr der Wölfe ist. Zumal es nirgendwo in Deutschland so viele Tiere gibt wie in Brandenburg: Zuletzt lebten laut dem "Wolfs-Monitoring" der Länder fast 50 Rudel in der Mark, die Wölfe in der Döberitzer Heide miteingeschlossen. Neue Zahlen kommen voraussichtlich im September.
Peter Nitschke findet: "Es ist wichtig, dass man die Sorgen und Ängste der Leute wirklich ernst nimmt." Er meint damit vor allem die Nutztierhalter in der Region, die ihre Herden vor Wolfrissen schützen müssen. Es sei gut, sagt Nitschke, dass das Land Brandenburg wolfssichere Zäune und Herdenschutzhunde unterstütze. Das betreffe auch Schäfer, die in der Döberitzer Heide Weideflächen gepachtet haben – und die um ihre Tiere bangen, seit es hier wieder Wölfe gibt.
Sorgen, dass das Wolfsrudel in der Heide immer größer werden könnte, braucht man laut Nitschke allerdings nicht zu haben: "Wenn die Jungtiere geschlechtsreif werden, werden sie verstoßen, wandern ab und suchen sich woanders ihr eigenes Rudel." Wobei das mit dem Abwandern aus der Döberitzer Heide riskant ist: Zwei junge Wölfe wurden bereits totgefahren; zuletzt einer im Mai, auf der nahegelegenen B5.
"Man muss sich groß machen, der Wolf zieht sich dann zurück"
Grundsätzlich können Wölfe sehr weite Strecken zurücklegen. Bis zu 70 Kilometer schaffen sie – am Stück. "Wölfe haben natürlich kein Navi, die laufen einfach los", scherzt Peter Nitschke. Da könne es immer wieder mal vorkommen, dass sie auf Ortschaften stoßen und dort auch gesichtet werden.
Im Januar dachten Anwohner in Berlin-Spandau, dass sie einen Wolf gesichtet hätten. Tatsächlich war es wohl aber nur ein Hund. Nitschke betont, dass Wölfe an sich gar nicht in Städte wollen: "Die sehen dann zu, dass sie dort schnell wieder weggekommen." Menschliche Siedlungen haben Wölfen schon vom Nahrungsangebot her nichts zu bieten, anders als etwa Wildschweinen oder Waschbären.
Doch wie sollte man sich verhalten, sollte man doch einmal einem Wolf begegnen. Peter Nitschke empfiehlt: "Dann muss man sich groß machen, sich bemerkbar machen, in die Hände klatschen. Der Wolf zieht sich dann auch zurück". In aller Regel würden Städter dem Wolf überhaupt nicht begegnen. Denn der Wolf suche Ruhe, weite Flächen und ausreichend zu fressen. So wie in der Naturlandschaft der Döberitzer Heide.
Sendung: "Wir müssen reden" im rbb Fernsehen, 27.06.2023, 20:15 Uhr