Video soll Wildschwein zeigen - Kein einziger Hinweis auf Löwin - Entwarnung nach Suchaktion um Kleinmachnow
Etwa 30 Stunden lang wurde in Berlin und Brandenburg nach einer Löwin gesucht, hunderte Polizisten waren im Einsatz. Am Freitag wurde Entwarnung gegeben. Das Tier sei höchstwahrscheinlich ein Wildschwein, sagen Experten.
Die Polizei hat auf der Suche nach einer mutmaßlichen Löwin Entwarnung gegeben. Sie stellt ihre Suche im Gebiet Kleinmachnow (Potsdam-Mittelmark) ein. Es gebe im geprüften Gebiet keine ernstzunehmenden Hinweise auf die Existenz einer Löwin oder eines anderen Raubtiers, sagte der Kleinmachnower Bürgermeister Michael Grubert (SPD) am Freitag: "Es gibt keine Löwin." Auch in den Warnapps wurde die Gefahreninformation aufgehoben.
Eine erneute Analyse des am Donnerstag viral gegangenen Sichtungsvideos durch zwei Experten hat demnach ergeben, dass es sich höchstwahrscheinlich um ein Wildschwein handelt - und nicht um ein Raubtier oder eine Löwin. Grubert legte auch einen Bilder-Vergleich vor.
Der Bürgermeister zeigte sich selbstkritisch und sagte der ARD: "Wir haben viel zu spät das Video gemeinsam ausgewertet."
Es bestehe daher "keine akute Gefährdungslage", sagte Grubert: "Alle Hinweise führten ins Leere." Weiter sagte der Bürgermeister: "Nach allem menschlichen Ermessen gehen wir davon aus, dass es keine Löwin ist." Daher sei die aktive Suche am Freitagmittag eingestellt worden.
Dies sei in Absprache mit der Polizei so entschieden worden, sagte der Bürgermeister weiter. Die Beamten blieben aber wachsam und seien bei Änderungen der Lage jederzeit imstande, in den Einsatz zurückzukehren. Auch die Behörden und die Polizei im benachbarten Berlin teilten diese Einschätzung, sagte er.
Der Einsatzleiter der Polizei für den Raum Kleinmachnow, Peter Foitzik, sagte, auch Meldungen von Bürgern hätten keine Hinweise auf ein Wildtier gegeben.
Wildtierexperte skeptisch
Der Berliner Wildtierexperte Derk Ehlert war zuvor bereits skeptisch, dass es sich bei dem gesuchten Tier tatsächlich um eine freilaufende Löwin handele. Er könne auf dem im Internet kursierenden Video nur zwei Wildschweine erkennen, die von links nach rechts laufen, sagte er am Freitagmorgen im rbb24 Inforadio. Ihn machte stutzig, dass keine Spuren gefunden werden konnten.
"Grundsätzlich kann ein Löwe nicht einfach weg sein, auch so eine Löwin nicht. Sie hinterlässt Spuren", so Ehlert weiter. "Es ist schon sehr auffällig, dass an der Stelle, wo das Tier gesehen und gefilmt wurde, nicht mal ein Trittsiegel zu sehen ist."
"Locker behaarter Quaste schließt eine Löwin aus"
Auch der Vorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu) Berlin, Rainer Altenkamp, war schon vor der Entwarnung überzeugt, dass es sich bei dem gesuchten Raubtier südwestlich von Berlin um ein Wildschwein handelt. "Schon der kurze, herabhängende Schwanz mit etwa zehn Zentimeter langer, locker behaarter Quaste schließt eine Löwin aus", sagte der Wildtier-Experte mit Blick auf die gesichteten Videoaufnahmen.
Auch die weiteren erkennbaren Merkmale, zum Beispiel der runde Rücken und der längliche Kopf, passten sehr gut zu einem Wildschwein und sprächen gegen ein Raubtier, sagte Altenkamp. "Das gesamte Verhalten ist völlig typisch für Wildschweine im urbanen Raum."
Suche begann in der Nacht zu Donnerstag
Die Suche nach dem möglichen Raubtier nahe der südwestlichen Stadtgrenze Berlins begann in der Nacht auf Donnerstag. Ausgelöst wurde sie durch ein Video, auf dem eine Löwin vermutet wurde. Der Videoschnipsel machte am Donnerstag die Runde durch die sozialen Netzwerke. Die Ermittlungsbehörden schätzten das Video als echt ein. Polizisten gaben nach Angaben einer Behördensprecherin an, ebenfalls ein Wildtier "gesichert" gesehen zu haben.
An der Suche beteiligt waren neben Dutzenden Polizisten auch Veterinärmediziner und der Berliner Stadtjäger. Die Beamten waren teils mit Maschinenpistolen und Schutzschilden unterwegs.
Dem Kleinmachnower Bürgermeister zufolge basierte die gesamte Suchaktion auf diesen beiden Hinweisen. Die Polizisten, die das Video zuerst gesehen haben, hätten eine Gefährdung nicht ausschließen können - daher sei mit der Suche begonnen worden, so Grubert. Erst im weiteren Verlauf sei das Video dann Experten für eine Einschätzung gezeigt worden. Für Samstag erwartet die Gemeinde Kleinmachnow noch die Analyse von Kot und Haaren, die bei der Suche gefunden wurden. Die Polizei Brandenburg kündigte an, in der Region auch in den kommenden Tagen verstärkt präsent zu sein.
Kosten für Einsatz noch unklar
Unklar blieb zunächst, wie hoch die Kosten für den Einsatz ausfallen werden und wer sie tragen muss. Der Einsatz sei noch nicht ausgewertet, deshalb könnten derzeit keine Aussagen zu Gesamtkosten gemacht werden, teilte das Brandenburger Innenministerium auf Anfrage mit.
Bürgermeister Grubert verteidigte die großangelegte Suche. "Die Gefährdungslage war so, dass der Einsatz der Polizei gerechtfertigt war", sagte er. "Wenn so eine Meldung kommt, und sie wird dann auch bestätigt, dann müssen Sie ja schnell handeln. Wir können ja nicht überlegen, so bis mittags um 12 Uhr, was wir machen", sagte Grubert. Für die Gemeinde seien nicht viele Kosten angefallen, das sehe bei der Polizei anders aus.
Zur Höhe der Kosten bei der Polizei gab es zunächst keine näheren Angaben. Einsatzleiter Foitzik nannte den Einsatz verhältnismäßig. Nach der ersten Einschätzung habe nicht ausgeschlossen werden können, dass es sich um eine Löwin handelt. "Alle Hinweise sind nicht bestätigt worden und deswegen ist diese Gefahrenlage beendet."
Zu Beginn der Suche hieß es noch, die Löwin sei gesehen worden, wie sie ein Wildschwein erlegte. Doch auch die Überreste dieses Tiers konnten nicht gefunden werden. "Ich jage zufällig in der Region selbst und ich weiß, dass die Jäger dort sehr gute Hunde haben. Es ist völlig undenkbar, dass die Hunde nichts gefunden haben, wenn dort tatsächlich ein Wildschwein zerlegt wurde", sagte Achim Gruber, geschäftsführender Direktor des Instituts für Tierpathologie in Berlin, dazu am Freitag der Deutschen Presse-Agentur: "Wenn dort eine Löwin ein Wildschwein zerkaut hätte, dann hätten die Hunde etwas gefunden."
Dennoch hält Gruber die Suchaktion für berechtigt: "Die Maßnahmen sind angesichts des begründeten Anfangsverdachts begründet und zu rechtfertigen. Man muss den Aufwand treiben." Die Suche sei eine hervorragende Übung im Zivilschutz gewesen.
Die große Raubtier-Suche rund um Kleinmachnow
Sendung: rbb24 Antenne Brandenburg, 21.07.2023, 19:30 Uhr
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