Füchse in der Stadt - Parasitologe zum Fuchsbandwurm: "Halte Gefahr für sehr gering"

Mo 24.07.23 | 18:29 Uhr
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Berlin: Ein Fuchs am Alexanderplatz © IMAGO / A. Friedrichs
Berlin: Ein Fuchs am Alexanderplatz | Bild: IMAGO / A. Friedrichs

Ex-RKI-Chef Lothar Wieler warnte jüngst vor Füchsen in der Stadt – sie könnten schwerwiegende Krankheiten übertragen. Ein Parasitologe beschreibt die reale Gefahr für Berliner nun näher. Von Jonas Wintermantel

"Iss keine Beeren unter Kniehöhe, da war vielleicht der Fuchs dran!" Schon Oma wusste, dass der Fuchsbandwurm gefährlich sein kann. Und der ehemalige Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, warnte am Wochenende vor Füchsen und deren Ausscheidungen. Tatsächlich ist der Fuchsbandwurm einer der wenigen Parasiten in Deutschland, der beim Menschen schwere Erkrankungen – die alveoläre Echinokokkose - hervorrufen kann.

Parasitologe wirbt für pragmatischen Umgang

"Die Gefahr durch den Fuchsbandwurm halte ich für sehr gering", sagt der Parasitologe Prof. Emanuel Heitlinger von der HU Berlin am Montag rbb|24. In einer eigenen Studie habe er mit seiner Arbeitsgruppe in keinem von 100 Füchsen den Fuchsbandwurm nachweisen können. Heitlinger plädiert für einen pragmatischen Umgang mit der großen Fuchs-Population in der Hauptstadt.

"Unter Beachtung von gewissen Vorsichtsmaßnahmen ist es möglich, mit geringem Risiko eine relativ enge Koexistenz von Mensch und Wildtieren zu ermöglichen", sagt Heitlinger. "Zum beiderseitigen Wohl sollten Menschen Wildtiere nicht bedrängen oder durch absichtliches Füttern anlocken. Man sollte die gängigen Hygienestandards beim Umgang mit den Ausscheidungen oder Kadavern von Wildtieren einhalten: Handschuhe und idealerweise Maske."

Eine Begegnung mit Wildtieren wie dem Fuchs in der Stadt könne so weiterhin eine "Freude" bleiben.

Wielers Warnung

"Die Verbreitung der Füchse in Städten ist grundsätzlich keine gute Entwicklung", hatte der Veterinärmediziner Lothar Wieler den Zeitungen der Funke Mediengruppe gesagt. Es gebe die Lebenswelt der Wildtiere und die Welt der Menschen, sagte Wieler und ergänzte: "Um Infektionen zu vermeiden, sollten wir diese Welten so wenig wie möglich vermischen."

Wer Füchse oder andere Wildtiere füttere oder zulasse, dass sie Futter in der Nähe von Siedlungen fänden, erhöhe ohne Not die Chance von riskanten Kontakten, sagte Wieler. "Das sollte unbedingt unterbleiben. Füchse sollten wieder dahin zurück, wo sie hingehören", betonte er.

Fuchsbandwurm kommt in Füchsen und anderen Wildtieren vor

Der Fuchsbandwurm (E. multilocularis) ist ein parasitärer Bandwurm, der hauptsächlich bei Füchsen, aber auch bei anderen Wildtieren vorkommt. In Europa gilt er besonders in Süddeutschland, der Nordschweiz, West-Österreich und Ostfrankreich als weit verbreitet. Er ist nur wenige Millimeter groß und lebt im Darm von Raubtieren wie Füchsen, Katzen oder Hunden. Diese scheiden seine Eier mit dem Kot aus – die können dann von Nagetieren wie Mäusen aufgenommen werden. Werden die Nagetiere von Raubtieren gefressen, schließt sich der Kreis: Die Larven entwickeln sich im Darm wiederrum zu reifen Bandwürmern.

Übertragung auf den Menschen sehr selten

Menschen können sich durch den Kontakt mit dem Kot von infizierten Tieren oder durch den Verzehr von kontaminiertem Obst, Gemüse oder Wasser infizieren. Zwischen Infektion und den ersten Symptomen können beim Menschen Monate, Jahre oder sogar Jahrzehnte vergehen. Meist gelangen die Larven in die Leber oder die Lunge, in seltenen Fällen befallen sie auch das Gehirn oder die Knochen.

Eine Übertragung auf den Menschen ist jedoch sehr selten. Laut eines Berichts des "European Center for Disease Prevention and Control" gibt es in Deutschland etwa 50 – 70 Fälle im Jahr, in denen der Fuchsbandwurm auf den Menschen übergeht.

Auch bei Füchsen in unsere Region konnte der Fuchsbandwurm bisher nur selten nachgewiesen werden. Bis 2012 führte das Landeslabor Berlin-Brandenburg ein Monitoring durch, bei dem eine vierstellige Anzahl von Füchsen untersucht wurde – eine Infektion konnte in Berlin dabei nicht festgestellt werden. Seit 2012 laufen die Untersuchungen in Berlin sporadisch ab – ebenfalls ohne positive Befunde.

Sendung: rbb24-Inforadio, 24.07.2023, 16:20

9 Kommentare

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  1. 9.

    Gut das wir die Füchse haben. Ich konnte erst heute, morgens mitten in der Stadt am Nollendorfplatz beobachten wie sich ein Fuchs eine fette Ratte geholt hat. Also bitte mehr davon.

  2. 8.

    „Und den Spruch von der Oma kenne ich auch, scheint bei den Hipstern aber abgeprallt zu sein.“

    Ich glaube, mit dieser Annahme irren Sie gewaltig; davon dürfte wohl wirklich so gut wie JEDE:R schon mal gehört haben. Es besteht also absolut kein Grund dazu, sich deshalb für irgendwie schlauer als Andere zu halten. Aber bitte, wenn‘s Ihnen irgendwie hilft …

  3. 7.

    Schlimm sind Kriege, Pandemien und Wetterereignisse durch den Klimawandel - aber Füchse in der Nachbarschaft definitiv nicht.

  4. 6.

    Beruhigend, aber nicht beschwichtigend der Beitrag. Ich fand ja Wielers akademisches Lebenszeichen doch eher etwas reißerisch.

  5. 5.

    Am besten wäre es, wenn ein Fuchs in der Nähe ist, dann wird man mit einer App gewarnt :-)

  6. 4.

    Vielleicht sollte der eine oder andere erst ein wenig nachdenken bevor versucht wird unnötig Angst vor was auch immer verbreitet wird.
    Zur Zeit entsteht aber der Eindruck alles ist besonders schlimm und man muss Vorsichtsmaßnahmen ergreifen.

  7. 3.

    Na endlich mal ein Bericht, der nicht von Panikschüren geprägt ist. Und den Spruch von der Oma kenne ich auch, scheint bei den Hipstern aber abgeprallt zu sein. Und Wildtiere außerhalb von Notlagen zu füttern ist und muss strafbar sein.

  8. 2.

    Na zu den 50-70 Fällen möchte ich ja nicht gehören! Finde trotzdem es sollte unter Strafe gestellt und kontrolliert werden, wenn Wildtiere gefüttert werden.

  9. 1.

    Hatte mir schon gedacht, dass der Fuchs auch zum Sommerlochspektakel gehört. Danke für die Aufklärung!

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