DDR-S-Bahnen in Berlin - Ein letzter Tanz für die Züge der Baureihe 485

Sa 11.11.23 | 16:28 Uhr
  54
Ein Triebfahrzeugschlosser arbeitet am Dienstag (30.08.2011) im Bahn-Reparaturwerk Wittenberge (Prignitz) an einem sanierten Viertelzug der S-Bahn Berlin. (Quelle. dpa-Zentralbild/Jens Büttner)
Video: rbb|24 | 12.11.2023 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: dpa-Zentralbild/Jens Büttner

Eigentlich sollte es schon vor 20 Jahren für sie vorbei sein, doch viele von den S-Bahnzügen der Baureihe 485 fahren bis heute über Berliner Schienen. Nun steht die Ausmusterung kurz bevor. Fans können am Sonntag Abschied nehmen.

Nun ist endgültig Schluss mit den S-Bahn-Zügen der Baureihe 485. Sie werden ausgemustert, wie die S-Bahn Berlin jüngst ankündigte.

Für die Letzten ihrer Art haben sich die S-Bahn-Choreografen noch mal einen besonderen Abschied ausgedacht: Am Sonntag rattern die in der DDR entwickelten und von der S-Bahn als "Kind des Ostens" bezeichneten Züge noch einmal für mehrere Stunden mitunter sternförmig durch die Stadt. Alle können mitfahren. Und um der Tragik dieser letzten Fahrten genug Raum zu geben, treffen sich einige Züge stündlich - für ein kurzes stilles Verweilen zum Abschied.

Die einstige "Coladose" wird ausgemustert

Deshalb müssen die alten Züge gehen

Die Züge der Baureihe 485 können nach Bahn-Angaben nicht mit dem sogenannten Zugbeeinflussungssystem (ZBS) ausgestattet werden, das ab 2024 auf allen Strecken des Netzes erforderlich sein wird. Dadurch lässt sich beispielsweise die Geschwindigkeit besser überwachen und ermöglicht notfalls eine Abbremsung.

Ein großer Nachteil der älteren Züge gegenüber den neuen ist - neben den deutlich schwächeren Motoren -, dass durch Schlitze der Luftkühlung Schneeflocken eindringen konnten, die an warmen Bauteilen schmolzen und sie so unter Wasser setzen konnten. Bei den neuen S-Bahnen werden die Unterboden-Container der Leistungselektronik weiterhin luftgekühlt - allerdings mit kalter Luft in separaten Kanälen.

Ein reaktivierter S-Bahn Viertelzug vom Typ 485 fährt am Freitag (04.03.2011) in Berlin-Schöneweide über die Bahngleise. (Quelle: dpa-Zentralbild/Robert Schlesinger) Zug der S-Bahnlinie 42 am 29.04.2005 in Berlin. (Quelle: dpa/Caro/Jandke)


Ein langer Abschied

Schon Mitte der 2000er Jahre sollte für die Baureihe 485 Schluss sein, es ging dann aber doch nochmal zurück auf die Schiene für einige Exemplare. Zur Unterstützung des Fuhrparks wurde ein Teil der Züge ab 2010 schrittweise reaktiviert.

Schließlich war der 13. April 2023 für die Ausmusterung der alten DDR-Baureihe vorgesehen, wurde dann aber wieder verworfen. Die Züge durften noch den Sommer über weiterfahren. Und zwar deshalb, weil mehrere Fahrzeuge der Baureihen 481 und 480 aktuell für den Betrieb in den kommenden Jahren ertüchtigt würden. Aktuell sind noch 22 Viertelzüge der Baureihe im Bestand, wie die S-Bahn mitteilte.

Infobox

Am Sonntag, 12. November, können Interessierte sich auf mehreren Sonderfahrten von der Baureihe 485 zu verabschieden. Zwischen 10 und 14 Uhr fahren die Züge auf den Linien S85 (Pankow–Grünau) und S47 (Hermannstraße–Spindlersfeld). Zwischen 9:57 Uhr und 13:57 Uhr treffen stündlich vier Züge aus allen vier Richtungen am Bahnhof Schöneweide ein und stehen dort für zwei Minuten nebeneinander.

Zum Abschluss brechen kurz nach 14 Uhr zwei Züge von Schöneweide auf und fahren als S41/S42 in entgegengesetzter Richtung auf der Ringbahn. Im Bahnhof Beusselstraße treffen sie um 14:41 Uhr für einen zweiminütigen Halt erneut aufeinander, bevor sie ihren Weg um die Innenstadt herum zurück nach Schöneweide fortsetzen. Dort enden die beiden Züge um etwa 15:20 Uhr und stehen noch einmal für zwei Minuten an den Gleisen 4 und 5 nebeneinander, bevor sie anschließend in das Werk Schöneweide fahren.

Da kommen die DDR-Züge her

Die DDR-S-Bahnen wurden Ende der 1970er Jahre vom VEB Lokomotivbau Elektrotechnische Werke "Hans Beimler" in Hennigsdorf (Oberhavel) entwickelt. Das Werk ging nach der Wende unter anderem durch die Hände von AEG, wurde von der früheren Daimler-Benz-Bahnsparte Adtranz übernommen und gehört heute dem kanadischen Verkehrskonzern Bombardier.

Die Coladosen auf Schienen

Die Züge lösten ab 1987 schrittweise die ersten elektrischen S-Bahnen der Baujahre ab 1927 ab. Die dann nach der Wende gebauten, heute rund 30 Jahre alten S-Bahnen aus Hennigsdorf wurden speziell auf das Berliner S-Bahn-Netz zugeschnitten, dessen Standards vor gut 100 Jahren entwickelt wurden.

Lange fuhren diese mit roter Lackierung durch die Stadt, was ihr auch den Spitznamen "Coladose" einbrachte. Ab 2002 erfolgte dann schrittweise die Umlackierung. Offiziell trug die Baureihe bei der Deutschen Reichsbahn (Staatsbahn der DDR) die Bezeichnung 270, die Deutsche Bahn taufte sie später nach der Übernahme in Baureihe 485 um.

Diese Züge ersetzen die alten

Der erste Zug der neuen Baureihe hatte am 1. Januar 2021 den Betrieb aufgenommen. Insgesamt hat die Berliner S-Bahn bei den Herstellern Stadler und Siemens 106 dieser neuen Züge bestellt. Seit September die neue Baureihe 483/484 nach Angabend er S-Bahn Berlin komplett. "Die mit Klimaanlagen, modernen Anzeigen und Kameratechnik ausgestatteten Züge bieten mehr Komfort, Kapazität und Zuverlässigkeit für unsere Fahrgäste", so Peter Buchner, Geschäftsführer S-Bahn Berlin dazu.

Auch nach der offiziellen Verabschiedung am Sonntag können die Fahrzeuge der S-Bahn Berlin zufolge noch vereinzelt zum Einsatz kommen. Bis zum Fahrplanwechsel am 10. Dezember 2023 bleiben die Züge demnach noch als Reserve erhalten.

Eine Person sitzt am09.01.2019 allein in der Berliner S-Bahn. (Quelle: dpa/Caro/Sorge) Erich Honecker, Staats- und Parteichef der DDR, bei einer Sitzprobe im Abteil eines neuentwickelten S-Bahnzuges während einer Wirtschaftsausstellung 1989. (Quelle: dpa-Zentralbild/ZB-Archiv)


Das bleibt von den 485-Zügen für Liebhaber

Ein Wagen der Baureihe soll im Frühjahr als Ausstellungsstück an das Deutsche Technikmuseum übergeben werden, einen zweiten soll der Verein Historische S-Bahn erhalten.

Bahnmitarbeitende können immerhin Teile der alten Züge nicht nur im Museum bewundern. Am 13. November können Mitarbeiter Gepäckablagen und Sitzbänke der S-Bahnene erstehen, wie ein Bahnsprecher rbb|24 auf Nachfrage mitteilte. Zuerst hatte die "Berliner Zeitung" darüber berichtet.

Sendung: rbb24 Abendschau, 12.11.2023, 19:30 Uhr

54 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 54.

    Ich hätte eine Idee :-) Stahnsdorf will doch einen Bahnanschluss... Da könnte sie auch ohne Gefahrenbremse zwischen Teltow und Friedhof pendeln. Wildschweine sind's eh zu viele, Löwen auch, und Menschen sterben hier noch am Alter. Übergewicht eher unwahrscheinlich, zu wenig Fahrgäste. Beschleunigung überbewertet, hier ist man froh, wenn überhaupt eine Bahn kommt ... Also: bitte solange unterstellen. Gleise müssen eben repariert werden und die Brücke rüber nach 3Linden auch...

    Tschüss Cola-Dosen. Trauriger Tag...

  2. 53.

    Ich bin weder Ostalgieker noch Pufferküsser. Deshalb habe ich jene besondere deren Beziehung zu diesen Zügen. Anders als der RBB weiß ich aber, dass das Werk in Hennigsdorf mittlerweile Alstom gehört.Alles hat nun einmal ein Ende. Die neuen Züge sind bis auf das Gepiepe wesentlich angenehmer.

    Das Ende der MAN Doppeldecker schmerzt viel mehr. Die fehlen auf vielen Linien. Es wurde zu wenig Ersatz bestellt.

  3. 52.

    Da stimme ich Ihnen völlig zu. Zum Zeitpunkt der Entwicklung und der ökonomischen Zwangslage war der Erfinder -& Entwicklergeist genial. Diese Zwangslage führte eben auch dazu, daß vorrangig E-Loks gebaut wurden. Wohl einer der Gründe, warum die BR 270/485 erst ewig später nach den Baumustern in Serie ging. Die Leistungsfähigkeit eines „Kabelcontainers“BR 250/155 z.b. zeigt die Ingenieurskunst des LEW unter den damaligen ökonomischen Zwängen .

  4. 51.

    Zulässiges Gesamtgewicht ist das Thema. Deswegen wurde z.b.der Platz im sogenannten Traglastenabteil verringert. Dann werden noch andere Faktoren ne Rolle beim Gewicht spielen wie Bremswirkung, Bremswege , allgemeine Tragfähigkeit, etc.. Die Bahn arbeitet da teilweise mit Faktor 10, wenn es um die Sicherheit geht, wenn ich mich recht erinnere. Man möge mich berichtigen, wenn ich da falsch liege.

  5. 50.

    In den meisten anderen Ländern dieser Welt wurden sie noch 20 Jahre laufen... Ich habe sie damals "verkauft" also abgerechnet. Mir geht das sehr nahe, war heute da und habe noch einmal auf die Karosserie geklopft. Es waren viele Fans da , viele sehr gerührt und von weit angereist. Ich bin froh, 4 von ihnen noch ein Mal gesehen zu haben nebeneinander :-)

  6. 48.

    Wenn es so einfach wäre, hätte man es gemacht. Ist es aber nicht. Belesen Sie sich doch einfach mal zur Geschichte dieser BR und zur letzten Wiederinbetriebnahme der BR. Schon da mußten Kleinstserien aufgelegt werden und erstmal ein Hersteller gefunden werden, der diese Teile bahnkonform herstellen konnte.
    Die Betriebe, welche die Technik herstellten, existieren teilweise schon nicht mehr. Auch die technisch ähnlichen Fahrzeuge der DR-BR 212/243(jetzt 112/143)werden aus diesem Grund bei einigen Betreibern schon ersetzt.
    Hauptproblem ist aber wohl, daß man den 485er nicht wirtschaftlich mit neuer Zugsicherungstechnik ausstatten kann. Das Gewichtsproblem ist ja auch noch da.Die ist allerdings zwingend notwendig, weil das System der elektromechanischen Fahrsperre nur noch eine begrenzte Zulassung seitens des EBA hat.

  7. 47.

    Nochmal, ja es lässt sich lösen, aber nur zu einem Aufwand der nicht mehr rentabel ist. Wenn die Kosten die Wagen Instandzusetzen in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen ist es sinnfrei sie noch mal instandzusetzen. Und der Nutzen die Wagen mal für den möglichen Fall aller Fälle bereitzuhalten steht wohl in keinem Verhältnis zu den Kosten.

    Man kann auch einen Trabant immer mit neuen Teilen instandsetzen, aber irgendwann ist der Moment erreicht das es sich nicht mehr rechnet mit ihm täglich zur Arbeit zu fahren. Vor allem dann wenn man ihm, um überhaupt noch damit fahren zu dürfen, nur unter großem Aufwand neue Technik einbauen muss.

  8. 46.

    Bei der BVG klappt das auch schon lange mehr nicht so richtig. Das fängt schon bei Vorschaltgeräten für Leuchtstofflampen an. Zudem war der Wartungsaufwand der Cola-Dosen erheblich höher. "Die Baureihe 485/885 muss zu regelmäßigen Überprüfungen wöchentlich in die Werkstatt, die Baureihe 481/482 dagegen zweiwöchentlich und die jüngsten Züge der Baureihe 483/484 nur viermal im Jahr.
    ...
    Ein weiteres Argument für die Abstellung ist, dass DB Energie Fahrzeuge mit einer durchgehenden Zugsammelschiene auf dem Netz der Berliner S-Bahn nach dem Fahrplanwechsel 2023 nicht mehr zulässt. Diese Technik hat zur Folge, dass die Züge die Lücken zwischen zwei Unterwerken überbrücken, was diese besonders beansprucht" kann man z.B. bei der Berliner Zeitung lesen.

    Immerhin wurde aber bei der S-Bahn anders als bei den Doppeldeckern der BVG für ausreichend Ersatz gesorgt. Die MAN sieht man jetzt vielleicht noch mal auf dem 218, da gestern der letzte Planeinsatz bei der BVG gewesen ist.

  9. 45.

    Bei der BVG klappt das auch schon lange mehr nicht so richtig. Das fängt schon bei Vorschaltgeräten für Leuchtstofflampen an. Zudem war der Wartungsaufwand der Cola-Dosen erheblich höher. "Die Baureihe 485/885 muss zu regelmäßigen Überprüfungen wöchentlich in die Werkstatt, die Baureihe 481/482 dagegen zweiwöchentlich und die jüngsten Züge der Baureihe 483/484 nur viermal im Jahr.
    ...
    Ein weiteres Argument für die Abstellung ist, dass DB Energie Fahrzeuge mit einer durchgehenden Zugsammelschiene auf dem Netz der Berliner S-Bahn nach dem Fahrplanwechsel 2023 nicht mehr zulässt. Diese Technik hat zur Folge, dass die Züge die Lücken zwischen zwei Unterwerken überbrücken, was diese besonders beansprucht" kann man z.B. bei der Berliner Zeitung lesen.

    Immerhin wurde aber bei der S-Bahn anders als bei den Doppeldeckern der BVG für ausreichend Ersatz gesorgt. Die MAN sieht man jetzt vielleicht noch mal auf dem 218, da gestern der letzte Planeinsatz bei der BVG gewesen ist.

  10. 44.

    Genau, dass schwierige Thema Aluminium. Aber das coole waren ja technische Lösungen zu finden, die Jahrzehnte tragen, ohne aus dem Vollen schöpfen zu können.
    Klar ist Neodym besser als Alnico. Und natürlich kann man mit Drehstrommotoren in Verbindung von Leistungsthyristoten mehr rausholen als mit Gleichstrommotoren, aber die Frage stellte sich ja nie.
    Jedenfalls fühlt man bei der Fahrt die Power von tollen Ingenieuren!!

  11. 43.

    Die Korrosionsprobleme hätten sich lösen lassen und die notwendigen Ersatzteile hätte die S-Bahn Berlin GmbH bei hinreichender Stückzahl nachfertigen lassen können. Bei der BVG klappt das ja auch mit teilweise noch deutlich älteren Fahrzeugen.

  12. 42.

    Na, mit etwas Überlegung und gutem Willen hätte man es schon hinbekommen und eine dringend notwendige Betriebsreserve bereitstellen können. Indes es fehlt der Wille.

  13. 41.

    Wehmut in meinem Herzen und ein wenig stolz.
    Wir hier in der LEW haben ein wenig von unserem Blut in die Produktion gesteckt und verdammt , die Dinger liefen und laufen , genauso wie unsere E- Loks.

  14. 40.

    Nein, Verkauf scheidet aus, weil die nur auf dem Berliner S-Bahn-Netz fahren können. Die werden gerade bei Bender in Opladen zerlegt und der Wiederverwertung zugeführt, wie es so schön heißt.

  15. 39.

    Nun ja, bei der Baureihe ist der Wagenkasten aus Alu. Da gibts max.Alufraß wegen Kontaktkorrosion. Was ein Problem darstellt ist Rißbildung im Bereich der Kupplungsaufnahmen. Mal mehr, mal weniger. Ersatzteile sind allerdings ein richtiges Thema.

  16. 38.

    Die landen auf dem Schrottplatz
    https://loko-motive.de/berliner-s-bahn-beim-bender

  17. 37.

    Korrosion nagte schon früh an den Zügen wie auch die Ersatzteilbeschaffung ein immer größer werdendes Problem war. Das Gewichtsthema ist ja schon angesprochen worden.

  18. 36.

    „ Für mich steigert es nicht das Sicherheitsgefühl, von Saurons Auge / Gott / oder dem "Großen Bruder" permanent gestalkt zu werden: - ich will lieber jemanden der aktiv Helfen kann, sollte mal was sein!"
    Dem kann ich einfach auch nur voll zustimmen, danke.“

    Niemals, ich nicht! Wer hilft denn noch?

  19. 35.

    Guten Morgen! Werden nicht mehr planmäßig in Betrieb sein und der weiteren Verwertung(Zerlegung)ab Fahrplanwechsel im Dezember 2023 übergeben. Bis zum Fahrplanwechsel werden die letzten betriebsfähigen Exemplare in Reserve gehalten.

Nächster Artikel