Interview | Tag des Apfels - "Bestimmte Sorten werden den Klimawandel nicht mitmachen"
Robust, haltbar und lecker – der Apfel ist ein gesunder Snack. Auf rund 900 Hektar werden allein in Brandenburg Äpfel angebaut, auch die private Streuobstwiese wird immer beliebter. Apfel-Auskenner Hans-Georg Kosel über eine runde Frucht und ihre Zukunft.
rbb|24: Herr Kosel, sie sind Pomologe. Erklären Sie kurz, was Sie da machen.
Hans-Georg Kosel: Als Pomologe beschäftige ich mich mit Sortenkunde und der Kunst des Obstanbaus. Wir befassen uns nicht nur mit Äpfeln, sondern auch mit Weichobst, Beeren und so weiter. Bei Äpfeln und Birnen gibt es je Art mehrere tausend Sorten und beim Beerenobst etwa 200 bis 300 Sorten je Art.
Auf etwa 900 Hektar werden in Brandenburg Äpfel angebaut. Die Zahl der Betriebe und der Flächen geht im Vergleich zu früheren Jahren zurück. Auch die Klimakrise macht sich stark bemerkbar in Brandenburg. Wie steht es denn in Zukunft um den Apfelanbau?
Grundsätzlich geht der Anbau von Plantagenobst zurück. Wir Pomologen beschäftigen uns aber überwiegend mit dem Obst in der Landschaft, extensives Obst nennt man das - von Hochstammkulturen, Obstbäumen in Parkanlagen, Straßenbäumen bis in die Kleingärten. In Brandenburg ist der intensive Obstanbau rückläufig, entgegengesetzt erlebt der Obstbau der Selbstversorger einen Boom seit einigen Jahren.
Woran liegt es, dass sich immer mehr Leute selbst versorgen?
Einmal geht es vielen Leuten um den Sortenerhalt, da steht also eine seltene Sorte im Garten der Oma oder der Tante. Obst ist auch sehr teuer geworden, und es wird aus China oder Argentinien hergebracht. Und da gibt doch immer mehr Leute, die sich ein Grundstück kaufen oder pachten und mit Streuobstbäumen bepflanzen, zur Selbstversorgung oder auch als Hobby.
Bleiben Apfelbäume auch in Zukunft in unserer Region erhalten?
Ja, außer bestimmte Sorten, die den Klimawandel nicht mitmachen. Den frühen Sorten ist es zu heiß, die bekommen immer häufiger Sonnenbrand durch die Hitze. Aber die späteren Sorten, ab Ende September und Oktober, die werden uns noch ein paar Generationen erhalten bleiben.
National ist das überall so, auch im Rheinland. Die haben auch Riesenprobleme. Klimaschutz ist ganz wichtig und man versucht auch mit Spätsorten zu experimentieren, damit sie uns noch lange erhalten bleiben.
Welche Sorten an Äpfeln werden denn in Brandenburg vorwiegend angebaut?
Im Intensivanbau auf Obstplantagen werden auch in Brandenburg die klassischen Supermarkt-Sorten gezüchtet und angebaut, sowas wie Jonagold, Braeburn, Elstar.
Welche Sorten werden auf Streuobstwiesen angebaut?
Das fängt an von Goldparmäne, Winterglockenapfel, weißer Wintertaffetapfel, Boskoop, Orléans-Reinette oder Ontario, der ist ein Bestseller. Das sind einige Sorten, die hier in Brandenburg super gedeihen und auch noch gerne gepflanzt werden.
Gibt es denn Sorten, die man hier eher gar nicht anbaut oder die gar nicht funktionieren?
Das ist eher eine Frage der Fruchtbarkeit der Böden. Das ist ein Thema, mit dem ich mich auch sehr intensiv beschäftige. Die meisten Leute, die sich ein Bäumchen kaufen, denken, wenn sie ein Baum in den Boden pflanzen, funktioniert das einfach. Leider haben wir sehr schlechte Böden, von kontaminierten bis schwach fruchtbaren oder purem Karnickelsand – und danach muss man auch die Sorten auswählen, die das vertragen können. Es gibt einige Sorten, die Sandboden besser vertragen, und andere eben mehr Lehmboden.
Pomologen sind also die richtigen Ansprechpartner, wenn man sich entscheidet, neu anzupflanzen oder einen alten Baum wieder aufzupäppeln …
Genau, wir beschäftigen uns auch viel mit Revitalisierung, also den Gesundheitsstatus des Baumes festzulegen und einen Baum innerhalb von drei Jahren wieder in Vollertrag zu bringen.
Wie alt kann ein Apfelbaum bei guter und richtiger Pflege werden? Und wie lange trägt ein Apfelbaum Früchte?
Das hängt von der Sorte und dem Nährstoffgehalt des Bodens ab. Wenn die Voraussetzungen stimmen, kann ein Apfelbaum 90 bis 200 Jahre alt werden. Der älteste, ein Borsdorfer, stand in der Alexandrowka in Potsdam. Der wurde 1826 gepflanzt und stand bis vor zwei Jahren da auf der Wiese.
Damit die Bäume alt werden können, ist die Erstpflege in den ersten zehn Jahren das Allerwichtigste. Wenn man die Bäume da vernachlässigt, gehen sie ein.
Birnen können noch viel älter werden, so 300 bis 400 Jahre, und Quitten auch 400 Jahre, natürlich nur bei guter Pflege. Und in Berlin stehen auch reichlich Obstbäume in Parks, im Britzer Garten oder im Bürgerpark in Pankow, so um die 120 bis 150. Wenn man sich bei der Parkleitung anmeldet, kann man mit einem Apfelpflücker, also einer Teleskopstange, auch kleine Mengen ernten.
Wenn man Interesse an alten Sorten hat, wo bekommt man solche Bäume her?
Ich würde empfehlen, Kontakt zum Pomologenverein aufzunehmen, um erstmal eine Sortenberatung zu machen, und zu schauen, wie die Bodenbeschaffenheit ist, also welche Sorte dafür überhaupt geeignet ist. Und dann kann man sich einen Baum aus einer entsprechenden Baumschule holen, da können wir auch einige empfehlen, die auch die entsprechenden Sorten haben und anbauen.
Sie engagieren sich sehr für den Erhalt alter und seltener Sorten. Wie bestimmt man sie und wie schafft man es, diese Sorten zu bewahren?
Erstmal muss man regelmäßig Seminare besuchen, wo man das beigebracht bekommt. Und dann kann man nur über jahrelange Assistenz von Sortenbestimmern erlernen. Wir haben in Brandenburg leider nur fünf Sortenbestimmer, die das erlernen wollen. Um eine Sorte zu bestimmen, müssen mindestens 12 bis 15 Merkmale geprüft werden. Und über das Bundessortenamt gibt es den "Fingerprint" jeder Sorte, worüber man Sorten bestimmen kann. Das ist aber durchaus kostspielig.
Nochmal zum zweiten Teil der Frage, wie lassen sich Sorten bewahren?
Zuerst muss ich einen Originalbaum haben, von dem ich die Sorte kenne. Also erst die Sorten bestimmen. Dann hole ich mir die einjährigen Triebe und lasse sie in einer Baumschule veredeln oder veredele selber. Und im Herbst kann ich das kleine Bäumchen abholen.
Haben Sie eine Lieblingsapfelsorte?
Das ist sehr schwer, aber ich sage mal: Ein Spektrum von 30 Sorten gehören zu meinen Lieblingssorten. Unter anderem sind das Sorten wie Orléans-Reinette, Alkmene, Goldparmäne oder London Pepping - da gibt es wahnsinnig viele, die wirklich sehr lecker sind.
Wie viele Sorten haben Sie selbst schon probiert?
Schwierig, man hat ein gewisses Sorten-Repertoire. Ich denke, es werden bei mir schon so 400 bis 500 Sorten sein.
Wieviel Äpfel essen Sie am Tag?
Im Sommer esse ich zwei bis drei Äpfel am Tag und im Winter eher einen.
Lieber Apfeltee oder Apfelsaft?
Apfelsaft auf jeden Fall.
Vielen Dank für das Gespräch Herr Kosel!
Mit Hans-Georg Kosel sprach Sebastian Hampf, rbb|24.
Sendung: Radioeins, 11.01.2024, 05:00 Uhr