#Wiegehtesuns? Arbeitsalltag eines Busfahrers - Keine Zeit, um in die Stulle zu beißen oder auf Toilette zu gehen
Weil Hunderte Busfahrer in Berlin fehlen, ist auf einigen Linien bereits ausgedünnt worden. Nachwuchs zu finden ist schwer. Fahrer Matthias Kurreck befürchtet, dass es die Arbeitsbedingungen sind, die den Job unattraktiv machen. Ein Gesprächsprotokoll
In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Matthias Kurreck ist seit 16 Jahren bei der BVG. 13 Jahre hat er als Busfahrer gearbeitet, seit drei Jahren wäre er als Personalrat eigentlich freigestellt. Aufgrund des Personalmangels springt er regelmäßig als Fahrer ein. Kurreck ist 39 Jahre alt und wohnt in Berlin-Mahlsdorf.
Warum ich Busfahrer geworden bin? Salopp gesprochen, weil ich vorne links sitzen, aus dem Fenster gucken und viel Geld verdienen wollte. Aber schon in der Ausbildung habe ich gemerkt, dass der Beruf viel komplexer ist.
Unsere Schichtsysteme sind körperlich belastend; die Wendezeiten sind zu kurz. Wenn ich als Busfahrer das Ende der Linie erreiche, stehen mir vier Minuten als Ausgleich für Verspätungen zur Verfügung. Wenn ich aber mit sechs Minuten Verspätung ankomme, was bei dem Verkehr in Berlin schnell passiert, fahre ich mit zwei Minuten Verspätung gleich wieder los. Die Fahrgäste sind darüber natürlich nicht erfreut und ich konnte weder in Ruhe etwas essen noch auf die Toilette gehen.
Ich wünsche mir, dass sich unsere Arbeitsbedingungen da verbessern. Wir haben zum Beispiel geteilte Dienste, die können schon mal bis zu 16 Stunden dauern, mit kleinen Pausen. Wir haben Nacht-, Früh- und Spätschichten. Wir arbeiten immer sechs Tage am Stück und haben dann zwei Tage frei. Es beginnt mit einem Spät- oder Nachtdienst und endet mit einem Frühdienst, der um 2:30 Uhr beginnt. Das macht den Körper kaputt.
Manche Kollegen halten zehn Jahre durch, andere 15 Jahre. Jeder Körper verkraftet das anders. Gerade die neu beschäftigten Kollegen, die vorher keine Erfahrung mit Schichtdienst hatten, kommen damit nicht zurecht.
Und ich sehe das auch täglich. Ich habe oft gar nicht mehr die Möglichkeit, mich runterzufahren nach dem Dienst. Dafür brauche ich einfach mehr Zeit und auch mehr Urlaub. Ich muss einfach mal durchatmen können. Ich muss auch einfach mal von der Stulle abbeißen können an der Endhaltestelle. Ich befürchte, dass auch die Attraktivität des Jobs irgendwann für andere darunter leiden könnte.
Und uns fehlen schon jetzt viele Busfahrer, deshalb können wir den gewohnten Takt auch nicht einhalten. Allein in diesem Jahr bräuchten wir über 900 neue Kollegen. Das ist vom Volumen her ein mittelständisches Unternehmen. Aber die Resonanz, die ich ja auch als Personalrat erlebe, ist etwas dürftig.
Vor allem sehe ich aber auch die Abgänge von Neubeschäftigten. Viele der neuen Kollegen sind dem Stress in diesem Beruf nicht gewachsen. Wir erleben da eine Fluktuation von rund zehn Prozent.
Auch ich habe mir schon mal überlegt, ob es nicht noch was Besseres gibt. Man sucht ja immer nach Berufen, die besser vergütet sind und mehr Wertschätzung und bessere Arbeitsbedingungen bieten. Aber ich bin dabeigeblieben, weil ich sehe, dass man meckern, aber sicherlich auch etwas verbessern kann.
Mit dem Ausbau der Vorrangschaltung für Busse an Ampeln, die den öffentlichen Nahverkehr beschleunigen würde, wäre schon einiges gewonnen. Auch mehr Toiletten an den Orten, an denen wir sie brauchen, würden helfen, die Arbeit für uns attraktiver zu machen.
Gesprächsprotokoll: Wolf Siebert
Sendung: rbb24 Inforadio, 24.01.2024, 6:50 Uhr