Unfallkommission tagt - Wieder Tempolimit auf der A24?

Mi 25.10.23 | 06:41 Uhr | Von Björn Haase-Wendt
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Archivbild: Der Verkehr staut sich auf der Autobahn 24 in Richtung Berlin nach einem Unfall. (Quelle: dpa/TNN)
Audio: Antenne Brandenburg | 25.10.2023 | Björn Haase-Wendt | Bild: dpa/TNN

Seit März rollt der Verkehr auf der A24 ohne Tempolimit zwischen den Dreiecken Havelland und Wittstock. Nachdem es in diesem Sommer viele Unfälle gab, prüfen Polizei und Autobahngesellschaft nun auch die Wiedereinführung des Limits. Von Björn Haase-Wendt

Dicht an dicht rollen Lkw, Transporter und Autos über die A24 bei Fehrbellin. In den letzten Monaten hat der Verkehr deutlich zugenommen, sagt Cornelius Voyé. Er ist Gemeindewehrführer in der Gemeinde Fehrbellin und seine Einsatzkräfte haben deutlich mehr zu tun. "Wir haben vor der Autobahnbaustelle vor vier Jahren im Durchschnitt rund 30 Autobahneinsätze. In diesem Jahr sind wir schon bei 50 Einsätzen", sagt der Gemeindewehrführer. Dazu gehören Verkehrsunfälle, Fahrzeugbrände und die Beseitigung von Ölspuren.

Portrait: Voye. (Quelle: rbb/Haase-Wendt)
Fehrbellins Gemeindewehrführer Cornelius Voyé. | Bild: Haase-Wendt

Karambolagen sind ein Problem

In der Gemeinde sind die Einheiten aus Fehrbellin und Linum für gut 42 Autobahnkilometer zuständig. Glücklicherweise sind die schweren Verkehrsunfälle mit hohem Technikaufwand ausgeblieben. Einfach ist das Einsatzgeschehen trotzdem nicht: "Wir haben die ein oder andere Lage, wo sich die Autos gegenseitig aufeinander schieben, wo viele betroffene Personen waren und auch Verletzte", erinnert sich Voyé. So gab es erst vor kurzem im Bereich der Fehrbelliner Feuerwehren einen Unfall mit neun Fahrzeugen, 22 Personen und fünf Verletzten.

Tempolimit erst im Frühjahr aufgehoben

Die A24 gerät mit den vielen Unfällen wieder in den Blick von Einsatzkräften, Autofahrern und der Politik. Denn erst im März dieses Jahres wurde das Tempolimit 130 nach 20 Jahren zwischen den Dreiecken Havelland und Wittstock durch die Autobahngesellschaft des Bundes aufgehoben. Die Begründung damals: Das Tempolimit hat gewirkt, die Unfallzahlen sind deutlich zurückgegangen, außerdem wurde die A24 saniert und teilweise ausgebaut. Ergo: Es gebe keine rechtliche Grundlage mehr für die Beibehaltung des Tempolimits.

360 Unfälle seit März

Nun kracht es aber wieder häufiger zwischen den Dreiecken Havelland und Wittstock - laut dem Brandenburger Innenministerium über 360 Mal zwischen März und August, dabei wurden 103 Menschen leicht, 16 schwer verletzt. Im Vorjahreszeitraum waren es 331 Unfälle, bei denen 73 leicht und elf Personen schwer verletzt wurden, außerdem gab es einen tödlichen Unfall. Brandenburgs Innenstaatssekretär Markus Grünewald kündigte im September im Landtag an, dass das Land vor diesem Hintergrund und in Abstimmung mit der Polizei der Autobahngesellschaft eine Geschwindigkeitsbegrenzung empfehlen werde.

Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung A24. (Quelle: rbb/Haase-Wendt)Zwischen Kremmen und Fehrbellin verengt sich die A24 von drei auf zwei Spuren je Richtung.

Unaufmerksamkeit und zu wenig Abstand

Vor der Sitzung der Unfallkommission zur Situation auf der A24 – die nach rbb-Informationen am Donnerstag stattfinden soll - wollen sich weder Polizei und noch die Autobahngesellschaft zu neuen konkreten Zahlen und Unfallschwerpunkten äußern. Aber so viel: Ja, es gibt Raser. Das Hauptproblem seien sie aber nicht, erklärt Dörte Röhrs, die Sprecherin der Polizeidirektion Nord in Neuruppin: "Wir haben in den vergangenen Monaten gemerkt, dass aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens die Leute leider ihre Fahrweise offensichtlich nicht anpassen."

So gab es nach Einschätzungen der Polizei viele Unfälle aufgrund von Unaufmerksamkeit und zu geringem Abstand. "Bei hohem Verkehrsaufkommen muss man sicher auch seine Geschwindigkeit reduzieren, aber man muss vor allen Dingen Abstand halten. Hier bei uns im Bereich kommt es immer wieder zu Stauerscheinungen, wo der Grund auch nicht ersichtlich ist", sagt die Polizeisprecherin. Auch würden sich die Unfälle vor allem in der Ferienzeit und an den Wochenenden häufen, wenn besonders viel Verkehr unterwegs ist.

Portrati: Roehrs. (Quelle: rbb/Haase-Wendt)
Polizeisprecherin Dörte Röhrs. | Bild: rbb/Haase-Wendt

Kommt das Limit?

Kann die Wiedereinführung des Tempolimits auf der A24 also helfen? Die Polizeisprecherin sagt dazu nichts und winkt ab. Die Autobahnkommission müsse entscheiden. Klarer wird Ostprignitz-Ruppins Landrat Ralf Reinhardt (SPD). Er hält ein Tempolimit für nicht zielführend. "Wir haben eben das Phänomen mit viel langsamen Verkehr mit den LKW auf der rechten Spur und viel zügigem Verkehr auf der linken Spur, der wenn es stockt, nicht rechtzeitig auf der Bremse ist. Da wird ein Tempolimit nicht viel helfen."

Der Landrat sieht das Problem auch beim Bund. Denn seit Jahren fordert die Region einen sechsspurigen Ausbau der A24 zwischen den Dreiecken Havelland und Wittstock. Doch trotz Baugenehmigung wurde das Vorhaben nicht umgesetzt. Weiterhin gibt es trotz Sanierung nur zwei Spuren je Fahrtrichtung.

Seitenstreifenfreigabe geplant

Als Kompromiss soll die temporäre Seitenstreifenfreigabe dienen. Die Idee dahinter: Wird es auf der A24 zu voll, kann der bisher ungenutzte Seitenstreifen im Abschnitt zwischen Kremmen und Fehrbellin für den Verkehr freigegeben werden. Zeitgleich würde dann das Tempo auf der A24 reduziert werden. Doch obwohl die dafür notwendigen Kameras und Anzeigetafeln längst montiert sind, lief das System in diesem Jahr noch nicht.

"Die Anlage wird derzeit an die Verkehrsrechnerzentrale Berlin/Brandenburg angebunden. Hierzu sind umfangreiche Testläufe und Schulungen von Personal sowie Probebetriebsabläufe notwendig" teilte ein Sprecher, der zuständigen Fernstraßenplanungs- und -baugesellschaft DEGES mit. Läuft der Probebetrieb nach Plan, könne das System eventuell im November an den Start gehen.

Aus Sicht des Fehrbelliner Gemeindewehrführers könnte das System zu einer Entspannung führen, denn der Verkehr werde so entzerrt. "Das wird gerade im Ferien- und Wochenendverkehr ein bisschen den Druck rausnehmen", sagt Cornelius Voyé. Klar ist für ihn aber auch, es muss etwas passieren auf der A24. Denn das jetzige Einsatzgeschehen sei für die ehrenamtlichen Feuerwehrkräfte zunehmend eine Belastung: "Jeder hat Familie und Job. Wenn sie dann dreimal die Woche in der Feuerwehr unterwegs sind, das zerrt am alltäglichen Arbeitsablauf."

Sendung: Antenne Brandenburg, 25.10.2023, 07:30 Uhr

Beitrag von Björn Haase-Wendt

59 Kommentare

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  1. 59.

    Auf Autobahnen, und um die geht es, greift der §4 Abs 3 StVO : "Wer einen Lastkraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t oder einen Kraftomnibus führt, muss auf Autobahnen, wenn die Geschwindigkeit mehr als 50 km/h beträgt, zu vorausfahrenden Fahrzeugen einen Mindestabstand von 50 m einhalten."
    Die "sieben Meter Regel" gilt für alle Kfz, eben über 7 Meter Länge, außerhalb geschlossener Ortschaften. Also auch für das Wohnwagengespann auf der Landstraße. Ich würde mich auch nicht drauf verlassen, das ein Sattelzug nur 16 Meter kurz ist. Bei "Lang-LKw" sind auch locker 25 Meter drin (seit 2017) und die werden im kombinierten Verkehr (Schiene/Straße) immer häufiger eingesetzt.

  2. 58.

    Sie suggerieren Falsches. Ich bin bestimmt schneller in Hamburg und ein guter Mensch, sagt meine Frau.

  3. 57.

    Nur mal so: auf Kraftfahrtstraßen und Autobahnen ist eine bauartbedingte Geschwindigkeit von minimum 60km/h vorgeschrieben. Und wenn ein Fahrzeug auf einer Autobahn mit 70 oder 80km/h fährt, ist es beim Einhalten des Rechtsfahrgebotes keine Ordnungswidrigkeit. Für die PS- und hochgeschwindigkeitsgeilen Leute ist das ärgerlich, aber nicht strafbar, wenn man sich an die genannte Regel hält. Ich werde mich weiterhin mit angepasster LKW-Geschwindigkeit auf der Autobahn bewegen und so verhalten, wie ich es bereits beschrieben habe. Das Tolle ist doch, dass ich Richtung Hamburg mehrfach von Rasern überholt werde, die zwischendurch Stresspinkeln oder Tanken müssen, während ich in aller Ruhe und mit Reichweite im Tank mein Ziel erreiche :-P

  4. 56.

    Dazu müssten hier aber erst die Gesetze geändert werden. Meinen Abstandstempomat kann ich auch auf 25 m einstellen, das hält der dann auch bei Tempo 200.

  5. 55.

    >"wie kann der Abstand reduziert werden, ohne dass man seine Geschwindigkeit reduziert?"
    Mit intelligenten Fahrzeugen, die miteinander Daten austauschen, geht das. Aber davon sind wir derzeit Lichtjahre entfernt. Intelligente Fahrzeugführer würden heute schon ausreichen, um den Verkehr etwas sicherer zu machen ;-))

  6. 54.

    Allerdings dann meine Frage an Sie zurück, wie kann der Abstand reduziert werden, ohne dass man seine Geschwindigkeit reduziert?

  7. 53.

    Damit ist das: "Kann auch nicht sein das welche 80-90Kmh auf der Autobahn tuckern und da permanent die LKWs überholen müssen." nicht möglich bzw. ein Verstoß gegen die STVO und könnte geahndet werden bei einer Kontrolle.
    ja in der Theorie aber in der Praxis sieht man leider zu oft das Gegenteil.

  8. 52.

    Grundsätzlich bin ich persönlich auch gegen ein allgemeines Tempolimit. Allerdings gibt es Abschnitte auf BAB, wo solche Limits gerechtfertigt sind. Dieser Abschnitt auf der A24 gehört m.M.n.dazu. Der Verkehrsfluss war trotz hoher Auslastung beim 130er Limit wesentlich flüssiger und Nerven schonend inkl. Blutdruck. Ich fahre seit Jahren die Strecke A24/19 bis HRO und retour mindestens 2x monatlich und kann der These der Verkehrszunahme nur bedingt zustimmen. In meiner Wahrnehmung ist der Verkehr nicht mehr & nicht weniger geworden. Es gibt Tageszeiten, wo man ohne Hatz ziemlich locker mit 120-130 uffn Tacho dickes B - HRO in 2,5 Stunden schafft. Und dann wieder Tageszeiten wo man zufrieden ist nur 3 Stunden gebraucht zu haben mit teilweise „Bleifuß“ wegen hohem Verkehrsaufkommen.

  9. 51.

    Das muss man doch auch Mal wirtschaftlich durchdenken. Kaputte Autos und Verletzte führen zu mehr Umsatz. Wer denkt denn an die Autohändler?

  10. 50.

    Den Artikel haben Sie aber schon gelesen? Nochmal extra für sie: Nicht die Geschwindigkeit ist das Problem sondern zu geringer Abstand und Unaufmerksamkeit. Und genau das ist auch mein Eindruck.

  11. 49.

    "Über 50 Km/h müssen Lkw über 3,5 to auf Autobahnen mind. 50 Meter Sicherheitsabstand zum Vorausfahrenden einhalten." Das sind aber nur die 'normalen' LKW, Züge über 7m Länge müssen soviel Abstand halten, daß eingeschert werden kann. Ein Sattelzug ist so um 16 m lang.

  12. 48.

    Wahrscheinlich muss es erst ausreichend Tote geben, bevor die Vernunft über die Autoraserlobby siegt!
    Traurig, dass FDP und die Autolobbyisten von CDU und CSU so starken Einfluss haben und ein Tempolimit gegen den gesunden Menschenverstand verhindern!
    Wie viele Tote muss es geben, bis die Vernunft sieht?

  13. 47.

    Über 50 Km/h müssen Lkw über 3,5 to auf Autobahnen mind. 50 Meter Sicherheitsabstand zum Vorausfahrenden einhalten. Scheren sie jetzt in diese Lücke ein, müsste der Brummi durch abbremsen diesen Abstand wieder herstellen. Dies setzt sich dann ggf. in der gesamten Kolonne fort, mit der Gefahr eines Auffahrunfalls bei einem erstmal unbeteiligten, vll. aber nicht ganz aufmerksamen, Fahrers. Ursächlich wäre der "im Recht" befindliche Tiefflieger und der "freundliche" oder eher bedrängte "Platzmacher". Das kann keine Alternative sein.

  14. 46.

    "Zwischendurch in die Brummikolonne einscheren dürfte in vielen Fällen aufgrund des notwenigen Sicherheitsabstandes problematisch sein." Wie wäre größere Abstände für LKW vorschreiben, wie streckenweise auf der Autobahn Berlin-Ffo? Auf Landstraßen müssen doch LKW auch soviel Abstand haben, daß ein überholendes Auto einscheren kann.

  15. 45.

    "Fünf, sechs Lkw mit gut 100 Km/h zu überholen" Sie setzen dabei voraus, daß sich die LKW auch an die 80 km/h halten, was ich bezweifeln würde bei vielen LKW (wird leider viel zu wenig kontrolliert); ergo müßte die Überholgeschwindigkeit wohl höher als 100 km/h sein (eher so 110 km/h), um auf eine reale Differenz von 20 km/h zu kommen.

  16. 44.

    "Steht doch im Artikel, dass die Verkehrslast deutlich zugenommen hat. Logischerweise nimmt damit auch die Unfallzahl zu" Wenn man aber eine Steigerung der Unfalle als Begründung heranzieht, muß man natürlich vorher die Unfallzahl auf eine einheitliche Verkehrsdichte normieren, da man ansonsten Hausnummern vergleicht.

  17. 43.

    "Verstehe ich das jetzt richtig oder soll das ein Scherz sein: das wäre ein Verstoß und deshalb gibt es das nicht....?" Nein, so war das nicht gemeint. Wenn man engmaschig kontrollieren würde, könnte man das wegen des klaren Verstoßes sehr schnell unterbinden - so war es gemeint.

  18. 42.

    Nach herrschender Rechtsmeinung bewegt sich die "wesentlich höhere Geschwindigkeit" bei einem Tempounterschied von rd. 20 km/h. Fünf, sechs Lkw mit gut 100 Km/h zu überholen, kann sich da ziehen. Die 45 Sekundenregel greift auch nicht. Zwischendurch in die Brummikolonne einscheren dürfte in vielen Fällen aufgrund des notwenigen Sicherheitsabstandes problematisch sein.

  19. 41.

    Steht doch im Artikel, dass die Verkehrslast deutlich zugenommen hat. Logischerweise nimmt damit auch die Unfallzahl zu. Deckt sich im Übrigen mit meinen eigenen Erfahrungen, wenn ich dort mal lang muss. Ab Dreieck Wittstock auf der A19 ist die Geschwindigkeit seit jeher weitgehend aufgehoben. Viele fahren dort sehr deutlich schneller, als auf der A24 und trotzdem gibt es deutlich weniger Unfälle, auch schwere. Liegt schlicht auch daran, dass die Verkehrsdichte erheblich niedriger ist und vor allem auch weniger LKW dort unterwegs sind, als in Richtung Hamburg.

  20. 40.

    Verstehe ich das jetzt richtig oder soll das ein Scherz sein: das wäre ein Verstoß und deshalb gibt es das nicht....?
    Also wer ein bisschen auf der Autobahn unterwegs ist, weiß, dass es diese Überholmanöver von LKW untereinander gibt, naturgemäß/motorgemäß natürlich nicht mit "wesentlich höherer Geschwindigkeit" (was in dem Gesetz offensichtlich auch nicht genauer definiert wird).
    Ich wage mal die Prognose, zu 100% wird das nicht geahndet. Das ist Alltag und in der Praxis tolerierte Realität, ob erlaubt oder nicht.

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