Vertragsarbeiter in der DDR - "Ich fühle mich von beiden Ländern betrogen"

Mo 30.09.24 | 18:34 Uhr | Von Anke Hahn
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David Mocou, 1979-1990 mosambikanischer Vertragsarbeiter der DDR und Betroffener rassistischer Übergriffe in Hoyerswerda, am 30.09.2024 in Berlin. (Quelle: Imago Images/Jürgen Heinrich)
Bild: Imago Images/Jürgen Heinrich

David Macou ist 19 Jahre alt, als er 1979 als Vertragsarbeiter aus Mosambik in die DDR kommt. Das Versprechen: eine Berufsausbildung und Geld, mit dem er eine Zukunft in Mosambik aufbauen kann. Heute zieht er eine bittere Bilanz. Von Anke Hahn

David Macou erinnert sich noch gut, wie junge Leute in seinen Heimatort Chidenguele Gaza in Mosambik kamen und von der DDR schwärmten. Es sei ein Land mit sozialer Sicherheit und Gleichberechtigung. Und man könne gut Geld verdienen, versprachen sie. Das klang für den jungen Mann gut. Seine Heimat versank gerade im Bürgerkrieg, die DDR schien da eine gute Alternative.

So wie David ging es vielen jungen Mosambikanern. Von 1979 bis zum Ende der DDR 1989 kamen etwa 17.000 Frauen und Männer. Sie wollten eine Berufsausbildung machen und mit dem verdienten Lohn eine Existenz in ihrer Heimat aufbauen.

Was sie nicht wussten: Sie waren nur Marionetten in einem zwischenstaatlichen Kuhhandel zwischen der DDR und Mosambik. Das afrikanische Land lieferte Arbeitskräfte, die die DDR dringend brauchte. Im Gegenzug erließ die DDR Mosambik Schulden für Waffen- und Warenlieferungen, die das arme Land sonst nicht hätte begleichen können.

Wir sind immer in Gruppen von vier bis sechs Leuten unterwegs gewesen. Allein hatten wir Angst.

David Macou

Harte Arbeit und Rassismus

Davon jedoch bemerkten David und die anderen Betroffenen zunächst nichts. David kam nach Cottbus, er sollte im Braunkohlebergbau arbeiten. Dort im Tagebau Welzow lernte er Schlosser, machte seinen Meister, später lernte er noch Schweißer. Die Arbeit war hart. David erzählt von zwölf Stunden täglich. Er wurde Gruppenleiter, trug Verantwortung.

Doch außerhalb des Arbeitsumfelds war die Stimmung eine andere. Von Anfang an gab es Rassismus und Anfeindungen, erinnert sich David. "Wir sind immer in Gruppen von vier bis sechs Leuten unterwegs gewesen. Allein hatten wir Angst."

Dabei gab es kaum Kontakt zur örtlichen Bevölkerung. Die Vertragsarbeiter wohnten in Wohnheimen. Dennoch stießen sie überall auf Vorurteile und Ablehnung. Nur wenige Menschen waren freundlich, es gab vereinzelt Freundschaften und manchmal Liebesbeziehungen zu Deutschen.

Einsam in der Fremde

Für die jungen Mosambikanerinnen und Mosambikaner war das ein hartes Leben, zumal sie auch nicht nach Hause durften - nicht einmal zu Besuch. Bei der Einreise waren ihnen ihre Pässe weggenommen worden. Rückkehr oder Urlaub war erst nach vier Jahren vorgesehen. Trost aus der Heimat konnte es nur per Post geben, aber die brauchte ewig. David erzählt, dass er immer zwei bis drei Monate auf Antwort warten musste, wenn er eine Nachricht an seine Familie geschickt hatte. Er sei sehr einsam gewesen.

Dabei ging es David noch vergleichsweise gut. Andere konnten nicht einmal die versprochene Ausbildung machen. Junge Frauen, die davon träumten, Krankenschwester zu werden, fanden sich in der Textilindustrie wieder: körperlich schwere Arbeit am Fließband. Viele landeten auch in der Landwirtschaft. Überall dort, wo die Arbeit hart war und der DDR Arbeitskräfte fehlten, wurden Vertragsarbeiter eingesetzt. Neben Mosambikanern waren auch Menschen aus Angola, Kuba und Vietnam im Einsatz.

Aber anders als die Arbeitskräfte aus den anderen Ländern bekamen die Mosambikaner nicht ihren ganzen Lohn ausgezahlt. Es gab einen Sockelbetrag von 350 DDR-Mark. Vom Rest zogen die Betriebe bis zu 60 Prozent ab; Geld, das die DDR mit Mosambik als Schuldentilgung verrechnete. Den Arbeitern wurde gesagt, sie würden den fehlenden Lohn dann in Mosambik bekommen, wenn sie wieder zurückkehren.

In der Heimat nicht willkommen

Doch das passierte nur in den seltensten Fällen. Die Mehrzahl ging leer aus. Schlimmer noch: Den Rückkehrern schlug Misstrauen und Verachtung entgegen. Sie galten als Drückeberger, weil sie nicht im Bürgerkrieg gekämpft hatten. Trotz zum Teil guter Qualifikation bekamen sie auch keine Arbeit in ihrer Heimat. Viele lebten und leben in Armut.

Auch David Macou ist davon betroffen. Er war zwölf Jahre in der DDR und im wiedervereinigten Deutschland, lebte bis 1991 in Hoyerswerda. Dort überlebte er zwei Neonazi-Angriffe auf Wohnheime mit Vertragsarbeitern. Nach dem zweiten Anschlag musste er Deutschland verlassen, obwohl er inzwischen eine deutsche Freundin und eine kleine Tochter hatte.

Er wäre sehr gern geblieben, sagt er heute - zumal ihn in Mosambik Arbeitslosigkeit und Armut erwarteten. Er schlägt sich bis heute als selbständiger Schlosser und Schweißer durch, aber das reiche oft nicht einmal für Brot, klagt er. Inzwischen hat er eine Familie in Mosambik, Frau und drei Kinder. Eigentlich habe er ja gerade für solch eine Zukunft in der DDR gearbeitet gehabt, sagt er. Doch nun habe er nichts.

Betrogen von zwei Ländern

David fühlt sich betrogen von beiden Ländern: von der DDR, die ihm seinen Lohn vorenthielt, und von Mosambik. Denn 1992 zahlte die Bundesrepublik 75 Millionen D-Mark an das afrikanische Land, damit dieses das Geld an die Vertragsarbeiter weitergebe. Aber das passierte so gut wie gar nicht. Die Millionen versickerten in den korrupten Strukturen Mosambiks.

Deshalb protestieren David und viele andere ehemalige DDR-Vertragsarbeiter seit 30 Jahren jeden Mittwoch in Maputo für die Auszahlung ihres Geldes. 100 bis über 1.000 Menschen seien es jedes Mal, berichtet David. Sie wollen so lange weitermachen, bis sie ihren ausstehenden Lohn oder wenigstens eine Entschädigung für ihr erlittenes Unrecht bekommen. Aber sie wissen, von Mosambik ist da nicht viel zu erwarten.

Forderungen an Deutschland und Mosambik

Nun hoffen sie auf Deutschland. Doch auch hier gibt es wenig Bewegung in der Sache. Zwar hat sich der Menschenrechtsausschuss des Bundestages im vergangenen Jahr damit befasst, aber seither ist wenig passiert. Deshalb haben die SED-Opferbeauftragte des Bundestages Evelyn Zupke und das Deutsche Institut für Menschenrechte gemeinsam mit anderen Unterstützern heute einen Appell veröffentlicht, in dem sie beim Deutschen Bundestag für eine unbürokratische Entschädigung eintreten. Sie fordern noch in dieser Legislaturperiode einen entsprechenden Beschluss.

Die Bundesrepublik könne nicht einfach auf die Regierung in Mosambik verweisen, die vor 30 Jahren die Gelder einkassiert habe, argumentieren sie. Der Vertrag sei eben nicht explizit zugunsten der ehemaligen Vertragsarbeiter formuliert gewesen. Zudem nütze den Betroffenen der Verweis auf Mosambik nichts. Viele von ihnen seien arm, alt und krank. Von den ehemals 17.000 Menschen seien bereits etwa 5.000 gestorben. Deutschland habe eine Verantwortung den Menschen gegenüber. Diese seien jahrelang ausgebeutet worden, hätten ihrerseits aber durchaus Steuern gezahlt und in die Rentenversicherung eingezahlt. Ihnen stehe eine Entschädigung zu.

Das findet auch David Macou. Er brauche das Geld. Aber er wünsche sich auch moralische Wiedergutmachung. "Respekt und Anerkennung erwarte ich", sagt er. Und so nebenbei würde er sich über Visaerleichterungen für ehemalige Vertragsarbeiter freuen. Er könnte so leichter seine Tochter in Hoyerswerda besuchen. Schließlich sei er inzwischen Opa und sehr stolz auf seinen kleinen Enkel.

Hinweis: Dieser Text erschien zuerst auf tagesschau.de.

Sendung: Radio 3, 30.09.2024, 12:30 Uhr

Beitrag von Anke Hahn

37 Kommentare

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  1. 37.


    Ich habe es ihnen doch schon sooo oft erklärt, wenn sie schon fremde Nicks kapern sollten sie den Nickinhaber besser imitieren können.

    So haben sie sich schon wieder als der bekannte Nickdieb geoutet der erhebliche Problem mit der deutschen Rechtschreibung hat.

    So wird das nix.

  2. 36.

    "Ich fühle mich von meinem Land betrogen" – so geht es mir manchmal, wenn ich lese, wie D in anderen Ländern die Umsetzung von Menschenrechten einfordert, selbst aber eigene Bürger obdachlos auf der Straße vegetieren lässt. Und selbst einfachste Sozialleistungen nur auf Antrag mit Riesenbürokratie, auch für Analphabeten und Überforderte.

  3. 35.

    Weiß nicht. Auch so etwas sollte vorab geklärt sein, Kind nicht automatisch eine Eintrittskarte sein oder Vormundschaft als Bleiberecht. Immerhin nimmt auch niemand Rücksicht auf die Bedürfnisse der Kinder, wenn 70-Jährige (wie z. B. Flick) noch einmal Kinder bekommen, kurz vor Abtritt, und diese dann mit oder ohne Erbe zurücklassen.

  4. 34.

    Das mag sein, sollte aber nicht auf ihn zutreffen. Auch vor 30 Jahren hätte es möglich sein müssen, dass er einen Aufenthalt wegen seiner Tochter bekommt. Warum das nicht geschehen ist, wird leider nicht erwähnt.

  5. 33.

    Ich kenne nur das Holzauge und das meint hier etwas zu sehen, was verschwörend klingen soll. Dabei wollten Menschen raus aus Kriegsländern, siehe Angola und Mosambik und in der Regel waren die hier tatsächlich zufriedener, als es dargestellt wird. Viele hatten hier Freundinnen, Kinder. Zur Wahrheit gehört auch, dass sie Verträge hatten auf Zeit. Hier auch deutlich, er hat einen Beruf erlernt, wie versprochen und Ausbildung kostet. Wenn er also zwischen 3 und 5 Jahren hier war, waren 2 Jahre mindestens Ausbildungszeit. Die Heime waren kostenlos in der DDR, die Verpflegung immer präsent und billig. Die Arbeitsbedingungen wichen nicht von denen der anderen Arbeiter ab, man verdiente damals in der Produktion 400-600 Mark, es gab wenig Unterschiede. Wertschätzung gab es, denn die internationale Völkerfreundschaft wurde groß geschrieben, Patenbrigaden waren voller ausländischer Arbeiter. Das er diese Möglichkeit für sich ergreift, um aus der Armut zu kommen, ist menschlich nachvollziehbar.

  6. 31.

    Kam auf die Arbeitsverträge an, ich habe mehrere Jahre im Maschinenbau 12 Stunden Schichten gearbeitet, war elend lang, dafür 4 Tage Arbeitswoche und gut bezahlt.

  7. 30.

    Schon die Etiketten sind Sand ins Volksauge, Gast-Arbeiter, Vertrags-Arbeiter, Lohn-Arbeiter …

  8. 29.

    Wie es den Gastarbeitern in der BRD erging kann man gerne in Günter Wallraffs Buch „Ganz Unten“ nachlesen.

  9. 28.

    Jede Zeit und jedes Land hat moderne Sklaverei, heißt heute Leiharbeit, natürlich befristet.

  10. 27.

    Deutschland hat vertragsgemäß entlohnt. Einen anderen Vertragspartner, als das korrupte Regime in der "Volksrepublik" Mosambik, gab es damals nicht. Durch Regelungen der "Volksrepublik" war es nicht möglich, dass die Vertragsarbeiter eigenständig Arbeitsverträge abschließen konnten. Diese Regelungen waren allgemein bekannt. Auch bei den Vertragsarbeitern. Letztere sind ja nicht gezwungen worden, als Vertragsarbeiter nach Deutschland zu kommen. Auch sie hatten aus ihrer damaligen Situation heraus auch einige Vorteile gesehen.

  11. 26.

    Lieber RBB das die Gastarbeiter wie der Herr hier jeden Tag 12 Std arbeiten musste stimmt auch nicht so.
    Sie haben genau solch Arbeitszeiten gehabt wie alle anderen Beschäftigten auch, es gab nur Unterschiede zwischen Schichtarbeitern und solche die nur Frühschicht gearbeitet haben. Außer im Winter wenn es extrem war wurde auch mal 12 Std gearbeitet.
    Die einzigen die zB 12 Std im Tagebau gearbeitet haben waren die Häftlingsbrigaden und die mussten meistens im Gleisbau wirklich körperlich schwer arbeiten ,so viel dazu.

  12. 25.

    Das sind nicht "Der" oder "Die" - es sind immer noch Menschen, die man respektvoller beschreiben sollte, oder ist hier schon der Herrenrassensprech hoffähig?

  13. 24.

    Lassen Sie es doch bitte sein, man merkt das Sie mit dem Thema überfordert sind, sonst würden Sie nämlich etwas sachliches dazu beitragen und nicht sowas.
    Ist irgendwie wie ,habe keine Ahnung davon aber davon reichlich.

  14. 23.

    Eingesperrt? Niemand ist eingesperrt und viele Heime liegen mitten in Orten. In welcher Blase leben sie?

  15. 22.

    Petra/ Ich habe selten so viel Unfug auf einer Stelle gefunden. Die gehasste DDR kennen Sie offenbar nicht aus eigenem Erleben. Feststellen müssen wir, der Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft war besser. Wer nicht mit Vertragsarbeitern gearbeitet hat, kennt nur die halbe Wahrheit. Ich habe mit Vietnamesen und Mosambikanern gearbeitet. Viele waren fleißig, es gab aber auch andere Erscheinungen. Der angesprochene Hass war nur vereinzelt und wurde sehr schnell unterbunden, nicht wie heute.

  16. 20.

    Um mal bei ihrem Vokabular zu bleiben: sie verbreiten Lügen. Zum Teil stehen diese Wohnheime noch, siehe Rhinstrasse. Nix mit "weit außerhalb der Städte eingesperrt".

  17. 18.

    Danke @rbb für den wie ich finde sehr guten, bewegenden Artikel. Lokaljournalismus, Information, Bezug zur Geschichte und Bogen zum großen Ganzen. So war das mal gedacht mit den öffentlich rechtlichen. Kompliment

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