Deutlich mehr ältere Mitglieder - Wie der demografische Wandel Berliner und Brandenburger Sportvereine fordert

Do 15.02.24 | 15:50 Uhr | Von Marc Schwitzky
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Auch im hohen Alter kann der Fußball noch dynamisch aussehen. (Foto: IMAGO / Camera 4)
Bild: IMAGO / Camera 4

Der demografische Wandel hat zur Folge, dass immer mehr Menschen über 60 Jahre in Berlin und Brandenburg Sportangebote wahrnehmen. Eine Herausforderung für Verbände und Vereine, die mit neu aufgelegten Programmen reagieren. Von Marc Schwitzky

Die Bevölkerung in Deutschland wird im Durchschnitt immer älter - auch in Berlin und Brandenburg. Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen prognostiziert, dass die Zahl der Personen im Alter von 65 bis 80 Jahren bis 2040 fast 15 Prozent auf rund 558.000 anwachsen wird. In Brandenburg erwartet die Landeszentrale für politische Bildung, dass 2030 jeder Dritte im Rentenalter sein wird. 2008 war es noch jeder Fünfte.

Ein gesellschaftlicher Wandel, der tiefgreifende Folgen mit sich bringt - auch im Sport. Den Zahlen des Landessportbunds Berlin ist zu entnehmen, dass auch die Mitglieder durchschnittlich immer älter werden. 2003 waren es 64.222 Mitglieder im Alter ab 60 Jahren, 2013 waren es 102.410 und 2023 ganze 115.626 Mitglieder. Ein Anstieg, der in dieser Kurve in keiner anderen Altersgruppe zu beobachten ist. Auch der Landessportbund Brandenburg berichtet von einem starken Zuwachs jener Kohorte.

Ein neues Bewusstsein für Bewegung

Neben dem Altern der Bevölkerung gibt es weitere erklärende Faktoren für jenen starken Zuwachs an Mitgliedern in Sportverbänden- und Vereinen. "Es gibt heutzutage ein ganz anderes Bewusstsein dafür, im Alter fit zu bleiben. Sportliche Betätigung hat vielfältige Aspekte: Es geht um soziale Kontakte, Bewegung, Spaß. Man tut etwas für Gesundheit, Körper und Geist", so Thorsten Süfke, Vorsitzender für Freizeit-, Breiten- und Leistungssport beim SC Siemensstadt, gegenüber rbb|24.

Er beobachtet, "dass immer mehr Menschen im Alter sportlich aktiv bleiben wollen und das gerne als Freizeitbeschäftigung nutzen". Sportarten und Vereine hätten bereits in den letzten Jahren reagiert, indem auch der Turnierbereich für mehr Altersgruppen geöffnet wurden.

"Die Vereine selbst sind natürlich sehr froh darüber, dass gerade im älteren Bereich die Mitgliederzahlen steigen", erklärt Andreas Gerlach, Vorstandsvorsitzender des Landessportbunds Brandenburg. "Denn es ist ja nicht so, dass die Frauen und Männer nur Leistungen in Anspruch nehmen wollen – der ein oder andere lässt sich auch für ehrenamtliche Tätigkeiten gewinnen, um auf Funktionärs- oder Übungsleiterbasis mitzuwirken."

Herausforderungen für Verbände und Vereine

Doch vor den Chancen stehen vor allem die Herausforderungen dieses speziellen Mitgliederzuwachses. Die große Schwierigkeit läge in der Heterogenität ab dem Alter von 60 Jahren, führt Katja Sotzmann, Referatsleiterin Breiten-, Freizeit- und Gesundheitssport beim LSB Berlin aus. "Mit 60 Jahren befinden sich die meisten Menschen noch im Berufsleben. Dann gibt es diese Übergangsphase vom Berufsleben in die Rente, in der Menschen mittlerweile auch ausgelasteter sind als in den Jahren zuvor. Und ab 80 Jahren gibt es auch Programme, in denen sich eine ganz andere Perspektive für die Menschen entwickelt." Die Motorik der Menschen ist somit sehr unterschiedlich, sodass Vereine und Verbände sehr viele spezifische Programme für eine Altersgruppe entwerfen müssen.

Hierfür braucht es zum einen viele ehrenamtlich tätige Menschen, aber auch speziell ausgebildete Betreuer und Übungsleiter – und davon in den kommenden Jahren immer mehr. Die Gewinnung und Fortbildung jener Verantwortlichen ist eine große Herausforderung für die lokalen Sportstrukturen. Hinzu kommen neuartige Kooperationen zwischen Vereinen und Verbänden, Finanzierungswege und die Bereitstellung von entsprechenden Sportstätten.

Begrenzte räumliche Kapazitäten, um die mehrere Menschen kämpfen

Die Frage der zur Verfügung stehenden Sportstätten beantworten die Landessportbünde in Berlin und Brandenburg jeweils recht zuversichtlich. Gerlach erklärt für den LSB Brandenburg, dass in dem Bereich bereits viel passiert sei. "Wir haben seit vielen Jahren den 'Goldenen Plan Brandenburg', der pro Jahr vier bis fünf Millionen Euro für den vereinseigenen Sportstättenbau einsetzen kann, um damit genau diese Punkte zu verbessern. Das sind 180 Projekte – es passiert viel, auch wenn es immer noch einen sehr großen Nachholbedarf gibt. Das hat die Politik erkannt", so Gerlach.

"Das Gute ist, dass wir die Sportstätten kostenfrei zur Verfügung stellen und sportartspezifisch anbieten können", führt Sotzmann vom LSB Berlin aus. Sie erkennt allerdings an, dass weitere Räume erschlossen werden müssen: "Die Stadt wächst, nicht nur bei den Älteren, sondern auch den Jüngeren. So gibt es begrenzte räumliche Kapazitäten, um die mehrere Menschen mit unterschiedlichen Interessen kämpfen."

Sotzmann plädiert dafür, dass nicht jedes Sportangebot in einer eigenen Halle, sondern auch in Seniorenfreizeitstätten, Kirchengemeinden oder auch Wohnungsbaugesellschaften stattfinden kann. Grundsätzlich gelte, dass ältere Menschen möglichst ortsnahe Angebote brauchen, was eine starke Vernetzung der Verbände und Vereine in den jeweiligen Kiezen unabdingbar macht.

Strategien für die Fortbildung von Betreuer und Trainer

Die Vernetzung von Verbänden und Vereinen würde laut Süfke bereits gut funktionieren. "Es gibt sehr bewusstes und gezieltes Vermitteln von Know How. Es nehmen zwar noch nicht alle Vereine und Lizenzträger wahr, aber die Angebote gibt es. Mitte April kommen wir im Gesundheitsforum beim Landessportbund mit der Ärztekammer zusammen - es sind genau solche Anlässe, um darüber nachzudenken, wie man Sport im Alter verbessern kann", führt der Vereinsvorsitzende als Beispiel an.

Der LSB Berlin will das Thema auch anders fördern - mit einer neuen Trainerlizenz neben der üblichen DOSB-Lizenz. Am 6. April wird eine niedrigschwelligere D-Lizenz auf LSB-Ebene eingeführt. Statt 120 sind es dann nur noch 50 Lerneinheiten. "Der Umfang ist nicht so groß, sodass wir Menschen gewinnen möchten, die dem Sport sehr nahe sind, sich bewegen und ihr Wissen weitergeben wollen", erklärt LSB-Referatsleiterin Sotzmann.

Brandenburgs Gerlach verweist hierzu auf die Europäische Sportakademie in Potsdam: "Wir haben breitgefächertes Aus- und Fortbildungsprogramm. Dort wird auch speziell auf Altersklassen und bestimmte Sportarten gemünzt weitergebildet, aber auch Breitensport, der nicht auf eine einzelne Disziplin fixiert ist." Hier könne sich jeder anmelden und die dementsprechende Qualifikation erlangen.

Wie kommen die Sportangebote zu den Menschen?

Doch all die Förderungen, Weiterbildungen und Sportstätten brächten nichts, wenn die Sportangebote die älteren Menschen gar nicht erreichen würden. "Das Gute ist: Die Menschen wissen von den Angeboten. Die Öffentlichkeitsarbeit, beispielsweise durch Broschüren in Arztpraxen und Bezirksämtern, erleichtert die Partizipation", so Sotzmann. Süfke verweist auf mehrere Projekte in Zusammenarbeit mit der Ärztekammer: "Die Nachfrage wächst immer mehr und die Vereine reagieren in meiner Wahrnehmung, indem sie ihr Angebot erweitern und anpassen."

In Brandenburg wurde für die bessere Erreichbarkeit der Sportangebote das Strategieprogramm "Brandenburg 2030 - starke Vereine" ins Leben gerufen. "Das Entscheidende ist: Wie kann ein Verein vor Ort die Angebote, die gewünscht sind, umsetzen oder mit neuen Angeboten locken? Das ist territorial unterschiedlich. Wir sind in Summe mit unseren Kreis- und Stadtsportbünden ständig bemüht, ein gleich hohes Niveau anbieten zu können", so Gerlach. Das sei noch nicht überall gelungen, aber man sei dran.

Es bleibt Nachholbedarf

Auch wenn Politik, Verbände und Vereine die Thematik des demografischen Wandels im Sport anscheinend gut im Blick haben, bleibt Nachholbedarf. Zum einen in der Werbung für jenes Angebot. "Die große Herausforderung sehen wir in den Bereichen, wo Menschen alleine zu Hause sind und nicht mehr die Möglichkeit haben, rauszugehen, sodass sie sich weniger bewegen und die Vereinsamung ansteigt", erklärt Sotzmann. "Durch den Sportverein wollen wir entgegenwirken, weil dort das Soziale in Form von Heimat, verbindender Gruppe, sich Kümmern gelebt wird." Durch mehr Hausbesuche bei Menschen ab 70 Jahren soll es gelingen, die vorhandenen Angebote besser zu vermitteln.

Der Vereinsverantwortliche Süfke sieht zudem Probleme in der Gewinnung von übungsanleitenden Personen: "Der Bedarf ist deutlich größer als wir es Sportverein in Berlin abdecken können. Und die Nachfrage wird durch den demografischen Wandel ja immer größer." Sein Ziel ist es, Menschen im Ruhestand dazu zu motivieren, sich fortzubilden und Trainingsgruppen in ihrem Alter anzuleiten. "Das ist mehr auf Augenhöhe, davon könnte die Kommunikation untereinander profitieren", so Süfke. Wenn die Sportler immer älter werden, warum dann nicht auch die Übungsleitenden?

Sendung: Der Tag, 15.2.2024, 18:00 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

1 Kommentar

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  1. 1.

    Ich hoffe aber, das geht nicht auf Kosten der Jugendarbeit (Personal, Räumlichkeiten, Geld). Bei den Kids gibt es leider immer öfter lange Wartelisten.
    In den Jahren ab 2020 wurde die junge Generation leider schon mehr als genug "hinten angestellt".

    Ich habe auf jeden Fall großen Respekt vor allen, die sich für den Sport engagieren!

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