Lehrer aus Burg bitten um Versetzung - "Das fühlt sich ganz, ganz schlimm an"

Fr 14.07.23 | 10:27 Uhr
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Die Lehrer Max Teske und Laura Nickel (Quelle: DPA/Patrick Pleul)
Video: rbb24 | 13.07.2023 | Material: rbb24 Brandenburg aktuell | Bild: DPA/Patrick Pleul

Zwei Lehrkräfte, die rechtsextreme Umtriebe an ihrer Schule im Spree-Neiße-Kreis öffentlich gemacht hatten, bitten um Versetzung. Der Grund: massive Anfeindungen von rechts. Ein Abgang mit gemischten Gefühlen, sagen sie. Von Christoph Hölscher

Das rbb Fernsehen sendet am Freitag, 14.07., um 20:15 Uhr ein "rbb Spezial" zum Thema

Laura Nickel und Max Teske sitzt der Schreck noch in den Gliedern: "Morgens um halb acht steigt man aus dem Auto und sieht sein Konterfei auf den Laternenmasten. Das fühlt sich ganz, ganz schlimm an", berichtet Nickel.

Am Vortag waren in Burg (Landkreis Spree-Neiße) rund 60 Aufkleber aufgetaucht mit Fotos der beiden und der Aufforderung, sie sollten nach Berlin verschwinden. Außerdem wurde auf Instagram zur Jagd auf die jungen Lehrkräfte aufgerufen.

Ihr sei übel geworden, als sie die Aufkleber gesehen habe. Die Entscheidung, einen Antrag zur Versetzung an eine andere Schule zu stellen, hätten sie und Teske beiden dann eher aus "dem Bauch heraus" getroffen – vor allem aus Angst um ihre Sicherheit und die ihrer Familien. Der Staatsschutz ermittelt nun unter anderem wegen Beleidigung und des Aufrufs zur Begehung von Straftaten.

Druck aus dem Schulamt oder von der Schulleitung sei auf sie dabei nicht ausgeübt worden. Die Reaktionen im Kollegium auf ihren Weggang seien gemischt: "Mein Gefühl ist, dass es sicher einige Kollegen gibt, die froh darüber sind", sagt Teske. Es gebe aber auch einige, die ihren Abschied bedauerten. Es sei eine schwere Entscheidung gewesen, betont Nickel. Man lasse viele Kollegen und Schülerinnen zurück, die man sehr liebgewonnen habe.

Bundesweite Debatte über Rechtsextremismus ausgelöst

Die beiden Lehrer hatten im April rechtsextreme Vorfälle an Ihrer Schule öffentlich gemacht und damit eine bundesweite Debatte ausgelöst. Daraufhin meldeten sich auch andere Schulen in Brandenburg wegen ähnlicher Fälle wie Hakenkreuz-Schmierereien oder dem Zeigen des Hitlergrußes. Doch die Reaktionen waren zwiespältig.

Bereits im Juni beklagten Nickel und Teske, dass sie aufgrund ihrer Aktivitäten angefeindet würden. So grüßten einige Kollegen sie nicht mehr. In einem anonymen Brief an die Schulleitung, dessen Verfasser sich als Eltern ausgegeben hatten, wurde ihre Entlassung gefordert. "Wir stören vielleicht, indem wir den Finger in gewisse Wunden legen", vermutet Laura Nickel rückblickend, "aber die Wunden waren ja vorher schon da."

Auch wenn die beiden es nach eigener Einschätzung geschafft haben, viele Schülerinnen und Schüler für Themen wie Rechtsextremismus, Rassismus oder Homophobie zu sensibilisieren, habe es auch weiterhin entsprechende Vorfälle an der Schule gegeben, berichten Nickel und Teske. Allerdings sollten sie nicht mehr mit der Presse darüber reden, sagte Teske. In einem Gespräch mit dem zuständigen Schulamt Cottbus sei ihm deutlich gemacht worden, dass er nicht der "Pressesprecher" der Schule sei. Jegliche Anfragen zu Vorfällen an der Schule habe er an die Schulleitung bzw. das Schulamt weiterzureichen. Für den Fall, dass er das nicht tue, sei ihm mit einer Abmahnung gedroht worden. Ein Maulkorb für den kritischen Lehrer?

Im Bildungsministerium wollte man diese Darstellung auf Nachfrage weder bestätigen noch dementieren. Er habe die Gespräche "nicht im Einzelnen" verfolgt, so Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) gegenüber rbb24 Brandenburg aktuell. Er sei sich aber sicher, es sei darin um die Weitergabe von "Schulinterna" gegangen sei - was allen Beschäftigten des Landes untersagt sei. Ob auch mögliche rechtsextreme Vorfälle in diesem Sinne als "Schulinterna" anzusehen sind, sagte er dabei nicht.

Trotzdem wollen sich Nickel und Teske nicht über mangelnde Unterstützung der Behörden beschweren. Schutz gegen die Bedrohung und Anfeindung von außen sei nicht möglich gewesen, so ihre Ansicht. Schulleitung und Schulamt hätten nichts dagegen tun können, sagt Laura Nickel auch.

Unterstützung aus der Politik

Politiker der meisten Parteien äußern sich jetzt bestürzt über die Vorgänge in Burg. Ministerpräsident Woidke (SPD) bezeichnet die beiden Lehrkräfte gegenüber rbb|24 als "Menschen, die Mut bewiesen haben" und deshalb "unsere uneingeschränkte Unterstützung" verdienten.

Sebastian Walter, Landesvorsitzender der Linken, nennt den Rückzug der Lehrkräfte nach Anfeindungen von rechts "eine Vollkatastrophe" und "absolutes Staatsversagen". Das Bildungsministerium habe die beiden vor Ort nicht ausreichend unterstützt – mehr als "warme Worte" habe es für sie nicht gegeben.

Auch der CDU-Landesvorsitzende Jan Redmann räumt ein, dass die Unterstützung durch das Land "nicht gereicht" habe und man in Zukunft mehr tun müsse, damit Lehrern in so einer Situation nicht das Gefühl vermittelt werde, alleine zu stehen.

AfD sieht Schuld bei den Opfern

Lediglich die AfD sieht keinen Grund zur Kritik an den Vorfällen in Burg. Stattdessen verharmlost sie die Anfeindungen gegen die Lehrkräfte und schiebt ihnen sogar die Schuld an der Eskalation zu. Lena Kotré, rechtspolitische Sprecherin der AfD-Landtagsfraktion, äußert sich gegenüber rbb|24 "verwundert" darüber, dass die beiden Lehrer so "empfindlich" seien und nach "ein bisschen Gegenwind" die Segel streichen würden.

Mit ein "bisschen Gegenwind" meint sie das Verteilen der Aufkleber und den Instagram-Aufruf zur Jagd. Beides könne ihrer Meinung nach auch von Linksextremisten initiiert seien, um die "Leute aufzuhetzen". Belege für diese Vermutung oder auch nur Hinweise darauf gibt es nicht.

Mit ihrer Kritik an den – angeblich nicht bewiesenen – rechtsextremen Vorfällen hätten die beiden Lehrer laut Kotré das Ziel verfolgt, in Burg "alles nach ihren eigenen Vorstellungen umkrempeln" zu wollen und damit die Anfeindungen quasi selbst provoziert.

Einsatz für Demokratie – trotz Anfeindungen

Nach Angaben der Polizeidirektion Süd stehen Nickel und Teske derzeit unter Polizeischutz. Sie selbst berichten davon, dass regelmäßig ein Streifenwagen an ihrem Haus vorbeifahre. Laura Nickel habe dadurch das "ungute Gefühl", in Gefahr zu sein – trotz ihrer Entscheidung, Burg zu verlassen.

Obwohl diese Entscheidung freiwillig gefällt worden sei, zeige sie letztlich, "wo die Gesellschaft steht", resümiert Max Teske enttäuscht: "Wenn Lehrkräfte gehen, die sich für demokratische Werte einsetzen, dann läuft hier irgendwas schief." Die beiden wollen sich auch weiterhin für demokratische Werte einsetzen - an einer Schule und in der Gesellschaft. Allerdings wohl nicht mehr in Burg im Spreewald.

Sendung: rbb24 Inforadio, 14.07.2023, 08:00 Uhr

 

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74 Kommentare

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  1. 74.

    Irgendeine Brennpunktschule in Berlin-Neukölln wird die beiden „Guten“ sicher mit Handkuss willkommen heißen. Da können sie ihre linksextreme Gesinnung zwar auch nicht ausleben, weil sie keine Schüler:in versteht, aber dafür haben sie endlich ihre Ruhe vor den bösen, rechtsextremen Brandenburgern.

  2. 73.

    Man Leute jetzt ist aber langsam mal gut hier, hier wird ja gerade so getan das in Südbrandenburg jeden Montag in den Städten und Gemeinden Fackelmärsche durchgeführt werden. Nun tut mal nicht so als wenn es in eurer Gegend keine Nazis und Rechtsextremen gibt. ZB die AfD liegt laut Wahltrend auf dem 2 Platz wäre morgen Bundestagswahl und auch in den alten Bundesländern gewinnt sie immer mehr an Prozenten,also findet sie auch dort immer mehr Zuspruch.
    Wenn euch die Zustände die in Berlin herrschen siehe Freibäder, Cankriminalität usw gefallen na bitte schön, schön für euch.
    Aber zusagen bei uns hier laufen nur Nazis rum, was ihr hier veranstaltet nennt man Diskriminierung und Ausgrenzung gegen über den Menschen hier in der Region. ZB auch in den alten Bundesländern sind die Zahlen rechtsextremer Übergriffe gestiegen. Ihr seid kein deut besser als die, gegen die ihr hier schwadroniert.
    Ps. Morgen geht's ganz entspannt an See ohne Prügelein ohne Wachschutz ,aber mit Kaltgetränken.

  3. 72.

    "Sieht am Wochenende aber ganz anders aus, da strömen die ganzen Berliner alle ins "braune Gebiet", kann also doch nicht so schlimm sein."

    Das wird sich ändern, wenn erst die Reiseführer den Spreewald zum NO GO AREA erkälten.

  4. 71.

    Manche wollen auch nur den Missionar oder den Märtyrer spielen oder ...keine Ahnung, was die Aktion sollte ?

  5. 70.

    Nebenbei vergessen die Berliner das ihr geliebtes Berlin auch, zumindest Geographisch, in Ostdeutschland liegt.

  6. 68.

    Haben die Ermittlungen rechtsextreme verfassungsfeindliche Straftaten an Schulen ergeben?

  7. 67.

    Die Frage dabei bleibt aber :
    Warum sind die Lehrkräfte überhaupt in den Südosten von Brandenburg gekommen ???
    Das hier im tiefsten Süden, anders gewählt und gehandelt wird, müssten doch ,,gebildete Lehrkräfte,, spätestens seit den letzten Wahlen wissen.
    Was wollten diese links/Grünen Lehrkräfte also in SPN ??? Die letzten/vorletzten AfD Ergebnisse in Südbrandenburg, sind doch nun wirklich seit vielen vielen Jahren bekannt.

  8. 66.

    Frau Nickel und Herr Teske, herzlich willkommen in Berlin. Berlin braucht mehr solcher Lehrer wie Sie und wie ihn zum Glück mein Sohn hat.

  9. 65.

    Also das ist nun das Verbreiten von Unfug in ebenso populistischer Art. Mit Sicherheit wählen nicht 30 oder 40 % der dortigen Bevölkerung die AfD. Wenn solche Werte überhaupt zustande kommen, dann sind es 30 oder 40% derjenigen, die überhaupt zur Wahl gehen. Heißt unter dem Strich, dass immer noch der größte Teil der Bevölkerung NICHT diese Ansichten teilt oder unterstützt. Die Werte sind zu hoch, ohne Frage. Aber mit solchem Gequatsche und der Tatsache, dass Sie alle über einen Kamm scheren, machen Sie es nicht besser und spielen der AfD noch in die Hände. Auch eine kleine Minderheit kann unangenehm laut sein und alle in Sippenhaft nehmen. Dafür haben wir ja in den letzten Jahren wohl viele Beispiele auch außerhalb der AfD erlebt. Aber mit Arroganz kommen Sie solchen Strömungen nicht bei und machen sich letztlich durch diese Art der "Argumentation" noch gemein mit der Sache dieser Hetzer.

  10. 64.

    Gabs nicht mal einen Radikalenerlass, der insbesondere die politschen Ränder aus dem Schuldienst fern halten sollte?

  11. 63.

    Auf rechtsextreme verfassungsfeindliche Straftaten an Schulen darf jeder hinweisen. Es ist geradezu Pflicht. Hier werden junge Menschen auf ihr Leben in einem freiheitlich demokratischen Land vorbereitet. Da muss sich niemand politisch vor den Rechten rechtfertigen. Das Haar in der Suppe liegt nicht bei den beiden Lehrern, sondern bei dem Rechtsextremismus, der dort stattfindet - und viel zu lange geduldet worden ist. Wenigstens ermittelt jetzt der Staatsschutz.

  12. 62.

    Sie haben meinen Beitrag gar nicht verstanden. Den Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung ebenso nicht. Mit den Etabliertenmeinen Sie vermutlich CDU,SPD, FDP,Grüne und Linke.
    Die alle haben weder Schüler dazu animiert,rechtsextreme Symbolik und Sprüche zu gebrauchen noch zu Hetzjagd auf Lehrer aufgerufen. Schuld hat der Einzelne,der dies tut. Ergo muss derjenige dafür gerade stehen. Ihre Argumentation begünstigt die AfD, die das nicht selbst macht,.sondern jugendliche Mitläufer und anonyme Instagramer dies machen lässt.
    Und noch immer keine Kundgebung oder sonst etwas von nicht rechtsextremen Menschen in Burg. Ich glaube inzwischen,dass es die dort tatsächlich nicht mehr gibt, sonst hätte man etwas von ihnen gehört. Das ist wirklich furchtbar.

  13. 61.

    Die Logos, vor denen sie posieren, sind deutliche Hinweise auf die Antifa als politische Heimat.

  14. 60.

    @ Rieck, da haben Sie aber etwas falsch verstanden bzw. falsch interpretiert. Wer hat denn gesagt, das die beiden Lehrer rechtsradikal und rechtsextremistisch sind. Ich bezeichne diese Ihre Aussage als Lüge.

  15. 59.

    Würde mich interessieren, wo die beiden Lehrer politisch beheimatet sind. Die Antifa Sprüchen, mit denen sie abgebildet sind, deutet auf stark links hin.

  16. 58.

    Burg im Spreewald liegt im südlichen Landesteil von Brandenburg.
    Das Land Brandenburg hat aber 4 Himmelsrichtungen und mehrere völlig verschiedene Regionen.
    Brandenburg verliert seit Jahren keine Einwohner:innen mehr und das wird sich auf absehbare Zeit auch nicht ändern.
    Zuzug Brandenburg im Jahr 2022: 35000 Einwohner:innen, dazu der Zuzug in Berlin von 78000 Einwohner:innen.
    Pro Jahr, siedelt sich eine ganze Großstadt in unserer Hauptstadtregion an und die kommen aus ganz Deutschland,Europa und der Welt.
    Berlin/Brandenburg ist eine der schnellstwachsenden und aufstrebendsten Regionen in Deutschland mit 6,4 Millionen Einwohnern:innen und wird das auch bleiben.

  17. 57.

    Das fühlt sich tatsächlich schlimm an. Sehr sogar. Und zwar für uns außen stehende, für uns als Gesellschaft.

    Persönlich ist es für die beiden sehr nachvollziehbar zu gehen. Doch gesellschaftlich fühlt sich das schlimm und sogar falsch an, denn es gehen die falschen. In einer normalen Welt müssten die Täter gehen, nicht die Opfer! Es müssten die anderen Lehrkörper gehen, die sich ihnen gegenüber feindlich zeigen und unanständig kulturlos nicht einmal mehr ordentlich Grüßen. Es müssten auch die Kinder oder Jugendlichen die Schule verlassen, die sich extremistisch asozial verhalten, indem sie Neonazi-Verhalten zeigen und diskriminieren. In einer normalen Welt würden die anständigen, aufrichtigen, gerechten Kämpfenden für die Freiheit gewinnen!

  18. 56.

    Aber wer interessiert sich schon dafür, wie die einzelnen Städte, Gemeinden und Landkreise gewählt haben ?
    Da schaut doch kein Bürger nach, wer da so Alles, als Stadtverordneter in der Politik sitzt.
    Sollte man aber mal öfter nachgoogeln und auch die Bevölkerungsstatistiken sich anschauen.
    Südbrandenburg hat nicht umsonst einen Großteil seiner Einwohner verloren, trotz massiver Staatshilfen, Landesförderungen und geförderter Großprojekte/inklusive Thermen, Hotels, Häfen, etc.

  19. 55.

    Sie meinen, viele werden jetzt weg wollen aus Brandenburg?
    Das wäre schade, aber wenn jetzt ganz viele wegziehen sollten, wäre doch Brandenburg ideal für ein Atomendlager.

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