Bernau (Barnim) - Eltern von Förderschülern fordern mit Petition Hortbetreuung in den Ferien
Beruf und die Betreuung ihres Kindes mit Einschränkungen stellt für eine Mutter aus Bernau schon während des Schuljahres eine Herausforderung dar. In den Ferien scheint es aufgrund fehlender Angebote unmöglich. Nun wendet sie sich ans Bildungsministerium.
Am Donnerstag beginnen in Brandenburg die Schulferien. Doch statt zu Hause, werden viele Kinder mit arbeitstätigen Eltern im Hort betreut. Deutlich schwerer haben es zum Teil Eltern, deren Kinder eine Förderschule mit dem Schwerpunkt "Geistige Entwicklung" besuchen. Denn die Ganztagsschulen sind in der Ferienzeit geschlossen und eine Hortbetreuung gibt es an den speziellen Schulen meist nicht. Das zeigt der Fall einer Mutter aus Bernau (Barnim).
Vollzeitarbeit für Mutter kaum möglich
Überall im Wohnzimmer von Steffi Bernsee ist Spielzeug verteilt. In einer Ecke steht eine kleine Kinderküche und in Kisten auf dem Boden stapeln sich Autos und Bausteine. Die Sachen gehören ihrem Sohn Julian. Der Elfjährige hat den Pflegegrad 5. Seit seiner Geburt kann er nicht laufen und hat eine geistige Behinderung. Deshalb besucht er eine Förderschule mit dem Schwerpunkt auf geistige Entwicklung.
Doch nach sieben Stunden endet das Angebot der Ganztagsschule. Dann wechselt seine alleinerziehende Mutter vom Homeoffice zur Kinderpflege. Für sie sei das ein ständiger Kraftakt. "Das ist natürlich immer viel Zeitstress, immer auf die Uhr schauen", sagt Steffi Bernsee. "Im Grunde genommen wird er vom Fahrdienst morgens kurz vor 8 Uhr abgeholt und dann fange ich an zu arbeiten und versuche dann natürlich meine fünf bis sechs Stunden zu schaffen, bis er wieder kommt. Dann braucht er im Grunde die volle Aufmerksamkeit." Nebenher zu arbeiten, sei für die Sachbearbeiterin also kaum möglich. Zumindest in den Wochen, in denen sie Julian hat. Sie und Julians Vater wechseln sich wöchentlich mit dem Kind ab.
Betroffene Eltern starten Petition
Eine kommunal organisierte Hortbetreuung ist an Förderschulen mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung gesetzlich gar nicht vorgesehen. An Julians Schule gibt es zwar einen Elternverein, der die zusätzliche Betreuung übernehmen könnte, doch das ist teuer. In den Ferien müsste Steffi Bernsee so 100 Euro pro Tag zahlen. Dazu kommen Kosten für den Fahrdienst, denn Fahrten, die nicht direkt vor Schulbeginn oder nach Schulende stattfinden, müssen die Eltern selbst zahlen.
"Ich finde das schon sehr diskriminierend, vor allem weil es ja nur die eine Schulform betrifft", sagt die Mutter. "Wenn wir uns die anderen Förderschulen hier im Landkreis anschauen, die haben alle einen geregelten Hortbetrieb und da fallen auch nur die Sätze an, die bei ganz normalen Grundschulen anfallen." Zusammen mit anderen betroffenen Müttern hat sie deshalb eine Petition gestartet. Die Initiatoren fordert vom Bildungsministerium eine adäquate Hortbetreuung an allen Förderschulen und eine Anpassung der Gebühren.
Bildungsministerium räumt Gesetzeslücke ein
Das Bildungsministerium teilte auf Anfrage dazu schriftlich mit, dass berufstätige Eltern - unabhängig von einer geistigen oder körperlichen Behinderung - bis zum Ende der Grundschule einen Anspruch auf Hortbetreuung ihrer Kinder haben. In den weiterführenden Schulen gebe es hingegen keine Kindertagesbetreuung mehr und damit auch keinen Rechtsanspruch.
Immerhin habe man die Gesetzeslücke bereits erkannt. So heißt es: "Für einen Teil der Eltern von Jugendlichen mit Behinderungen entsteht dadurch eine Betreuungslücke, etwa wenn beide voll berufstätig sind und zum Schulort längere Wege zurückzulegen sind."
Nur geringe Nachfrage bei Modellversuch
Um dem entgegenzuwirken sei in den Jahren 2020 bis 2022 ein Modellprogramm für die Nachmittagsbetreuung getestet worden. Dabei erhielten Kommunen pro Kind, welches die Betreuung nutzt, entsprechende Fördermittel. "Die Resonanz war jedoch gering (insgesamt 160 Jugendliche)", heißt es in der Mitteilung weiter. "Zudem hatten viele Kommunen eigene Lösungsmodelle. Fachlich kommt hinzu, dass es sich um ein exklusives Betreuungsmodell handelt - entgegen der inklusiven Absichten." Daher sei das Modell nicht mehr fortgeführt worden.
Laut aktueller Planung des Bildungsministeriums soll aber zum ersten Januar 2024 ein neues Kinder- und Jugendgesetz in Kraft treten. Und auch die Mütter wollen weiterkämpfen und dem Thema mehr Aufmerksamkeit verschaffen, um auch anderen Eltern zu helfen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 11.07.2023, 16:10 Uhr
Mit Material von Philipp Gerstner
Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version dieses Textes hieß es nur, Steffi Bernsee sei alleinerziehend. Das trifft auch auf die Wochen zu, in der sie das Kind hat. Julian wechselt aber wöchentlich zwischen Frau Bernsee und dem Vater des Kindes. Wir haben das präzisiert.